ÖGfE-Umfrage: EU-Erweiterung steht für Österreicher:innen aktuell nicht im Vordergrund

Eine Erweiterung der EU um neue Länder findet aktuell keine Mehrheit unter den Österreicherinnen und Österreichern. Das betrifft sowohl die Staaten des Westbalkan als auch neue Beitrittsaspiranten, wie etwa die Ukraine, Moldau und Georgien. Priorität wird dagegen der Vertiefung der Zusammenarbeit innerhalb der EU eingeräumt. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle ÖGfE-Umfrage.

In der von 8. bis 12. Juli österreichweiten online-Umfrage (500 Befragte) halten insgesamt 78 Prozent der Befragten eine Vertiefung der Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten für „sehr“ (46 Prozent) oder „eher“ (32 Prozent) wichtig. 15 Prozent sehen sie als „weniger“ (9 Prozent) oder „gar nicht wichtig“ (6 Prozent) an. Eine Erweiterung der EU um neue Mitgliedstaaten wird hingegen von nur einem Viertel (24 Prozent) als „sehr“ (6 Prozent) bzw. „eher wichtig“ (18 Prozent) betrachtet. Für rund zwei Drittel (68 Prozent) ist sie zurzeit „weniger“ (39 Prozent) oder „gar nicht“ wichtig (29 Prozent). Je 7 Prozent äußern sich zu diesen Fragen nicht. Im Zeitverlauf (seit 2013) zeigt sich ein recht konstantes Meinungsbild.

Insgesamt 42 Prozent sagen, dass es durch den Krieg in der Ukraine zu einem größeren Zusammengehörigkeitsgefühl in der EU kommen wird („sicher“: 10 Prozent | „eher schon“: 32 Prozent). 51 Prozent sind jedoch skeptisch und glauben das „eher nicht“ (32 Prozent) oder „sicher nicht“ (19 Prozent). 7 Prozent nehmen dazu nicht Stellung.

Einen EU-Beitritt der Ukraine würden 23 Prozent der Befragten begrüßen, 51 Prozent lehnen einen solchen jedoch ab. 15 Prozent ist diese Frage „egal“, 11 Prozent können dazu nicht Stellung nehmen. Gegenüber März 2022 ist die Zahl der Beitrittsbefürworter:innen gesunken (- 8 Prozentpunkte), die Zahl jener, die eine Mitgliedschaft der Ukraine ablehnen, ist um 10 Prozentpunkte gestiegen.

Eine EU-Mitgliedschaft Moldaus (erstmals abgefragt) begrüßen aktuell 19 Prozent der Österreicher:innen, 45 Prozent zeigen sich ablehnend, 21 Prozent indifferent. 15 Prozent geben keine Antwort. Ein Beitritt Georgiens (erstmals abgefragt) stößt bei 14 Prozent auf explizite Zustimmung, 51 Prozent legen gegenwärtig ihr Veto ein, während 21 Prozent „egal“ antworten und 14 Prozent nicht Stellung beziehen.

Das Meinungsbild zu den meisten Beitrittsaspiranten am Westbalkan gestaltet sich ähnlich und generell recht einheitlich. Die explizite Zustimmungsrate reicht von 24 Prozent (Bosnien-Herzegowina) bis 14 Prozent (Albanien). Die explizite Rate der Ablehnung bewegt sich zwischen 40 Prozent (Bosnien-Herzegowina) und 54 Prozent (Albanien und Kosovo). Noch geringer ist aktuell der Wunsch nach einer Mitgliedschaft der Türkei. Die Zustimmung ist bei fast allen Ländern gesunken – am deutlichsten im Fall von Albanien und Serbien.

Ein Überblick über die einzelnen Länder zeigt folgendes Bild:

24 Prozent der Befragten würden den EU-Beitritt von Bosnien-Herzegowina begrüßen, 40 Prozent lehnen ihn jedoch ab. 25 Prozent ist diese Frage „egal“, weitere 12 Prozent geben keine Stellungnahme ab. Ein Blick auf eine seit 12 Jahren bestehende ÖGfE-Zeitreihe macht deutlich, dass sich die Zustimmung zu einem EU-Beitritt von Bosnien-Herzegowina – nach einem Hoch von 31 Prozent (2018) und 36 Prozent (2020) – nun wieder im langjährigen Durchschnitt befindet. Allerdings ist die Zahl jener, die eine Mitgliedschaft des Landes dezidiert ablehnen, gegenüber 2020 etwa gleichgeblieben, die Zahl der Indifferenten ist hingegen (+ 8 Prozentpunkte) und Unsicheren (+ 5 Prozentpunkte) gestiegen.

 Eine EU-Mitgliedschaft Montenegros findet aktuell bei 22 Prozent Zustimmung, 42 Prozent lehnen sie ab, 23 Prozent ist es „egal“ und 12 Prozent geben keine Stellungnahme ab. In dieser Frage zeigen sich im Zeitvergleich weniger große Unterschiede – gegenüber 2020 ist das Ausmaß der Ablehnung sogar leicht gesunken, die Zustimmung gleichgeblieben, jedoch hat sich die Zahl der Nichtdeklarierten etwas erhöht. Die höchste Zustimmung datiert aus dem Jahr 2010 (28 Prozent), die größte Ablehnung aus 2014 (57 Prozent).

Eine künftige EU-Mitgliedschaft Nordmazedoniens wird von 20 Prozent begrüßt (2020: 26 Prozent), von 46 Prozent abgelehnt (2020: 48 Prozent). 21 Prozent äußern sich indifferent (2020: 19 Prozent), 14 Prozent antworten „weiß nicht“ oder nehmen nicht Stellung (2020: 7 Prozent). Im Ausmaß der Zustimmung zu einem nordmazedonischen Beitritt zeigen sich über die Jahre nur geringe Unterschiede – ausgenommen ein Hoch im Jahr 2010 (39 Prozent). Von 2012 bis 2016 wurde ein EU-Beitritt des Landes von mehr als der Hälfte der Befragten explizit abgelehnt.

16 Prozent würden aktuell dafür eintreten, dass Serbien Mitglied der Europäischen Union wird. Das bedeutet einen scharfen Rückgang gegenüber 2020, als sich noch 35 Prozent dafür aussprachen. 52 würden einen EU-Beitritt des Landes ablehnen (2020: 44 Prozent). Die Zahl jener, die sich indifferent zeigen, ist um 6 Prozentpunkte auf 20 Prozent gestiegen, ebenso die Zahl jener, die sich nicht deklarieren (+ 5 Prozentpunkte auf 12 Prozent). Der aktuelle Grad der Zustimmung bedeutet den niedrigsten Wert in der seit 2010 bestehenden Zeitreihe. Allerdings war die Zahl jener, die einen EU-Beitritt Serbiens explizit ablehnten, in den Jahren 2012-2015 deutlich höher und lag bei etwa 60 Prozent.

Was einen EU-Beitritt des Kosovo betrifft, so befürworten ihn 16 Prozent, was einen Rückgang um 9 Prozentpunkte gegenüber 2020 bedeutet. 54 Prozent zeigen sich ablehnend (2020: 55 Prozent). Gestiegen ist die Zahl jener, die sich indifferent zeigen (+ 5 Prozentpunkte auf 18 Prozent) bzw. die sich nicht deklarieren möchten (+ 4 Prozentpunkte auf 12 Prozent). Im Jahresvergleich liegt der aktuelle Zustimmungswert am Ende der Skala, allerdings ging die Befürwortung eines kosovarischen Beitritts auch nie über 25 Prozent hinaus. Der Grad der expliziten Ablehnung war in den Jahren 2012 bis 2014 am höchsten, als sich bis zu zwei Drittel in diesem Sinne äußerten.

Ein EU-Beitritt Albaniens wird zurzeit von 14 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher begrüßt, vor zwei Jahren lag dieser Wert noch bei 35 Prozent. Der Grad der Ablehnung beläuft sich auf 54 Prozent, was einer Steigerung um 11 Prozentpunkte entspricht. Konstant zeigt sich die Zahl jener, denen diese Frage „egal“ ist (+ 2 Prozentpunkte auf 19 Prozent). Die Zahl der Nichtdeklarierten hat sich um 7 Prozentpunkte auf 12 Prozent erhöht. Im Jahresvergleich ist die aktuelle Zustimmung am geringsten, im Zeitraum 2012-2015 war allerdings auch das Ausmaß der Ablehnung deutlich höher und erreichte bis zu 68 Prozent.

Lediglich 5 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher würden sich aktuell für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei aussprechen, gleich viele wie 2020. 74 Prozent sind dezidiert dagegen (2020: 79 Prozent), 13 Prozent sind indifferent (2020: 7 Prozent), 7 Prozent geben keine Bewertung ab (2020: 9 Prozent). Die größte Unterstützung erfuhr eine türkische EU-Mitgliedschaft im Herbst 2010 und 2012 mit je 17 Prozent. Das Ausmaß der Ablehnung ist über die vergangenen Jahre hinweg konstant hoch geblieben und erreichte im Jahr 2014 mit 84 Prozent ein Maximum.

Hintergrund:
Die aktuelle Umfrage wurde von market (
www.market.at) von 8. bis 12. Juli 2022 im Auftrag der ÖGfE durchgeführt. Befragt wurden österreichweit 500 Personen online, österreichische Bevölkerung, 16 bis 80 Jahre, repräsentativ für Alter, Geschlecht, Region und Bildung. Maximale statistische Schwankungsbreite ca. +/- 4,48 Prozent. Vergleichsumfragen 2010-2020: Telefonische Umfragen, Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft (SWS). Differenz auf 100 Prozent aufgrund gerundeter Werte.