Was unterscheidet eigentlich „Tiroler Speck“ von „Südtiroler Speck“?

Handlungsempfehlungen

  1. Die bisherige EU-Erfolgsgeschichte des Schutzes geografischer Angaben soll ausgebaut und auf weitere Drittstaaten übertragen werden.
  2. Das Ziel sollte die Schaffung eines einzigartigen weltweiten Regelsystems nach EU Vorbild sein.
  3. Um an den damit verbundenen zusätzlichen Exportmöglichkeiten teilhaben zu können, muss Österreich seine Anstrengungen verstärken, neue und wettbewerbsfähige Produkte unter den gemeinsamen EU-Schutzschirm für geografische Angaben zu bringen.

Zusammenfassung

Die wirtschaftliche Bedeutung geografischer Ursprungsangaben wächst. Wertmäßig bringt es der Markt für EU-Erzeugnisse mit geografischen Angaben auf jährlich über 54 Milliarden Euro Umsatz; zusammen machen sie gar beachtliche 15 Prozent der Gesamtausfuhren der EU an Lebensmitteln und Getränken aus. Es gibt bereits über 3300 namentlich eingetragene EU-Erzeugnisse. Zudem sind in der EU auch rund 1250 Erzeugnisse aus Drittländern namentlich geschützt. Die Union ist aktuell im Begriff, ein weltweites Regelsystem zu etablieren indem es seine Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel auf eine wachsende Zahl von Drittstaaten ausdehnt. Umso wichtiger ist es für jeden einzelnen EU-Mitgliedstaat, rechtzeitig und umfassend seine Position in diesem System zu behaupten. Die Mehrzahl der EU-Mitglieder hat dies erkannt und meldet eine steigende Zahl von Produkten zum Schutz an. Österreich steht dabei abseits und läuft Gefahr, eine wichtige Weichenstellung für seine Agrarwirtschaft zu versäumen.

****************************

Was unterscheidet eigentlich „Tiroler Speck“ von „Südtiroler Speck“?

Zur wachsenden Bedeutung geografischer Ursprungsbezeichnungen und warum Österreich diese Entwicklung verschlafen könnte.

Der Schutz geografische Angaben gehört zu den großen Erfolgsgeschichten der europäischen Landwirtschaft mit über 3300 namentlich eingetragenen EU-Erzeugnissen. Zudem sind in der EU auch noch rund 1250 Erzeugnisse aus Drittländern namentlich geschützt, meist durch bilaterale Abkommen. Wertmäßig bringt es der Markt für EU-Erzeugnisse mit geografischen Angaben auf jährlich über 54 Milliarden Euro Umsatz; zusammen machen sie gar beachtliche 15 Prozent der Gesamtausfuhren der EU an Lebensmitteln und Getränken aus. Und immer mehr Akteure und immer mehr Produkte suchen Schutz unter dem wachsenden EU-Markengeflecht[1]. Die jüngsten Verhandlungen etwa mit Japan und China über die gegenseitige Anerkennung von geografischen Angaben sind wohl das beste Beispiel für die weiter wachsende Bedeutung. Dabei wird auch zunehmend immer wieder darauf hingewiesen, dass die EU mit ihrem einzigartigen System des Schutzes geografischer Ursprungsangaben (Geograpical Indications – GIs) einen weltweiten Standard setzt[2]. Umso überraschender, dass Österreich – mit seinem Selbstbild eines „Feinkostladens Europas“ – diese Entwicklung mehr oder weniger verschläft.

Dabei wird auch zunehmend immer wieder darauf hingewiesen, dass die EU mit ihrem einzigartigen System des Schutzes geografischer Ursprungsangaben (Geograpical Indications – GIs) einen weltweiten Standard setzt.

EU-Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse

Im Rahmen ihrer Qualitätsregelungen sieht die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) Instrumente vor, die Qualität und Traditionsreichtum registrierter Erzeugnisse hervorheben und gewährleisten, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher darauf verlassen können, dass es sich um Originalerzeugnisse und nicht um Imitationen handelt, die vom guten Ruf des Originals profitieren[3]. Im weitesten Sinne fallen die geografischen Angaben unter die Rechte des geistigen Eigentums.

EU-Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse gelten konkret für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, Weine, Spirituosen und aromatisierte Weine, die von den Erzeugern oder deren Vereinigungen den einschlägigen Vorschriften gemäß registriert wurden[4].

Die geografische Angabe zeigt, dass ein Erzeugnis einen engen Bezug zu einer bestimmten Herstellungsregion hat. Für Lebensmittel und Wein werden geschützte Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und geschützte geografische Angaben (g.g.A.) verwendet, für Spirituosen und aromatisierte Weine hingegen lediglich geografische Angaben.

Mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.) werden Erzeugnisse gekennzeichnet, die in einer bestimmten geografischen Region erzeugt, verarbeitet und zubereitet wurden, wobei lokale Hersteller überliefertes Wissen und Ausgangsstoffe aus der Region nutzen. Die Eigenschaften dieser Produkte haben einen Bezug zu ihrer geografischen Herkunft. Sie dürfen das g.U.-Logo tragen, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfüllen.

In Österreich fallen darunter: Wachauer Marille, Tiroler Graukäse, Gailtaler Almkäse, Tiroler Bergkäse, Vorarlberger Alpkäse, Vorarlberger Bergkäse, Waldviertler Graumohn, Tiroler Almkäse/Tiroler Alpkäse, Pöllauer Hirschbirne und Steirische Käferbohne.

Mit einer geschützten geografischen Angabe (g.g.A.) werden dem gegenüber Erzeugnisse gekennzeichnet, deren Qualität oder Ruf mit dem Ort oder der Region verbunden ist, in der sie erzeugt, verarbei
tet oder zubereitet werden. Die Ausgangsstoffe müssen jedoch nicht notwendigerweise aus derselben geografischen Region stammen. Alle g.g.A.-Produkte dürfen das g.g.A.-Logo tragen, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfüllen.

In Österreich sind das: Steirisches Kürbiskernöl, Marchfeldspargel, Tiroler Speck, Gailtaler Speck, Steirischer Kren und bis vor kurzem auch Mostviertler Birnmost. Für diesen wurde jedoch am 17. Februar ein Löschungsantrag vom „Regionalverband noewest-mostviertel“ veröffentlicht[5]. Da man kein Interesse mehr am weiteren Schutz der geschützten Herkunftsangabe habe, soll sie aus dem weltweit gültigen EU-Register gelöscht werden. Begründung: Für den Verkauf des Erzeugnisses vor Ort ist die geschützte Angabe ohne Bedeutung, weil der Name ohnehin bekannt sei. Man habe daher kein Interesse an einem weiteren Schutz der geschützten Herkunftsangabe. Diese Art von „Rückgabe“ eines bisher registrierten Produkts ist ungewöhnlich und stieß auch auf Widerspruch[6].

Das dritte Gütesiegel – garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.) – ist keine geografische Angabe im eigentlichen Sinne, sondern weist auf eine Tradition hin. Mit dem g.t.S.-Logo werden Erzeugnisse mit einer überlieferten Besonderheit hinsichtlich ihrer Zusammensetzung oder ihrer Herstellungsweise gekennzeichnet, die keinen Bezug zu einer bestimmten geografischen Region haben.

Bisher wurde nur ein österreichisches Produkt – nämlich Heumilch – in dieser Kategorie angemeldet.

Hektische Aktivitäten bei Neu- und Ummeldungen

Ein Blick in das EU-Amtsblatt oder etwa die existierenden Datenbanken[7] zeigt, dass ein reges Treiben eingesetzt hat, was die Neuanmeldung (beziehungsweise die Änderungsmeldungen bestehender) geschützter Angaben angeht. Dabei scheint insbesondere die dritte Kategorie garantiert traditioneller Spezialitäten (g.t.S.) eine besondere Attraktivität darzustellen. Besonders die neuen EU-Mitgliedstaaten Ost-Mitteleuropas sehen darin offensichtlich die lohnende Chance, Produkte ohne großen Aufwand schützen zu lassen. Unter diesem Gesichtspunkt beachtenswert ist etwa eine ungewöhnliche Art „Sammeleintragung“ auf Antrag Polens[8] im Herbst 2017.

Insgesamt gesehen sind die südlichen EU-Mitgliedsstaaten die führenden Produzenten von Lebensmitteln, die die EU-Qualitätssiegel „g.U.“ bzw. „g.g.A.“ tragen: 70 Prozent aller Produkte mit solchen Gütesiegeln kommen aus Italien, Frankreich, Spanien, Portugal und Griechenland. Lediglich bei der dritten Kategorie, den garantiert traditionellen Spezialitäten (g.t.S.) verhält es sich anders. Hier fällt die Hälfte aller Anmeldungen auf die Staaten Ost- und Mittleeuropas. Spitzenreiter sind Polen mit 15 und die Slowakei mit knapp 12 Prozent aller g.t.S.-registrierten Produkte.

Wachsende Problematik: Abgrenzung zur Gattungsbezeichnung

Von wachsender praktischer Bedeutung ist die Abgrenzung schutzfähiger geografischer Herkunftsbezeichnungen von sogenannten Gattungsbezeichnungen, für die es an sich ein absolutes Hindernis zur Eintragung in das Register gibt. Diese sind definiert als „Produktnamen, die, obwohl sie auf den Ort, die Region oder das Land verweisen, in dem das Erzeugnis ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde, zu einer allgemeinen Bezeichnung für ein Erzeugnis in der Union geworden sind“ (Art. 3 Nr. 6 VO 1151/2012). Als Beispiele hierfür können im deutschsprachigen Raum angeführt werden „Tilsiter“ (Käse), „Emmentaler“ (Käse), „Berliner“ (spezielle Pfannkuchen/Backwaren), „Amerikaner“ (Gebäck) oder „Pils“ (Bier). Als Parameter für die Beurteilung, ob eine Bezeichnung eine Gattungsbezeichnung darstellt, ergeben sich gemäß Art. 41 Abs. 2 VO 1151/2012 aus der „in den Verbrauchsgebieten bestehenden Situation“ und den „einschlägigen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bzw. der Union“. Demnach ist nicht nur die Situation im Ursprungsland, sondern auch die in den anderen Mitgliedstaaten entscheidend[9].

Allein die bekannten Rechtsfälle Feta I[10] und II[11] sowie Bayerisches Bier[12] vor dem EuGH zeigen jedoch, wie diffizil diese Festlegung ist. 2009 verneinte etwa der EuGH beim Bayerischen Bier die Gattungsbezeichnung und bestätigte die Gültigkeit der Eintragung als geografische Angabe. Als Begründung wird angeführt, dass Bayerisches Bier im deutschen Verkehrskreis Ansehen genieße, des Weiteren zwei deutsche Kollektivmarken hierfür eingetragen wurden und mehrere internationale bilaterale Abkommen zum Schutze der Bezeichnung Bayerisches Bier bestehen.

Abzugrenzen von den eintragungsunfähigen Gattungsbezeichnungen (wie eben der Currywurst) sind die miteingetragenen Gattungsbezeichnungen (z.B. Halberstädter Würstchen oder Berliner Currywurst). Für diese stellt das EU-Sekundärrecht klar, dass bei zusammengesetzten eingetragenen Bezeichnungen, die als Bestandteil eine Gattungsbezeichnung enthalten, die Verwendung der Gattungsbezeichnung für entsprechende Lebensmittel nicht als Verstoß gegen spezifische kennzeichenrechtliche Schutzvorschriften gilt (vgl. Art. 13 Abs. 1 UAbs. 2 VO 1151/2012)[13].

Gerade hier entsteht jedoch in jüngster Zeit ein kreativer Wildwuchs an Neueintragungen bzw. Spezifikationsänderungen, die durchschnittliche NormalbürgerInnen oft ratlos zurück lassen. Worin besteht nun etwa konkret der Qualitätsunterschied zwischen Tiroler Speck und Südtiroler Speck? Was unterscheidet „Bayerisches Rindfleisch“/„Rindfleisch aus Bayern“ (g.g.A.) qualitätstechnisch etwa von Rindfleisch aus dem benachbarten Innviertel? Was „Nürnberger Bratwürste“/„Nürnberger Rostbratwürste“ (g.g.A.) von anderen Bratwürsten? Und warum dürfen „Schwäbische Spätzle/Schwäbische Knöpfle“ nur in Schwaben und „Obazda / Obatzter“ nur in Bayern hergestellt werden obwohl die Zutaten nicht aus Schwaben bzw. Bayern stammen müssen? Und ist es tatsächlich ein Qualitätskriterium, ob nun ein Speck in „Tirol“ oder in „Südtirol“ aufgeschnitten bzw. verpackt wird? Inwieweit das noch als „Qualitätskriterium“ gilt oder nicht schlicht eine Art „Vermarktungshilfe“ darstellt, ist fraglich.

Warum österreichische Produzenten hier nicht verstärkt in ähnlicher Manier versuchen, Positionen zu besetzen, ist unklar.

Warum österreichische Produzenten hier nicht verstärkt in ähnlicher Manier versuchen, Positionen zu besetzen, ist unklar. Der mögliche Einwand, dass es sich ja um „lokale Spezialitäten“ handle, die keine Exportdimension aufweisen, geht eigentlich ins Leere. In einem rasch wachsenden Markt der geschützten geografischen Ursprungsangaben sollte es doch im Interesse Österreichs sein, Positionen zu besetzen. Insbesondere angesichts von Änderungsanträgen wie jenen, bei der von der Slowakei eingetragenen geografisch geschützten Spezialität „Bratislavský rožok“/„Pressburger Kipfel“/„Pozsonyi kifli“ die Wortfolge „Pressburger Kipfel“ zu streichen[14], weil er nicht als Name für Erzeugnisse dieser Art in Österreich oder Deutschland verwendet wird (wo stattdessen üblicherweise der Name „Pressburger Beugel“ verwendet werde). Das sind Marketingüberlegungen aber doch keine Qualitätskriterien für ein Lebensmittel.

Eine weitere Besonderheit der VO 1151/2012 ist der Schutz vor Umwandlung von geschützten Herkunftsangabe
n zur Gattungsbezeichnung (vgl. Art. 13 Abs. 2 VO 1151/2012). Eine einmal eingetragene Herkunftsbezeichnung bleibt auf unbestimmte Zeit geschützt, unabhängig davon, ob ihr Name aufgrund von Entwicklungen zu einem gemeinhin üblichen Namen geworden ist und sich damit de facto zu einer Gattungsbezeichnung etabliert hat[15]. Auch das wäre ein Grund mehr, dass Österreich vermehrt diese Schutzmöglichkeit in Anspruch nimmt.

Beispiel Steirischer Hopfen: First come, first win?

Wie umkämpft so manches Produkt innerhalb der EU selbst ist, zeigt etwa das Beispiel des „Steirischen Hopfens“[16].

Groß war die Aufregung im Mai 2017, als folgende Meldung die Runde machte: „Steirischer Hopfen“ darf in Zukunft nur noch aus Slowenien kommen. Das südliche Nachbarland habe sich nämlich die Bezeichnung „Štajerski hmelj“ schützen lassen, und damit sei der gute „echte“ steirische Hopfen plötzlich nicht mehr erlaubt. Die Empörung war groß. Eine Meldung der steirischen Wirtschaftskammer[17] aufnehmend wurden die EU und ihr angeblich weltfremder Regulierungswahn durchs Dorf getrieben. Slowenien habe sich das wichtige Kultur- und Exportgut Hopfen per „EU-Patent“ schützen lassen. Konsequenz daraus: Wo „steirischer Hopfen“ draufsteht, dürfe per EU-Recht ab sofort nur mehr Hopfen aus Slowenien drin sein.

Hopfen hat in Slowenien eine lange Tradition. Es lag daher nahe, dass das Land ihn als geschützte geografische Angabe (g.g.A.) in der EU als Ursprungsangabe registrieren ließ. Im Fall des Hopfens wurde die Ursprungsbezeichnung in der slowenischen Landessprache, also als, Štajerski hmelj‘, angemeldet. In diesem Schutz sind auch die jeweiligen Übersetzungen inkludiert. Und genau hier liegt das Problem, denn ins Deutsche übersetzt bedeutet das eben „steirischer Hopfen“ – was sich aufgrund der gemeinsamen Historie schnell erklärt.

Österreich hatte bereits 2016 gegen die Eintragung des Namens „Štajerski hmelj“ Einspruch erhoben, weil sich dies nachteilig auf das Bestehen von österreichischem steirischem Hopfen auswirken würde. Es wurde darauf hingewiesen, dass „steirischer Hopfen“ zur Bierherstellung verwendet wird und dass „Steirisches Bier aus steirischem Hopfen“ eine Marke sei, die von dem Unternehmen Brau Union Österreich AG jahrzehntelang im In- und Ausland aufgebaut wurde. Daher würden durch die Eintragung des Namens „Štajerski hmelj“ die wirtschaftlichen Interessen sowohl der Mitglieder des Verbands der Hopfenerzeuger als auch der österreichischen Brauereien geschädigt[18].

In der am 8. August 2017 veröffentlichen Durchführungsverordnung der EU-Kommission[19] wird all diesen Bedenken Rechnung getragen. Die Verwendung der Bezeichnungen „Hopfen aus der Steiermark“ und „Hopfen aus der Südsteiermark“ darf weiter verwendet werden. Diese beiden Bezeichnungen stehen eindeutig mit Österreich in Verbindung und sind daher auch keine widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung auf die slowenische Bezeichnung „Štajerski hmelj“. VerbraucherInnen werden in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses nicht irregeführt.

Was sich schlussendlich als ein Sturm im Wasserglas herausstellt, hinterlässt jedoch einen schalen Nachgeschmack. Nicht nur, dass Österreich 20 Jahre Zeit gehabt hätte, den „steirischen Hopfen“ selbst einzutragen. Aus dem EU-Amtsblatt geht auch noch hervor, dass der Streit bereits Anfang März beigelegt war. Also lange bevor Österreichs Medien – und auch die steirische Wirtschaftskammer – im Mai einen Skandal konstruierten, der gar keiner war.

Aber nicht immer löst sich alles in Wohlgefallen auf. Etwa dann, wenn man schlicht und einfach die Frist zum Einspruch verpasst. Dies musste Österreich etwa im Fall von „Danbo“ erleben. Dänemark hat diesen Käse als geschützte geografische Angabe (g.g.A.) angemeldet. Einsprüche aus Argentinien, Australien, Neuseeland, Uruguay und den USA wurden als zulässig befunden. Lediglich der aus Österreich nicht. Begründung: Der Einspruch erfolgte nicht innerhalb der gesetzten Frist[20]. Der Vorgang stellt dem österreichischen Agrarsektor kein gutes Zeugnis aus.

Geografische Herkunftsangaben in Handelsabkommen

Zu den regelmäßig schwierigen Themen bei der Verhandlung von internationalen Handelsabkommendes gehört der Agrar- und Lebensmittelhandel. Besonders bei der Durchsetzung der europäisch geschützten geografischen Herkunftsangaben stößt man schnell auf unterschiedliche Interessen und Rechtsauffassungen. Als Beispiel werden dabei etwa die (zwischenzeitlich wohl gescheiterten) Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen EU-USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) angeführt. Die US-Lebensmittelbranche hätte danach Produkte, die sie bisher als „Feta“ oder „Gorgonzola“ herstellt und vermarktet, in Zukunft nur noch als „Feta-“ oder „Gorgonzola-artig“ bezeichnen dürfen[21].

Zu den regelmäßig schwierigen Themen bei der Verhandlung von internationalen Handelsabkommendes gehört der Agrar- und Lebensmittelhandel. Besonders bei der Durchsetzung der europäisch geschützten geografischen Herkunftsangaben stößt man schnell auf unterschiedliche Interessen und Rechtsauffassungen.

Insgesamt hat die EU mehr als 770 internationale Abkommen zum Agrarhandel geschlossen, die ganz unterschiedlicher Art sind. Das Spektrum reicht von umfassenden Handelsabkommen bis hin zu spezifischen Abkommen, die nur ein einziges Produkt betreffen. Die Ansätze differieren dabei je nach Partnerstaat und Produkt. So auch bei Schutz geografischer Ursprungsangaben[22].

Normalerweise umfassen die von der EU abgeschlossenen bilaterale Abkommen zum Schutz geografischer Angaben von Anfang an so genannte „Totallisten“. Alle relevanten Produkte (im Bezug auf das betreffende Drittland) unterliegen also von Anbeginn an den Schutzregeln. Was etwa selbst Staaten wie Moldau anstandslos zu verhandeln im Stande waren, wollte man jedoch der Volksrepublik China nicht zumuten. Stattdessen setzte man in den Verhandlungen mit der wirtschaftlichen Großmacht lieber auf ein Step-by-Step-Konzept. So werden in einem ersten Schritt 200 europäischen und chinesischen geografischen Angaben – jeweils 100 aus der EU und aus China – gegen Nachahmung und widerrechtliche Aneignung geschützt. In der Folge sollen sukzessiv weitere Erzeugnisse aufgenommen werden[23].

Nur ein einziges österreichisches Produkt im Fall von EU-China

Obwohl Österreich sich gemeinhin als „Feinkostladen Europas“ versteht, befindet sich lediglich ein einziges Erzeugnis der Alpenrepublik – Steirisches Kürbiskernöl – auf der Top-100-Liste der schutzwürdigsten geografischen Angaben der EU. Die sonst üblichen nationalen Fixstarter fehlen. Stattdessen sind etwa Frankreich mit 25 Produkten (u.a. Champagne, Calvados oder Chablis) oder Deutschland etwa mit „Bayerisches Bier“ prominent vertreten. Zur Beruhigung verwies man in Wien darauf, dass bereits an einer „zweiten Liste“ gearbeitet werde. Dieses EU-interne Arbeitspapier gibt es tatsächlich und für Österreich führt es derzeit – rechtlich völlig unverbindlich – Jagatee, Inländer Rum, Tiroler Speck und Gailtaler Almkäse an. Alle anderen geschützten österreichischen Erzeugnisse bleiben neuerlich außen vor. Dazu kommt, dass diese zweite Liste nach Einschätzung von TeilnehmerInnen an den Verhandlungen erst in etwa drei bis fünf Jahren rechtlich schlagend
wird. Eine halbe Ewigkeit in einer schnelllebigen Wirtschaftswelt[24].

Der Widerstand in Österreich gegen diese Vorgangsweise hielt sich in Grenzen. Hätte man sich nicht erwarten können, dass die österreichische Agrarwirtschaft aber auch KonsumentInnenvertreter Sturm laufen gegen die diversen Apfel- und Birnensorten, den Knoblauch und Schnittlauch oder auch den Eiswein aus dem Reich der Mitte, die bereits jetzt als geschützte Angaben Chinas gelten?

Schlussbetrachtung

Die wirtschaftliche Bedeutung geografischer Ursprungsangaben wächst. Verstärkt wird dieser Prozess durch die Ausweitung des erfolgreichen EU-Systems für Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel auf eine wachsende Zahl von Drittstaaten. Die EU ist im Begriff ein weltweites Regelsystem zu etablieren. Umso wichtiger ist es für einzelne EU-Mitgliedstaaten rechtzeitig und umfassend die eigene Position in diesem System zu behaupten. Etliche Mitgliedstaaten haben diese Entwicklung erkannt und verstärken ihre Bemühungen, nationale Produkte unter dem EU-Schutzschirm für geografische Ursprungsangaben zu platzieren. Österreich verhält sich demgegenüber offensichtlich abwartend. Es besteht damit die Gefahr, dass Österreich hier eine wichtige Entwicklung verschläft.

[1] EUROPÄISCHE KOMMISSION: 100 europäische geografische Angaben sollen in China geschützt werden, IP/17/1507, Brüssel, 2. Juni 2017. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-1507_de.htm [13.2.2018].

[2] Europe eats Trump’s lunch. The EU’s disputed system of geographical indications is taking over the planet. https://www.politico.eu/article/europe-eats-trumps-lunch/ [13.2.2018].

[3] Verordnung 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.11.2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (Amtsblatt L 343 vom 14.12.2012, Seite 1).

[4] Es gibt außerdem zahlreiche nicht verpflichtende Qualitätsbezeichnungen und Sonderregelungen für die ökologische/biologische Landwirtschaft.

[5] Veröffentlichung eines Löschungsantrag gemäß Artikel 50 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 664/2014 der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012, Amtsblatt der Europäischen UnionC 62 vom 17. Februar 2018, S. 15.

[6] STEFAN BROCZA: Der freiwillige Verlust einer Positionierung, Wiener Zeitung vom 28. Februar 2018, Seite 2, https://www.wienerzeitung.at/meinungen/gastkommentare/949712_Der-freiwillige-Verlust-einer-Positionierung.html [1.3.2018].

[7] DOOR (“Database Of Origin & Registration”): Die Datenbank umfasst Produktnamen für Nahrungsmittel, die als geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.), geschützte geografische Angabe (g.g.A.) und garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.) registriert wurden, und außerdem Namen, für die ein Antrag auf Registrierung gestellt wurde.

E-BACCHUS ist die Datenbank für in der Europäischen Union geschützte geografische Angaben zu Wein mit Ursprung in einem der EU-Mitgliedstaaten oder in einem Drittland.

E-SPIRIT DRINKS ist eine Datenbank für in der Europäischen Union geschützte geografische Angaben für Spirituosen mit Ursprung in einem der Mitgliedstaaten oder einem Drittland. Außerdem werden neue Anträge auf Registrierung erfasst.

[8] DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2017/1898 DER KOMMISSION vom 18. Oktober 2017 zur Eintragung bestimmter Namen in das Register der garantiert traditionellen Spezialitäten (Półtorak staropolski tradycyjny (g.t.S.), Dwójniak staropolski tradycyjny (g.t.S.), Trójniak staropolski tradycyjny (g.t.S.), Czwórniak staropolski tradycyjny (g.t.S.), Kiełbasa jałowcowa staropolska (g.t.S.), Kiełbasa myśliwska staropolska (g.t.S.) und Olej rydzowy tradycyjny (g.t.S.)).

[9] INES HÄRTEL: Geografische Herkunftsangaben als Rechtsgut – das Schutzsystem der EU für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, S. 185 ff. In: Przegląd Prawa Rolnego (Agricultural Law Review) Uniwersytet Im. Adama Mickiewicza w Poznaniu Nr. 2 (15), 2014, S. 175-198.

[10] EuGH, Urteil v. 16.03.1999, Rs. C-289/96, Slg. 1996, I-1541.

[11] EuGH, Urteil v. 25.10.2005, verb. Rs. C-465/02 und C-466/02, Slg. 2005, I-9115.

[12] EuGH, Urteil v. 02.07.2009, Rs. C-343/07, Slg. 2009, I-05491.

[13] INES HÄRTEL a.a.O., 188.

[14] Veröffentlichung eines Änderungsantrags nach Artikel 50 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (2018/C 19/11) vom 19.1.2018.

[15] INES HÄRTEL a.a.O., 188.

[16] STEFAN BROCZA: Sturm im Wasserglas: Steirischer Hopfen bleibt steirisch, Die Presse, 8.8.2017, https://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/5265953/Gastkommentar_Sturm-im-Wasserglas_Steirischer-Hopfen-bleibt-steirisch?from=suche.intern.portal [13.2.2018]

[17] Warum “steirischer Hopfen” aus Slowenien kommen muss. Weil sich Slowenien die Bezeichnung „Štajerski hmelj“ hat schützen lassen, ist „echter“ steirischer Hopfen“ nicht mehr erlaubt vom 04.05.2017. https://news.wko.at/news/steiermark/warum-steirischer-hopfen-aus-slowenien-kommen-muss.html [1.3.2018].

[18] Erwägungsgrund 4 der DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2017/1433, siehe FN 17.

[19] DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2017/1433 DER KOMMISSION vom 7. August 2017 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Štajerski hmelj (g.g.A.)).

[20] Erwägungsgrund 3 der DURCHFÜHRUNGSVERORDNUNG (EU) 2017/1901 DER KOMMISSION vom 18. Oktober 2017 zur Eintragung eines Namens in das Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (Danbo (g.g.A.)).

[21] INES HÄRTEL a.a.O., 175.

[22] BETTINA RUDOLF: Lebensmittelstandards in Handelsabkommen, SWP-Aktuell 63, Oktober 2014. S. 3.

[23] STEFAN BROCZA: EU-China: Braucht nur Steirisches Kürbiskernöl Schutz? Rechtspanorama, Die Presse, 26.6.2017, https://diepresse.com/home/recht/rechtallgemein/5240906/EUChina_Braucht-nur-Steirisches-Kuerbiskernoel-Schutz?from=suche.intern.portal [13.2.2018].

[24] STEFAN BROCZA a.a.O.

ISSN 2305-2635

Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die der Autor arbeitet, überein.

Schlagworte:

EU, geografische Ursprungsangaben, Lebensmittelqualität, Handelspolitik

Zitation

Brocza, S. (2018). Was unterscheidet eigentlich „Tiroler Speck“ von „Südtiroler Speck“? Zur wachsenden Bedeutung geografischer Ursprungsbezeichnungen und warum Österreich diese Entwicklung verschlafen könnte. Wien. ÖGfE Policy Brief, 03’2018

Stefan Brocza

Stefan Brocza, Studium in Wien, St. Gallen und Harvard. 1994 EU- und Schengen-Koordinierung im Innenministerium, ab 1996 im EU-Ratssekretariat in Brüssel (Außenwirtschaftsbeziehungen, Erweiterung, Presse/Kabinett, Umsetzung der EU-Außenstrategie für die innere Sicherheit). Aktuell tätig in Lehre und Forschung an Universitäten im In- und Ausland sowie als politischer Berater, Publizist und Gutachter.