Wozu Internationale Investitionsschiedsgerichte?

Handlungsempfehlungen

  1. Investitionsförderung einschließlich des Abschlusses von Investitionsschutz­verträgen mit Staaten von denen große Migrationsströme ausgehen.
  2. Förderung der Unabhängigkeit von Schiedsgerichten durch Vermeidung nationaler SchiedsrichterInnen.
  3. Aufklärung über die wirtschaftliche Position Österreichs als international stark verflochtene Volkswirtschaft, die auf funktionierende Streitbeilegung im internationalen Verkehr angewiesen ist.

Zusammenfassung

Internationale Schiedsgerichtsbarkeit bietet nicht nur Vorteile für Investoren sondern auch für Heimat- und Gastgeberstaat. Schiedsgerichtsbarkeit ist eine weit über die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit hinausgehende Form der Streitbeilegung. Sie ist in Form der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nicht neu sondern besteht schon mehr als ein halbes Jahrhundert. Nationale Gerichte sind vielfach keine brauchbare Alternative zu Investitionsschiedsverfahren. Die Ausübung diplomatischen Schutzes ist sowohl für die betroffenen Staaten als auch für den Investor mit erheblichen Nachteilen gegenüber einem Investitionsschiedsverfahren verbunden. Vor diesem Hintergrund wurden seit 1959 mehr als 2000 bilaterale Verträge sowohl im Nord-Süd, im Ost-West als auch im Süd-Süd Verhältnis zwischen Staaten abgeschlossen, die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit und Schutzstandards vorsehen. Damit Investitionen überhaupt geschützt sind, müssen sie im Einklang mit dem örtlichen Recht erfolgen. Schiedsgerichte können auch keine Gesetze aufheben.
Auch das CETA schränkt die legitime regulative Tätigkeit der Staaten nicht ein. Die Errichtung und der Erwerb von Investitionen sind nicht von der Schiedsgerichtsbarkeit umfasst. Die Staaten sind im CETA vom Mechanismus der klassischen Schiedsgerichte abgegangen. Vielmehr sieht der Vertrag eine permanente Entscheidungsinstitution ohne Auswahlrecht der SchiedsrichterInnen durch die Streitparteien vor. Die im CETA vorgesehenen Schiedsverfahren sind völlig transparent. Für unberechtigte Klagen gibt es einen eigenen Mechanismus, um deren schnelle Abweisung zu ermöglichen.

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Wozu Internationale Investitionsschiedsgerichte?

 Was ist Schiedsgerichtsbarkeit?

Schiedsgerichtsbarkeit ist eine Form der Streitbeilegung aufgrund einer Vereinbarung der Streitparteien. Diese können über die Zusammensetzung des Schiedsgerichts, den Schiedsort, die Verfahrenssprache und das anwendbare Recht entscheiden.
Schiedsgerichtsbarkeit kommt in unterschiedlichsten Konstellationen vor (zwischen Privaten, zwischen Staaten und in gemischten Verfahren).
Herkömmliche staatliche Gerichtsverfahren ziehen sich oft über drei Instanzen. Dies bedeutet hohe Kosten und großen Zeitaufwand. Außerdem sind innerstaatliche Urteile international fast nicht vollstreckbar. Aufgrund der New York Konvention aus 1958 sind Schiedssprüche weltweit vollstreckbar.
Auch im österreichischen Recht ist die Möglichkeit der Schiedsgerichtsbarkeit vorgesehen. Beim Obersten Gerichtshof gibt es seit 2014 einen eigenen Senat für Schiedsgerichtbarkeit.
Schiedsgerichtsbarkeit steht für Rechtstreitigkeiten zwischen österreichischen Streit­parteien in vielen Fällen offen, wird aber noch häufiger bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten angewandt. Bei diesen will man regelmäßig verhindern, dass die Gerichte einer der beiden Streitparteien entscheiden und zudem die Kosten und die Dauer des Verfahrens reduzieren.
Neben dieser Schiedsgerichtsbarkeit zwischen Privaten gibt es auch eine zwischen­staatliche Schiedsgerichtsbarkeit. Mit dem Jay-Vertrag aus 1794 zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich wurde erstmals ein Schiedsverfahren zur Beilegung inter­nationaler Streitigkeiten eingeführt, das heutigen Schiedsverfahren entspricht. Auf der Haager Friedenskonferenz 1899 sollten Schiedsgerichte als verbindliche Streitschlich­tung zwischen Staaten eingeführt werden, aufgrund der Weigerung Deutschlands unterblieb dies aber. Der 1899 gegründete Ständige Internationale Schiedshof in Den Haag besteht bis heute. Die Unterwerfung der Staaten darunter ist jedoch freiwillig und nicht verpflichtend.
Zwischenstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit spielte bis zur Gründung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs im Jahr 1919 eine besonders wichtige Rolle im Völkerrecht. Aber auch heute kommt ihr neben dem Internationalen Gerichtshof eine wichtige Rolle bei der Streitschlichtung zwischen Staaten zu. So wurde etwa der Rechtsstreit über die See- und Landgrenzen zwischen Slowenien und Kroatien einem Schiedsgericht übertragen.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die sogenannte gemischte Schiedsgerichtsbarkeit.[1] Dabei sind Staaten und Privatrechtssubjekte als Parteien an einem Schiedsverfahren beteiligt. Ein Meilenstein im Zusammenhang mit dieser Form der Schiedsgerichtsbarkeit ist die ICSID Konvention (International Centre for Settlement of Investment Disputes) aus 1965.[2] Der Vertrag hat derzeit 153 Parteien.[3]
Bisher waren zwischenstaatliche Bilaterale Investitionsschutzverträge (BITs) die wichtigste rechtliche Basis für den Investitionsschutz (es gibt über 2000).[4] Der erste derartige Vertrag wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan im Jahr 1959 abgeschlossen. Etwa die Hälfte aller weltweit abgeschlossenen BITs haben EU Mitgliedstaaten als Vertragsparteien.
Das Freihandelsabkommen mit Canada (CETA = Comprehensive Economic and Trade Agreement), dessen Text ausverhandelt ist, das aber noch nicht in Kraft getreten ist, verbindet ein klassisches Freihandelsabkommen mit dem typischen Inhalt eines BITs.[5]

Wem dienen Investitionsschutzverträge?

Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass Investitionsschutzverträge im ausschließlichen Interesse internationaler Unternehmen abgeschlossen werden. Bereits die ICSID Konvention selbst, aber auch die Präambeln vieler bilateraler Investitionsschutzverträge weisen darauf hin, dass Entwicklung, insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung der Vertragsparteien ein angestrebter Effekt derartiger Verträge ist.
Im Hinblick auf große Migrationsströme wird vielfach darauf verwiesen, dass das Problem an der Wurzel zu lösen sei und dass, neben einer Verbesserung der Menschenrechtssituation in den Herkunftsländern, ausländische Investitionen essentiell für die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in den Herkunftsländern der Migrationsströme seien. Öffentliche Investitionsprogramme können derartige Investitionen aber nur zu einem Teil finanzieren.[6] Für Privatinvestitionen ist ein entsprechender rechtlicher Rahmen mit einem Mindestmaß an Rechtssicherheit essentiell. Dazu gehört auch, dass internationale Streitbeilegungsmechanismen zur Verfügung stehen, die Rechtsschutz bieten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Entpolitisierung von Investitionsstreitigkeiten. Es gab eine Zeit, als die Konflikte über die Behandlung ausländischer Investoren die Ursache erbitterter Konfrontationen zwischen den Gaststaaten und den Heimatstaaten der Investoren waren. Manchmal führten diese Konflikte bis zu militärischen Auseinandersetzungen. Beispielsweise hat der noch immer nicht völlig beigelegte Konflikt zwischen Kuba und den USA seinen Ursprung in einem Investitionsstreit. Das gleiche gilt für die kriegerische Auseinandersetzung zwischen Großbritannien und Frankreich einerseits und Ägypten andererseits nach der Verstaatlichung des Suezkanals im Jahre 1956. Diese Streitigkeiten waren das Ergebnis der Unfähigkeit, Investitionsstreitigkeiten in geordneter Weise durch Schiedsgerichte beizulegen.
Auch unterhalb der Schwelle der Waffengewalt sind die Alternativen zur Schiedsgerichtsbarkeit für die Staaten keineswegs erfreulich. Der Schutz von Investoren durch deren Heimatstaat mittels diplomatischen Schutzes führt unweigerlich zu einem zwischenstaatlichen Streit und ist eine Belastung der politischen Beziehungen.
Vor diesem Hintergrund sind BITs nicht nur im Nord-Süd und im Ost-West Verhältnis abgeschlossen worden. Eine wachsende Anzahl wird nunmehr auch zwischen Entwicklungsländern abgeschlossen (ca. 600). Es ist schwer vorstellbar, dass alle diese Staaten ein halbes Jahrhundert lang unter einem wirtschaftspolitischen Irrtum gehandelt haben oder statt in ihrem eigenen Interesse im Interesse mächtiger multinationaler Unternehmen vorgingen.

Solange Investitionsschutzverträge von europäischen Staaten mit Entwicklungsländern oder Staaten des früheren Ostblocks abgeschlossen wurden, nahm kaum jemand Anstoß an ihnen und deren Schiedsklauseln.

Solange Investitionsschutzverträge von europäischen Staaten mit Entwicklungsländern oder Staaten des früheren Ostblocks abgeschlossen wurden, nahm kaum jemand Anstoß an ihnen und deren Schiedsklauseln. Die Ablehnung entstand erst, als versucht wurde, diese Mechanismen auf Verträge zwischen Industrieländern auszudehnen. Die Vorstellung, dass man diese Schutzsysteme nur im Verhältnis zu bestimmten Staaten mit offenbar minderwertigeren Rechtssystemen braucht, signalisiert eine deutliche Herablassung gegenüber diesen Staaten.

Warum kommen nationale Gerichte nicht als Streitschlichtungsinstanz in Frage?

In vielen Staaten der Erde sind nationale Gerichte leider nicht unabhängig und/oder nicht unparteiisch und oft zudem korruptionsanfällig.[7] Vielfach sind sie zudem ineffizient und die Verfahren nehmen sehr lange Zeit in Anspruch. Teils werden auch zugunsten von Investoren ergangene Urteile innerstaatlich nicht durchgeführt. Innerstaatliche Urteile sind im Unterschied zu Schiedssprüchen im Ausland zumeist nicht vollstreckbar. Für Schiedssprüche gibt es Mechanismen zur Anerkennung und Vollstreckung auf nahezu weltweiter Basis.[8]
Zudem gibt es auch Fälle von Rechtsverweigerung durch nationale Gerichte.[9] In derartigen Fällen kann nur ein internationales Verfahren Abhilfe schaffen.

Zudem können in vielen Staaten, darunter auch in Kanada, völkerrechtliche Verträge vor innerstaatlichen Gerichten nicht geltend gemacht werden.

Zudem können in vielen Staaten, darunter auch in Kanada, völkerrechtliche Verträge vor innerstaatlichen Gerichten nicht geltend gemacht werden. Daher ist eine Einklagbarkeit von in völkerrechtlichen Verträgen enthaltenen Schutzstandards für Investoren vor einem nationalen Gericht in diesen Staaten nicht möglich.[10]

Behindert die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit die regulative Tätigkeit des Staates?

Zunächst ist festzuhalten, dass zumeist nicht nur Völkerrecht sondern auch das innerstaatliche Recht des Gaststaates anwendbares Recht in einem Investitions­schiedsverfahren ist. Zudem wurde die Befugnis der Gaststaaten, die Tätigkeit von ausländischen Investoren zu regulieren, nie in Zweifel gezogen. Investitionen müssen im Einklang mit nationalen Gesetzen und anwendbaren völkerrechtlichen Verträgen (zB zum Schutz der Menschenrechte, der Umwelt oder gegen Korruption) erfolgen, damit sie überhaupt vom Investitionsschutz umfasst sind. Schiedsgerichte haben beispielsweise Umweltstandards immer respektiert. Zudem können Schiedsgerichte keine Gesetze aufheben oder für ungültig erklären sondern nur im Falle von Völkerrechtsverletzungen Wiedergutmachung, Schadensersatz oder Entschädigung zusprechen.
Schiedsgerichte schränken daher die legitime regulative Tätigkeit der Staaten nicht ein. Vielmehr ist es ihre Aufgabe sicherzustellen, dass die regulative Tätigkeit tatsächlich legitim und nicht missbräuchlich ist.

Wie gehen Schiedsgerichte mit unberechtigten Klagen um?

Ein anderer Vorwurf lautet, die Investitionsschiedsgerichtsbarkeit öffne das Tor für unerwünschte und unberechtigte Klagen. Die Beispiele für diesen Vorwurf betreffen fast immer Fälle, die noch anhängig sind, wo also noch gar keine Sachentscheidung vorliegt. Ein System zur Streitbeilegung sollte man nach seinen Ergebnissen bewerten und nicht nach den erhobenen Ansprüchen. In jedem Rechtsschutzsystem, sei es durch Gerichte oder Schiedsgerichte, gibt es Klagen, die ungerechtfertigt erscheinen. Das ist ein Grund, diese Klagen abzuweisen, nicht aber ein Grund, den Rechtsschutz in Frage zu stellen. Wollte man ein Rechtsschutzsystem nicht nach den von ihm produzierten Entscheidungen beurteilen, sondern danach, ob die erhobenen Ansprüche berechtigt sind, müsste man den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte abschaffen, bei dem über 90% der Klagen erfolglos bleiben. Im CETA wurde zur schnellen Behandlung unberechtigter Klagen eine Bestimmung vorgesehen, gemäß welcher der beklagte Staat bei einer offensichtlich unbegründeten Klage („manifestly without legal merit“) deren Abweisung in einem Schnellverfahren beantragen kann.

Im CETA wurde zur schnellen Behandlung unberechtigter Klagen eine Bestimmung vorgesehen, gemäß welcher der beklagte Staat bei einer offensichtlich unbegründeten Klage („manifestly without legal merit“) deren Abweisung in einem Schnellverfahren beantragen kann.

Sind Investitionsschiedsverfahren vertraulich?

Einer der wichtigsten Kritikpunkte an den Investitionsschiedsverfahren betraf ihre mangelnde Transparenz. Klassische Schiedsverfahren zwischen Privaten sind zumeist ebenso vertraulich wie klassische zwischenstaatliche Schiedsverfahren. Bei letzteren ist aber häufig das Ergebnis öffentlich.
Im Bereich der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit fanden in den letzten Jahren erhebliche Entwicklungen in Richtung Transparenz der Verfahren statt: Es kam zu einer Neufassung der ICSID Arbitration Rules im Jahr 2006, die eine Beteiligung von amicus curiae ausdrücklich zulassen. Im Jahr 2013 wurden die neuen UNCITRAL Rules on Transparency in Treaty-Based Investor State Arbitration verabschiedet. Diese sehen vor, dass Parteienschriftsätze, Gutachten, prozessleitende Verfügung und Schiedssprüche zu veröffentlichen sind und die Anhörungen öffentlich zu erfolgen haben. Damit ist eine höhere Transparenz gewährleistet als bei den meisten innerstaatlichen Verfahren wo beispielsweise nicht Verfahrensbeteiligte keinen Zugang zu Schriftsätzen haben.

Was ist neu an CETA?

Das Streitbeilegungssystem im CETA wurde im Vergleich zu klassischen Investitions­schutzverträgen ebenfalls erheblich modifiziert. Im klassischen System benennen der Investor und der Staat jeweils einen Schiedsrichter/eine Schiedsrichterin und diese oder die beiden Streitparteien einigen sich auf einen Vorsitzenden/eine Vorsitzende. Nominiert eine der beiden Parteien keinen Schiedsrichter/Schiedsrichterin oder unterbleibt eine Einigung auf einen Vorsitzenden/eine Vorsitzende, so wird bei ICSID auf eine Liste zurückgegriffen, auf welcher die Mitgliedstaaten SchiedsrichterInnen nominieren können. In ICSID Verfahren darf außer in Ausnahmefällen kein Mitglied des Schiedsgerichts die Staatsangehörigkeit einer der Streitparteien haben.
Um der öffentlichen Kritik an der Schiedsgerichtsbarkeit Rechnung zu tragen, ging man im CETA von diesem System ab. Nunmehr soll eine ständige Streitschlichtungsinstanz aus fünfzehn Mitgliedern geschaffen werden. Diese sollen alle vom CETA Joint Committee[11] bestehend aus VertreterInnen der EU und Kanadas ernannt werden. Dennoch wird diese Einrichtung als „Schiedsgericht“ bezeichnet.[12] Fünf der Mitglieder werden die Staatsangehörigkeit von EU Mitgliedsstaaten haben, weitere fünf jene Kanadas und die restlichen fünf werden weder Staatsangehörige eines EU Mitgliedstaates noch von Kanada sein. Die Zusammensetzung der einzelnen Dreiersenate, welche die Streitfälle entscheiden werden, wird nach einem Zufallsprinzip erfolgen.[13] Dabei werden einem Senat jeweils ein EU Schiedsrichter, ein kanadischer Schiedsrichter und ein Drittstaatsschiedsrichter angehören. Den Investoren ist somit jeglicher Einfluss auf die Zusammensetzung der Dreiersenate entzogen.
[zitat inhalt=”Das CETA sieht eine Rechtsmittelinstanz vor, womit der bisherige Vorteil der Endgültigkeit von Entscheidungen beseitigt würde.”]
Zudem wurde der öffentlichen Kritik am Fehlen einer Rechtsmittelinstanz Rechnung getragen. Das CETA sieht eine Rechtsmittelinstanz vor,[14] womit der bisherige Vorteil der Endgültigkeit von Entscheidungen beseitigt würde. Es ist unklar, ob dies der Vereinheitlichung der Rechtsprechung oder der Richtigkeit von Entscheidungen dienen soll. Bei ersterem wäre es erforderlich, dass es eine allgemeine Rechtsmittelinstanz für sämtliche derartige Verträge gäbe und nicht jeder Vertrag seine eigene vorsähe. Falls die Rechtsmittelinstanz zu einer richtigeren Beurteilung führen soll ist unklar, warum ein weiterer Dreiersenat, dessen Mitglieder die gleichen Qualifikationen haben, wie jene des ersten Senats, richtigere Entscheidungen treffen sollte.
Hinsichtlich der Vollstreckbarkeit der Entscheidungen des „Schiedsgerichts“ wird abzuwarten bleiben, ob diese als Schiedssprüche im Sinne der New Yorker Konvention von den staatlichen Gerichten akzeptiert werden.[15]
Hinsichtlich der materiellen Schutzstandards ist man ebenfalls den KritikerInnen entgegen gekommen und hat im Vergleich zu den traditionellen BITs von EU Mitgliedstaaten erhebliche Abstriche beim Investitionsschutz gemacht. Dies hat man zum Beispiel beim Standard der fairen und gerechten Behandlung durch die Beifügung einschränkender Qualifikationen erreicht.[16] Zum Teil wurden Bestimmungen, die bisher standardmäßig in Investitionsschutzabkommen enthalten waren, gar nicht aufgenommen, wie etwa die Umbrella- oder Schirmklausel. Zum Teil wurden Bestimmungen erheblich eingeschränkt, wie etwa die Meistbegünstigungklausel.[17] Sie verspricht dem Investor die beste Behand­lung, auf die ein Drittstatsangehöriger Anspruch hat.
Bei der Bestimmung über die Enteignung wurde dem von KritikerInnen vorgetragenen Wunsch nach Absicherung der staatlichen Regulierungsmöglichkeiten ohne Schaden­ersatz, Rechnung getragen.[18] Enteignungsgleiche Maßnahmen im öffentlichen Interesse waren immer erlaubt, allerdings musste Entschädigung gezahlt werden. Nach der neuen Regelung liegt nur in seltenen Ausnahmen eine Enteignung vor, sofern legitime öffentliche Interessen verfolgt werden („legitimate public welfare objectives“).[19] Die Folge ist, dass die Entschädigungs­pflicht entfällt. Die finanziellen Konsequenzen der Maßnahmen im öffentlichen Interesse werden also von der öffentlichen Hand auf den Investor überwälzt.
Hinsichtlich der Errichtung oder des Erwerbs von Investitionen sieht das CETA im Unterschied zu typischen europäischen Verträgen vor, dass nicht zwischen EU und kanadischen Investoren diskriminiert werden darf. Jedoch sind die Errichtung und der Erwerb von Investitionen ausdrücklich nicht von der Schiedsgerichtsbarkeit umfasst.[20] Das heißt der Investor kann eine allfällige Diskriminierung beim Zugang nicht einklagen.
Insgesamt lässt sich also im CETA Text eine Absenkung des Investitionsschutzes gegenüber typischen europäischen BITs feststellen. Die Änderungen gegenüber typischen europäischen BITs bei der Formulierung der Schutzstandards trägt hauptsächlich dem Wunsch nach Absicherung der entschädigungslosen staatlichen Regulierungsmöglichkeiten Rechnung.

Artikelbeschreibung

 

[1] Als Beginn der gemischten Schiedsgerichtsbarkeit gilt: Radio Corporation of America (RCA) v China aus 1935. Das Verfahren wurde vom Ständigen Internationalen Schiedshof in Den Haag administriert. Siehe näher: Jonkman, The Role of the Permanent Court of Arbitration in International Dispute Resolution, RdC 279 (1999), 9 (27); der Schiedsspruch ist verfügbar unter: haguejusticeportal.net.
[2] Zum internationalen Investitionsschutz siehe: R. Dolzer/C. Schreuer, Principles of International Investment Law, 2. Aufl. 2012.
[3] https://icsid.worldbank.org/apps/ICSIDWEB/about/Pages/Database-of-Member-States.bak.aspx
[4] http://investmentpolicyhub.unctad.org/IIA
[5] http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2016/february/tradoc_154329.pdf
[6] E. Solkheim, Chair of the OECD Development Assistance Committee: “Official development assistance (ODA) has, until recently, been seen as the main source of funding for development. Increasingly, ODA is only one part of the flows that are targeted to support development. At nearly USD 161 billion in 2013, ODA represented now only 18% of all official and private flows from the 29 member countries of the OECD’s Development Assistance Committee (DAC) and the International Financial Institutions. In addition, better-off developing countries also received USD 190 billion in “Other Official Flows” provided at close to market terms. Private finance such as foreign direct investment and remittances as well as private grants from philanthropic foundations and non-governmental organisations amounted to almost USD 650 billion in 2013 (OECD, 2014).” http://oecdinsights.org/2016/02/16/the-sustainable-development-goals-and-development-co-operation/
[7] Siehe zB: S. Gloppen, Courts, corruption and judicial independence, in: T. Søreide, D. A. Williams, Corruption, grabbing and development: real world challenges, 2014, 68-79, S. 68.
[8] Siehe zB: New York Konvention (Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards, 330 U.N.T.S. 38 (1959); Artikel 54 ICSID Konvention (Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States (the ICSID Convention), 575 U.N.T.S. 159 (1965)).
[9] Siehe zB: J. Paulsson, Denial of Justice in International Law, 2005.
[10] J. Brunnee and S. J. Toope, “A Hesitant Embrace: The Application of International Law by Canadian Courts” Canadian Yearbook of International Law (Volume 40) (2002) 3-60.
[11] Artikel 26.1 CETA.
[12] Artikel 8.27.2 CETA.
[13] Artikel 8.27.7 CETA.
[14] Artikel 8.28 CETA.
[15] Die CETA Vertragsparteien, sehen dies jedenfalls vor. Siehe Artikel 8.41.5 CETA.
[16] Siehe Article 8.10 CETA.
[17] Siehe Artikel 8.7.4 CETA.
[18] Zusätzlich gibt es mit Artikel 8.9 eine Bestimmung, die ausdrücklich das staatliche Recht zu regulieren verankert und festhält, dass negative Auswirkungen auf Investoren oder berechtigte Erwartungen zu keiner Verletzung von Investorenrechten führt.
[19] Siehe Annex 8-A Expropriation.
[20] Siehe Artikel 8.18.1 (a) CETA.

ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die die Autorin arbeitet, überein.
Schlagworte
Investitionsschutz, Schiedsgerichtsbarkeit, CETA, Investitionsschiedsgerichte
Zitation
Kriebaum, U. (2016). Wozu Internationale Investitionsschiedsgerichte? Wien. ÖGfE Policy Brief, 25’2016

Univ. Prof. Dr. Ursula Kriebaum

Univ. Prof. Dr. Ursula Kriebaum ist Professorin für Internationales Recht am Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien.