Wie könnte „gute“ Globalisierung aussehen?

Handlungsempfehlungen

  1. Die Gleichwertigkeit von sozialen, ökonomischen und Umweltzielen muss in einer integrierten Außenwirtschaftspolitik gewährleistet werden.
  2. Steuervermeidung und Gewinnverschiebungen müssen effektiver bekämpft werden, die Handelsgewinne auf die von Auslagerungen Betroffenen, sowie auf höhere Löhne in den Zielländern verteilt werden.
  3. Unterschiede bei Standards sind als Ausdruck politischer Präferenz und kultureller Identität zu akzeptieren und nicht als Handelshemmnis einzustufen.

Zusammenfassung

Ungezügelte Globalisierung hat neben ihren positiven Effekten dazu beigetragen, fremdenfeindlichen Protektionismus wieder salonfähig zu machen und das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Regierungen zu untergraben. Handel und Auslagerungen haben in den Herkunftsländern zu Lohndruck und Arbeitslosigkeit geführt, aber die Gewinne gesichert. Die ungleichere Einkommensverteilung schürt Zukunftsängste und treibt PopulistInnen UnterstützerInnen zu. Globalisierung muss auf globaler wie nationaler Ebene reguliert werden, damit sie zu einem Instrument der Verbesserung der Lebensumstände für möglichst viele Menschen wird. Dabei sind soziale, ökologische und ökonomische Ziele mit gleicher Intensität zu verfolgen.

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Wie könnte „gute“ Globalisierung aussehen?

Ungezügelte Globalisierung mitverantwortlich für den Aufstieg der PopulistInnen

Die Befunde sind so eindeutig wie jene der Wissenschaft über den Klimawandel: die Globalisierung[1] der letzten Jahrzehnte, seit der Entfesselung der Finanzmärkte durch den „Big Bang“ 1986, die Liberalisierungskampagne der OECD 1989 und die Dominanz des neoliberalen Dogmas, welches den Marktkräften magische Fähigkeiten für alles Positive zuschreibt, hat zu großen Effizienzsteigerungen aber auch zur massiven Zunahme der Ungleichheit in den meisten Ländern der Welt geführt[2]. Dazu kommen der Verlust der Arbeitsplatzsicherheit und -zufriedenheit, zunehmender Arbeitsdruck und Zukunftsängste. Da Globalisierung als von außen kommende „Urkraft“ gesehen wird, hat sie zum Vertrauensverlust der Bevölkerungen in ihre Regierungen geführt und den Aufstieg von xenophobischen und protektionistischen Kräften befördert.

Da Globalisierung als von außen kommende „Urkraft“ gesehen wird, hat sie zum Vertrauensverlust der Bevölkerungen in ihre Regierungen geführt und den Aufstieg von xenophobischen und protektionistischen Kräften befördert.

Dabei reden wir noch gar nicht über die Auswirkungen der Globalisierung auf die Umwelt, obwohl sie in vielen Teilen der Welt schon jetzt zu Verelendungen und massiven Migrationsbewegungen führen. Letztere füttern wieder die Angst unserer BürgerInnen in die Zukunft, verstärken den Ruf nach „Identität“ und spielen den „fürchterlichen Vereinfachern[3]“ und PopulistInnen in die Hände. Darüber hinaus verunsichern noch die allseits bekannten negativen Auswirkungen der Globalisierung durch internationale Kriminalität, Drogenhandel, grenzüberschreitenden Terrorismus, Menschenhandel und auch die großen Migrationswellen der letzten Jahre die Menschen.
Also: die Sorgen und Ängste der BürgerInnen beruhen auf effektiven Wahrnehmungen und Tatsachen, aber immer mehr auch auf sich rapide verbreitenden Einschätzungen, die von populistischen Kräften vereinnahmt und verstärkt werden. Mit vermeintlich einfachen Lösungen (die oft keine sind, sondern bestenfalls ein Zurück zu „guten, alten Zuständen“ suggerieren) gaukeln sie den WählerInnen vor, dass wenn sie an der Macht wären, alles besser, überschaubarer und einfacher wäre. Zugehörigkeitsgefühl, Heimatverbundenheit und Sicherheit wären nicht mehr bedroht.

Außenhandelstheorie kennt überwiegend Gewinner

Die ökonomische Standard-Theorie ist im späten 18. Jahrhunderts als Gegenbewegung auf die Abschottung der nationalen Märkte im Merkantilismus entstanden. Sie meint, dass von Außenhandel beide handeltreibenden Länder profitieren, da jedes Land sich auf die ihm eigenen Vorteile (entweder durch Bodenschätze, Klima oder Fertigung von Gütern verursacht), spezialisieren und damit Effizienz- und Kostenvorteile lukrieren könne. Die KonsumentInnen könnten billiger einkaufen, die Unternehmen mehr Gewinn machen.

Die Standardtheorie äußert sich jedoch kaum dazu, wer diese Effizienzgewinne lukriert.

Die Standardtheorie äußert sich jedoch kaum dazu, wer diese Effizienzgewinne lukriert, ob der wohlfahrtssteigernde Befund auch für den Handel zwischen sehr großen und sehr kleinen Ländern gilt, und was passiert, wenn die Ausgangsbedingungen der handeltreibenden Länder sehr unterschiedlich sind. Im Laufe des 19. bis 21. Jahrhunderts wurden die Grundaussagen dieser Theorie zum „Freihandelsdogma“ erhoben.  Viele Marktbefürworter, viele große Unternehmen predigen die Vorteile des absolut freien Handels. Eine Reihe von Welthandelsrunden im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) versuchte, diesem Dogma weltweit zum Durchbruch zu verhelfen. Die formell noch laufende „Doha-Runde“, begonnen im Jahr 2001 und versehen mit Abschlussdatum 2005, ist allerdings am Einspruch der weniger entwickelten Länder gescheitert, die ihre Nachholinteressen zu wenig berücksichtigt sahen. In der Zwischenzeit gehen die Länder der Welt zunehmend vom Versuch ab, globale Handelsregeln aufzustellen und widmen sich stärker regionalen oder bilateralen Abkommen (zB NAFTA, TPP, CETA, TTIP)[4].

Vom interindustriellen zum intraindustriellen Handel

In den 250 Jahren seit der Formalisierung der ursprünglichen Handelstheorie haben sich auch die Produktionsverhältnisse und damit die Voraussetzungen für Handel grundlegend geändert. Ging es im 18. Jahrhundert um den Austausch von einzelnen Gütern (das Lehrbuchbeispiel ist der Handel zwischen Portugal und England von Wein und Tuch), werden heute fast 2/3 des Welthandels innerhalb von Wertschöpfungsketten abgewickelt: Grundstoffe werden über die Grenze zu Primärverarbeitern exportiert, diese schicken sie an weitere Verarbeitungsstufen in andere Länder, um letztlich dann woanders zum Endprodukt zusammengebaut zu werden und von woanders versandt zu werden. Die dafür nötigen offenen Grenzen bieten aber bei diesem „intra-industriellen“ Handel sehr viel Raum zur Verschleierung und Transferierung von Gewinnen („Verrechnungspreise“).

Der Geburtsfehler der Handelsabkommen

Die Erbsünde der Handelsregeln der Welthandelsorganisation ist, dass sie Außenhandel als von anderen Bereichen unabhängigen Sektor betrachten.

Die Erbsünde der Handelsregeln der WTO ist, dass sie Außenhandel als von anderen Bereichen unabhängigen Sektor betrachten. Zölle und Kontingente sollen abgebaut, und etwa bei TTIP und CETA die Angleichung von Standards und Normen erreicht werden. Andere wirtschaftspolitische Ziele, wie hoher Beschäftigungsgrad, gute Arbeitsbedingungen, hohe Gesundheits- und Umweltstandards werden nicht in solchen Abkommen behandelt, sondern eigenen Institutionen, wie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder der Umweltbehörde „überlassen“. Mit dieser Separierung wird die Ablehnung der Bevölkerungen gegenüber dem Handel jedoch beflügelt, da die Menschen ihre unmittelbaren Interessen, nämlich ein „gutes Leben“, durch weitere Globalisierung bedroht sehen[5]. Die Spezialorganisationen allein können den Dogmatikern des Freihandels nicht Paroli bieten, da ihre Regeln in der Durchsetzung viel schwächer sind und die VertreterInnen großer multinationaler Unternehmungen massiven Lobbyismus für Freihandel betreiben. Handelsinteressen haben immer Vorrang vor anderen.

Gewinner und Verlierer

Es ist unbestritten, dass der grenzüberschreitende Austausch von Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital historisch ein Riesenfortschritt ist und viel Zuwachs von Wohlstand verursacht hat. Nach Analysen der Weltbank hat die Eingliederung Chinas in den Welthandel etwa 700 Millionen ChinesInnen aus extremer Armut befreit[6], aber dort auch vielfach ausbeuterische vor-industrielle Arbeitsbedingungen geschaffen. Die Auslagerung ganzer arbeitsintensiver Industriezweige in „Billiglohnländer“ hat in den Zielländern einige rasche Einkommenszuwächse ermöglicht, in den Herkunftsländern allerdings die Arbeitslosigkeit ansteigen lassen, aber die Gewinnchancen der auslagernden Unternehmen gesichert. Die niedrigen Arbeitslosenraten der 1950er und 1960er Jahre (in Österreich von jeweils unter 2%) sind seither nicht mehr erreicht worden, derzeit beträgt die Arbeitslosenrate in der EU im Schnitt 10%. Die Öffnung der Märkte vieler Entwicklungsländer hat in den Industrieländern Arbeitsplätze gesichert, aber die Auslagerungen durch Direktinvestitionen haben Lohndruck in den Herkunftsländern ausgeübt: die stagnierenden Medianeinkommen in den Industrieländern seit etwa 30 Jahren sind Ausdruck dessen[7]. Die mit grenzüberschreitendem Handel verbundenen Transport-Umweltkosten haben massive Auswirkungen durch den Bau von Straßen und anderen Verkehrswegen, den Bau von Pipelines, durch die Verschmutzung der Meere, durch den riesigen Anteil an CO2-verursachten Auswirkungen auf das Weltklima, durch die ungenügende Berücksichtigung der Umweltkosten und durch die Subventionierung der Treibstoffe. Diese gehen nicht in die Kostenkalkulation der Unternehmen ein[8].

Wieviel Globalisierung ist gut, wieviel Protektionismus schlecht

Wir wissen aus dem verheerenden Beispiel der 1930er Jahre, dass der damals grassierende Protektionismus und der Versuch jedes Landes, möglichst wenig Importe zuzulassen („Autarkie“) und möglichst viel selbst zu exportieren, die Weltwirtschaftskrise massiv verschärft sowie Massenarbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit erzeugt hat und ein wichtiger Auslöser des 2. Weltkriegs war.
Es muss heute die Aufgabe sein, die Globalisierung so zu gestalten, dass sie nicht blind als Dogma verfolgt wird, sondern dass ihre Vorteile möglichst vielen Menschen auf allen Seiten des Handels, der Freizügigkeit und der Investitionen zugutekommen.

Daher muss heute die Aufgabe sein, die Globalisierung so zu gestalten, dass sie nicht blind als Dogma verfolgt wird, sondern dass ihre Vorteile möglichst vielen Menschen auf allen Seiten des Handels, der Freizügigkeit und der Investitionen zugutekommen[9]. Dies impliziert, dass Globalisierung politisch durch die Öffentlichen Hände gesteuert werden muss, sowohl einzelstaatlich, viel mehr aber noch weltweit. Dies bedeutet, dass Liberalisierungsschritte, welche die grundlegenden öffentlichen Güter („Daseinsvorsorge“) einzelner Länder und Regionen betreffen, nicht nur nicht gefordert, sondern verboten werden. Die politischen Präferenzen einzelner Handel- und investitionstreibender Länder, bzw. deren Bevölkerungen müssen akzeptiert werden[10], anstatt mit forciertem Druck Ungleiches mit Gleichem vergleichbar machen zu wollen. Die in den neuen Handelsvereinbarungen enthaltenen Angleichungen von Standards wenden sich gegen angebliche Wettbewerbshemmnisse, sind jedoch meistens Ausdruck politischer Präferenzen. Sie großflächig zugunsten einheitlicher „Weltstandards“ abzubauen führt zu Verlust an Lebensqualität und kultureller Identität. Als Ziel von Handelsverträgen zerstören sie jedenfalls sozialen Zusammenhalt.

Zehn Schritte zu einer „Guten Globalisierung“

Globalisierung als Objekt der Wirtschaftspolitik muss dem Wohl aller Menschen dienen[11], statt Bedingungen für eine „marktgerechte Demokratie“ (@ Merkel) zu schaffen. Um eine solche „nachhaltige Globalisierung im Interesse aller“ zu gestalten, sind folgende Schritte sinnvoll:

  1. Eine Bestandsaufnahme der bestehenden Handels- und Investitionsregime auf Soziales und Umwelt; diese Analyse ist auf globaler Ebene aber auch länderweise durchzuführen und innerhalb der Länder auf Einkommens-, Sozial- und Interessengruppen zu differenzieren.
  2. Die Wirtschaftspolitik jedes Landes, jeder Region (EU) soll laufend einen Dialog mit Sozialpartnern und Nicht-Regierungsinstitutionen über die gewünschte Richtung der Außenorientierung der Wirtschaft führen, unter Berücksichtigung von Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, Sozialleistungen, Gesundheits- und Umweltbedingungen. Die jeweilige konkrete Wirtschaftspolitik ist daran auszurichten. Dies kann zu niedrigeren als den derzeitigen Außenhandelsquoten führen, ohne dass damit einer Autarkie-Strategie das Wort geredet wird.
  3. Es braucht auf globaler Ebene neben den bestehenden Institutionen eine sektorübergreifende Institution, welche der schrankenlosen Globalisierung Grenzen setzt und sie in eine Richtung treibt, die für alle sozialen und materiellen Wohlstand bringt und aktiv den Klimawandel bekämpft.
  4. Umweltbelange, soziale Inklusionsinteressen und wirtschaftliche (Gewinn-) Interessen müssen gleichrangig in die Beurteilung von Globalisierungsschritten eingehen. Der Lobbyismus jener Gruppen, die vom derzeitigen Freihandelsregime profitieren, ist zugunsten gesamtgesellschaftlicher Interessen einzuschränken.
  5. Alle künftigen Vereinbarungen über Außenhandel, Direktinvestitionen und Personenfreizügigkeit müssen einer inhaltlichen und qualitativen Kosten-Nutzenanalyse über ihre sozialen, wirtschaftlichen und Umweltauswirkungen unterzogen werden, wobei auch hier zusätzlich zu einer Gesamtbeurteilung Differenzierungen nach Unternehmensgrößen, Einkommensklassen, sozialen Schichten und regionalen Umwelteffekten vorzunehmen sind.
  6. Bei Handelsabkommen mit Ländern sehr unterschiedlichen Entwicklungs- und Einkommensniveaus sind Schutzmechanismen für sehr unterschiedliche Lohnniveaus, etwa ähnlich den Absicherungen für Wechselkursschwankungen vorzusehen.
    6a) Konkret könnte man etwa auslagernde Unternehmen verpflichten, einen Teil der Kostenersparnis in einen Fonds einzubringen, mit dem einerseits die Wiedereingliederung der im Inland arbeitslos Gewordenen gefördert wird, andererseits die Arbeitsbedingungen im Zielland, inklusive Gehalt, verbessert werden. Dies könnte auch durch höhere Besteuerung von Unternehmensgewinnen erfolgen.
    6b) Die stark gefallene Lohnquote in den Industrieländern, sowie die sich auseinander entwickelnde Einkommensverteilung[12] erfordern grundlegende Überlegungen über die Verteilung von Produktivitätsfortschritten. Erste Fortschritte wurden bei der Verhinderung von Steuervermeidung erzielt (Stichwort „Steueroasen“). Viele dieser Steuervermeidungen gehen auf Nutzung bestehender Steuergesetze, bzw. den Unterschied zwischen einzelnen Jurisdiktionen („Steuerarbitrage“) zurück. Organisationen wie IMF und OECD müssen hier weitere Schritte für gemeinsame international geltende Regeln (ähnlich dem Finanzsektor) erarbeiten und durchsetzen, die die Verteilungstrends umkehren.
  7. Besondere Anreize steuerlicher oder sonstiger Art für die Ansiedlung ausländischer Unternehmen sind zu verbieten. Bei grenzüberschreitenden Unternehmensverbünden, welche mittels Gestaltung von Transferpreisen Gewinnverschiebungen machen können, muss jeder Unternehmensteil im Land seiner Registrierung die ihm zukommenden Gewinnsteuern bezahlen und den Nachweis erbringen, dass die Bepreisung der weitergeleiteten Produkte ihrem Verkehrswert entspricht (Umkehr der Beweislast). Eine internationale Aufsichtsinstitution, à la Basler Ausschuss für den Finanzsektor, sollte die Fairness internationaler Ansiedlungsbedingungen kontrollieren, mit dem Ziel, die Stabilität der globalen „Realwirtschaft“ sicherzustellen.
  8. Das Dogma der Marktöffnung für weniger entwickelte Länder als überragendes Ziel und Instrument der Entwicklungspolitik ist zu qualifizieren. Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft, vor allem die bäuerliche Landwirtschaft, das Handwerk, auf Klein- und Mittelunternehmen, nationale und kulturelle Eigenheiten können in vielen Fällen „eigenständigere“ Entwicklungspfade, die auch zeitweise Subventionen enthalten, als vielversprechender erscheinen lassen.
  9. Das Dogma des freien Kapitalverkehrs, welches den Finanzmärkten die Schiedsrichterrolle über Entwicklungen in den einzelnen Ländern nach dem, meist kurzfristig orientierten, Interesse der „Investoren“ überantwortet, ist zugunsten einer den gesamtgesellschaftlichen Interessen Vorzug gebenden Finanzpolitik aufzugeben. Sowohl Beschränkungen beim Kapitalzufluss als auch beim Abfluss sind von den Internationalen Finanzinstitutionen zugunsten eines weniger volatilen und gesamtgesellschaftlich ausgerichteten Kalküls zu forcieren. Notenbanken müssen ebenso wie andere staatliche Institutionen der nationalen und internationalen Gesellschaft rechenschaftspflichtig werden.
  10. Für die aktuellen Handelsverträge CETA und TTIP bedeutet dies, dass der weitere Abbau von Zollschranken und Kontingenten befürwortet wird, dass aber die Einebnung von Standards (die den Hauptteil dieser Abkommen ausmachen), abzulehnen ist. Weiters wären, über die genannten Ausnahmen von Privatisierungen und Liberalisierungen bei der Daseinsvorsorge hinaus, aktive Schritte zu setzen, welche sicherstellen, dass weitere Außenhandelsförderung und Förderung von Direktinvestitionen in den Dienst der sozialen Inklusion und des Umweltschutzes gestellt werden: diese Zielsetzungen fehlen in den Zielbestimmungen. Passive Ausnahmen reichen nicht aus, um mehr Handel zu legitimieren. Handel und grenzüberschreitende Aktivitäten müssen aktiv zum Wohlergehen der BürgerInnen beider Regionen beitragen. Schiedsgerichte für Investitions- und Handelsstreitigkeiten müssen jedenfalls im obrigkeitsstaatlichen Kontext verbleiben und dürfen nicht das Staatsmonopol (auch der internationalen Gemeinschaft) für Rechtsprechung unterhöhlen. Nur so ist ihre demokratische Legitimität gegeben und kann öffentliche Rechenschaftspflicht eingefordert werden.

[1] Unter Globalisierung sind der grenzüberschreitende Warenaustausch, globale Finanzströme, grenzüberschreitende Investitionen (Direktinvestitionen), sowie die Freizügigkeit von Personen zu verstehen. Die „vier Freiheiten“ des EU-Binnenmarktes sind Ausdruck einer regionalisierten Globalisierung.
[2] Stiglitz, J.E. Making Globalization Work, Norton, New York, 2006, pp.36ff.
[3] Jacob Burckhardt, Briefe, ed. Max Burckhardt, vol. 9 (Basel/Stuttgart,1980).
[4] Viele der britischen Brexit-Befürworter propagieren allerdings für Britannien ein „zurück zu den WTO-Regeln“, da sie weder eine Binnenmarktbeteiligung noch den Verbleib in der Zollunion als erstrebenswert ansehen.
[5] Siehe zB, Stiglitz, J.E. Globalization and Its New Discontents, Project Syndicate, Aug. 6, 2016
[6] SPIEGEL online, 5.10.2015
[[7] Milanovic, B. Global Inequality: A New Approach for the Age of Globalization, Belknap Press, 2016.
[[8] Rodrik, D. The Globalization Paradox, WW. Norton, New York 2012
[[9] Rodrik, D.(2012) op.cit, p.3
[[10] Economists Should Learn from Plural Rationality Theory. https://kurtbayer.wordpress.com, 15.12.2008
[[11] Rodrik, D. From Hyperglobalization to Sensible Globalization, Sept. 16, 2016, www.rodrik.typepad.com
[[12] Milanovic B., op.cit.

ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die der Autor arbeitet, überein.
Zitation
Bayer, K. (2016). Wie könnte „gute” Globalisierung aussehen? Wien. ÖGfE Policy Brief, 26’2016

Dr. Kurt Bayer

Dr. Kurt Bayer war am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO), im Bundesministerium für Finanzen (Gruppenleiter für Wirtschaftspolitik und Internationale Finanzinstitutionen), als Executive Director im Board der Weltbank und als Board Director bei der Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in London tätig. Er ist Emeritus Consultant am WIFO und Senior Research Associate am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftvergleiche (wiiw). Er verfasst regelmäßig Blogs zu wirtschaftspolitischen Themen: https://kurtbayer.wordpress.com