Renaissance der Industriepolitik?

Handlungsempfehlungen

  1. Die Industrie ist und bleibt Wohlstandsmotor; daher muss im globalen Wettbewerb die Sicherung eines attraktiven Industriestandorts Europa wirtschaftspolitische Priorität haben.
  2. Zur Bewältigung der großen Herausforderungen, wie technologische Innovation, Klimawandel, Energie- und Rohstoffversorgung, bedarf es eines koordinierten Vorgehens im Rahmen sektoraler Partnerschaften zwischen Industrie, Mitgliedsstaaten und EU.
  3. Nur durch eine aktive Industrie- und Standortpolitikpolitik können nachhaltiges Wachstum, Wohlstand, ein hohes Beschäftigungsniveau und Lebensqualität sichergestellt werden. Die EU muss daher aus den Erfahrungen des Lissabonprozesses lernen und die neue industriepolitische Agenda zu einem emotionalisierenden, bürgernahen Projekt für eine positive Zukunftsgestaltung weiterentwickeln.

Zusammenfassung

Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Länder mit einer intakten, starken Industriebasis die Krise besser gemeistert haben. Daher bedarf es einer Umkehr des Deindustrialisierungsprozesses in Europa. Zwei Mitteilungen der EU-Kommission weisen den Weg dazu. Das Schwergewicht liegt auf industriefreundlichen Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Europa. Dieser „horizontale“ Ansatz über alle Wirtschafts- und Politikbereiche hinweg muss durch sektorale Programme für Schlüsselmärkte, wie fortschrittliche Umwelt- und Produktionstechnologien, Rohstoffe und Energie, intelligente Netze etc., ergänzt werden. Dabei ist die gesamte Wertschöpfungskette in die Betrachtung einzubeziehen. Solche Programme erfordern die enge Koordinierung zwischen Industrie und der nationalen und europäischen politischen Ebene.

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1. Industrie im Fokus der europäischen Wirtschaftspolitik

EU-Länder mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil der Industrie (Sachgüterproduktion) am Brutto-Inlandsprodukt (BIP) haben die Finanz-, Banken- und Verschuldungskrise besser überstanden, als Länder mit einem überdurchschnittlich hohen Dienstleistungsanteil. Hauptgründe dafür sind die fortgesetzt kräftige Nachfrage der Schwellenländer, besonders Chinas, nach hochwertigen Industrieprodukten und Exporterfolge auf dem EU-Binnenmarkt. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass industrielle Forschung, Entwicklung und Innovation in Europa nur erfolgreich sein können, wenn es hier auch weiterhin eine industrielle Produktion gibt und damit die notwendige enge Rückkoppelung zwischen den beiden Bereichen sichergestellt ist.
Vor diesem Hintergrund ist in Europa, aber auch in den USA, eine neue Diskussion zum Thema Industriepolitik aufgebrochen. Dabei geht es um die Frage, wie der Trend eines rückläufigen Industrieanteils gestoppt und möglichst umgekehrt werden kann. Dem ist eine Periode vorangegangen, in der der industrielle Schrumpfungsprozeß als unvermeidliche Folge der Globalisierung gesehen wurde. Schwellenländer übernehmen zunehmend die Sachgüterproduktion, während die alten Industrieländer sich auf wertschöpfungsintensive Dienstleistungsbereiche konzentrieren, wie Forschung und Entwicklung, Engineering, Marketing, Finanzierung usw..
Die letzten beiden Jahrzehnte waren durch eine liberale Auffassung von staatlicher Wirtschaftspolitik geprägt. Demnach sollte sich der Staat auf die Setzung von wirtschaftsfreundlichen Rahmenbedingungen beschränken, wie etwa eine niedrige Steuerbelastung, ein leichterer Zugang zu Unternehmensfinanzierungen und die Bereitstellung einer leistungsfähigen  Infrastruktur. Kritisch gesehen wurden insbesondere staatliche Eingriffe in den Wettbewerbsmechanismus durch die Förderung ausgewählter Branchen oder gar Unternehmen. Tatsächlich hat die Erfahrung gezeigt, dass staatliche Maßnahmen zur Stützung unrentabler Produktionen oder zur Förderung „nationaler Champions“ häufig in kostspieligen Misserfolgen endeten.
Auf europäischer Ebene wurde dieses liberale Modell durch die zunehmende wirtschaftliche Integration im Rahmen der heutigen Europäischen Union gestützt. Die Schaffung eines europäischen Binnenmarkts  durch die Umsetzung der vier Freiheiten (Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr) sowie die zunehmend striktere Handhabung der Regeln gegen unerlaubte staatliche Beihilfen schränkten den Spielraum für traditionelle industriepolitische Maßnahmen immer weiter ein. Industriepolitik wurde letztlich zur Standortpolitik. Es ging darum, durch die Gestaltung günstiger Rahmenbedingungen den Wirtschaftsstandort möglichst attraktiv für bereits in einem Land tätige Unternehmen und für potenzielle Investoren aus dem Ausland zu machen. In dieser Sichtweise ist Industriepolitik ein „horizontaler“ Ansatz, eine Querschnittsmaterie, die praktisch alle wirtschaftsrelevanten Politikfelder umfasst.
Die durch die aktuelle Krise ausgelöste industriepolitische Diskussion geht nicht in Richtung Rückkehr zu alten Konzepten. Die nun explizit angestrebte Stärkung der industriellen Basis Europas verlangt allerdings veränderte Schwerpunktsetzungen, eine differenziertere Bewertung mancher wirtschaftspolitischer Grundsätze und Instrumente und vor allem die Bereitschaft zu mehr wirtschaftspolitischer Koordination und Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Ein ernstes Problem bilden dabei die grundsätzlich unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Ausrichtungen zwischen den Mitgliedsstaaten, illustriert am marktwirtschaftlich-wettbewerblichen Paradigma, dem Deutschland anhängt, und der eher staatsinterventionistischen Orientierung Frankreichs.
Neben der Erhöhung der Krisenresistenz Europas gibt es zwei weitere wichtige Anstöße für eine neue Industriepolitik[1]. Einmal die ökologischen Herausforderungen, bei deren Bewältigung die Industrie eine zentrale Rolle spielt. Diese Rolle ist eine mehrfache. Die Industrie soll nicht nur ihre Produktionsprozesse ressourcenschonend und umweltfreundlich gestalten, die von ihr erzeugten Produkte sollen ebenfalls diesen Kriterien entsprechen, und die Industrie soll den technischen Fortschritt vorantreiben und Zukunftstechnologien bereitstellen, um die Erreichung der ambitionierten Ziele in der europäischen Klima- und Energiepolitik zu ermöglichen. Der Marktmechanismus allein kann diese Aufgaben angesichts der involvierten erheblichen Externalitäten und betriebswirtschaftlichen Langzeitrisken nicht bewältigen, es bedarf einer stärkeren Konzertierung zwischen staatlicher und europäischer Politik einerseits und dem industriellen Unternehmenssektor andererseits.
Der dritte Anstoß: Das Ziel der Stärkung der industriellen Basis Europas kann nur erreicht werden, wenn es gelingt, die Konkurrenzfähigkeit der europäischen Industrie im globalen Wettbewerb, insbesondere gegenüber Schwellenländern wie China, aber auch den USA sicherzustellen. China betreibt massiv Industriepolitik im alten Stil mit starker Involvierung des Staates, der teilweise selbst Eigentümerfunktion ausübt, aber auch ohne diese durch die Entscheidung  über die Bereitstellung von Finanzmitteln, über  den Zugang zu Vorprodukten, über die Zulassung ausländischer Investoren etc. Unternehmensentscheidungen massiv beeinflusst.
Die USA entwickeln sich zu einem energieautarken Land. Dank der Förderung von Schiefergas liegen die Gaspreise bei einem Drittel des europäischen Niveaus. Amerikanische Unternehmen haben es wesentlich leichter, ihre Expansion und ihre Innovationen über den Kapitalmarkt zu finanzieren. In der Klimapolitik setzen die USA viel mehr auf Innovationen als auf strenge quantitative Ziele mit einem teuren bürokratischen Regulierungsregime zu deren Erreichung. Laut Dani Rodrik[2]von der Harvard University überstieg 2009 der Betrag der vom Department of Energy für die Entwicklung grüner Technologien der Wirtschaft zur Verfügung gestellten Kredite und Zuschüsse die von Risikokapitalfirmen für diesen Sektor aufgebrachten Beträge um ein Vielfaches.

2. Europäische Initiativen für eine moderne Industriepolitik

Im Jahre 2010 legte die Kommission als eine der sieben „Flagship Initiatives for Europe 2020“ die Mitteilung „An Integrated Industrial Policy for the Globalisation Era – Putting Competitiveness and Sustainability at Centre Stage“ COM(2010) 614 vor. Sie war auf längerfristig wirksam werdende Strukturänderungen im Rahmen des Europe 2020-Projekts fokussiert. Die zentralen Handlungsfelder waren globale Wettbewerbsfähigkeit, Klimaänderung, Energie sowie Qualifikation und Wissen. Doch sollte der horizontale Ansatz um sektorspezifische Anwendungen ergänzt werden. Dabei ging es nicht primär um bestimmte Branchen, sondern um spezifische Märkte unter Berücksichtigung der gesamten Werkschöpfungskette, vom Rohstoffeinsatz über Vorprodukte bis zum Endprodukt und dessen Vermarktung.
Unter dem Eindruck der Wirtschaftsrezession folgte Im Oktober 2012 eine weitere Mitteilung mit dem Titel: „Industrial Policy Communication Update – a Stronger European Industry for Growth and Economic Recovery“ COM(2012) 582. Sie modifiziert die erste Mitteilung durch die Einbeziehung von Maßnahmen, die auch kurzfristig positiv auf die Realwirtschaft wirken.
Die Industrie in ihrer engen Definition trägt heute 16 % zum EU-Bruttoinlandsprodukt bei, ebenso viel wie zur Beschäftigung. Dieses Bild unterschätzt allerdings das Gewicht der Industrie wesentlich. Durch laufende Auslagerungen von Nicht-Kernaktivitäten durch die Industrie sichert ein Industriearbeitsplatz zumindest einen weiteren im industrienahen Dienstleistungsbereich. Die Industrie weist weit überdurchschnittliche Produktivitätssteigerungen aus, sie ist für 75% der Warenexporte verantwortlich, und sie ist Innovationstreiber mit 80% aller nicht-öffentlicher Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen.
Nach der Kommissionsmitteilung soll die Industriequote in der EU durch industriepolitische Maßnahmen bis 2020 auf 20% des BIP ansteigen. Das wird mit Maßnahmen zur Verbesserung des Marktzugangs im – noch immer nicht vollendeten – europäischen Binnenmarkt und auf globalen Märkten erreicht werden, durch günstigere Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, durch beschäftigungspolitische Maßnahmen mit besonderer Betonung der Qualifikationen und durch fokussierte Sektorprogramme für die folgenden sechs Märkte:

  • Fortschrittliche Herstellungstechnologien zur umweltfreundlichen Produktion
  • Schlüsseltechnologien (Mikro- und Nanoelektronik, Nanotechnologie, industrielle Biotechnologie, Photonik, Materialwissenschaften, Fertigungssysteme)
  • Biobasierte Produkte
  • Bauwirtschaft und Rohstoffe
  • Umweltfreundliche Fahrzeuge und Schiffe
  • Intelligente Netze

3. Bewertung der industriepolitischen Konzepte

Wenn man die Ausführungen der Mitteilungen der Kommission liest, wird einem zweierlei bewusst. Zum ersten ist ein Großteil der vorgeschlagenen Maßnahmen nicht neu. Daher die immer wiederkehrende Bezugnahme auf die zahlreichen bereits bestehende Aktionspläne oder auf existierende Prozesse, wie die jährlichen nationalen Beschäftigungspläne oder das Europäische Semester, in dessen Rahmen den Mitgliedsstaaten auch strukturpolitische Empfehlungen gegeben werden können.
Zum zweiten liegt ein erheblicher Teil der industriepolitischen Kompetenzen bei den Mitgliedsstaaten, woran eine flächendeckende Umsetzung immer wieder scheitern kann, wie die wenig erfolgreiche, im Jahre 2000 etablierte Lissabonstrategie belegt. Zum dritten ist die Mitteilung ein Querschnittsdokument über die verschiedensten Politikbereiche und daher naturgemäß auf weite Strecken ein Kompromiss zwischen den  hauptbeteiligten Generaldirektionen der Kommission (COMP, ECFIN, ENTR, REGIO, RTD, TRADE) und deren etablierten Positionen. Neues Denken muss sich erst einen Weg durch das Dickicht bestehender Politiken und Regulierungen bahnen.
Dementsprechend allgemein sind viele Handlungsanleitungen gehalten, etwa die zu den Märkten für fortschrittliche Herstellungstechnologien zur umweltfreundlichen Produktion: „Die Kommission wird 2013 eine Taskforce für fortschrittliche Herstellungstechnologien leiten, damit diese Technologien von der europäischen Industrie verstärkt entwickelt und eingesetzt werden. Im Anschluss an Konsultationen mit der Industrie wird die Kommission die Auswirkungen einer potenziellen öffentlich-privaten Partnerschaft im Bereich der tragfähigen Verarbeitungsindustrien beurteilen. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, sich für die Vermarktung und den Einsatz fortschrittlicher Herstellungstechnologien zu engagieren und länderübergreifende Kooperationen unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Spezialisierungen und Bedürfnisse zu entwickeln“[3]. Solche Sätze lassen sich rasch am Bürokratenschreibtisch formulieren und solche Taskforces leicht etablieren. Ihre Umsetzung gleicht einer Herkulesaufgabe.
Dennoch sollte man die Bedeutung dieser industriepolitischen Initiative nicht unterschätzen. Sie schafft in den Mitgliedsländern Bewusstsein für die weit über den engen Industriebereich hinausgehende Bedeutung dieses Sektors für unser Wohlstandsniveau und damit auch Bewusstsein für die Notwendigkeit, den Industriestandort Europa im globalen Wettbewerb attraktiv zu gestalten. Sie macht auch neuerlich klar, diesmal aber vor dem Hintergrund des tiefsten Wachstumseinbruchs in der Geschichte der europäischen Integration, dass Wirtschaftswachstum unverzichtbar ist, um die ehrgeizigen Ziele im Bereich der Nachhaltigkeit und Beschäftigung zu erreichen.
Die kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) nehmen einen hohen Stellenwert in den industriepolitischen Überlegungen der Kommission ein mit dem Argument ihrer überragenden Bedeutung für die Beschäftigung. Dabei muss allerdings zwischen der großen Mehrheit von KMU im Bereich Handel, Gastronomie, Reparatur usw. auf der einen und den KMUs im Bereich spezialisierter, innovativer Produkte und industrienaher Dienstleistungen auf der anderen Seite unterschieden werden (siehe das die jüngste Mitteilung begleitende Commission Staff Working Document)[4]. Letztere treiben den technischen Fortschritt, weisen überdurchschnittlich hohe  Wachstums-, aber auch Misserfolgsraten auf und sind auf Risikokapital angewiesen. Keine spezielle Erwähnung finden Unternehmen in der Größenordnung 500 bis 3000 Mitarbeiter, unter denen viele mit ihren Produkten bzw. Dienstleistungen in kleinen Nischen europa- oder weltweit Spitzenpositionen innehaben und die vor allem in Deutschland und Österreich das Rückgrat der Industriestruktur bilden.
Die Kommission ist sich bewusst, dass große wirtschaftliche und gesellschaftliche Projekte, wie die Energiewende, die Innovationsführerschaft in bestimmten servoindustriellen Bereichen (z.B. Umwelttechnologien, Elektromobilität), oder die Verwirklichung der Wissensgesellschaft, nicht allein über den freien Marktmechanismus realisierbar sind, sondern einer engen Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmenssektors und zwischen Unternehmen und den Mitgliedsstaaten bedürfen. Dabei sind die Staaten gefordert, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen adäquat zu gestalten, Unternehmenskooperationen zu initiieren, als Nachfragpioniere aufzutreten und sich am Risiko zu beteiligen. Dafür einen konsistenten und durchsetzbaren, EU-weiten Rahmen zu schaffen, für die notwendigen Finanzmittel im EU-Budget und für die Verbreitung von best practices zu sorgen, bleibt die große Herausforderung. Die beim EU-Gipfel im Februar 2013 erreichte Einigung zwischen den Staats- und Regierungschefs auf einen mittelfristigen EU-Finanzrahmen 2014-2020 wird dieser Herausforderung leider nicht gerecht. Die Kürzungen gegenüber dem Kommissionsvorschlag betreffen vor allem Zukunftsausgaben im Forschungs-, Bildungs- und Infrastrukturbereich.
Positiv ist die erwähnte Fokussierung auf die gesamte  Wertschöpfungskette in den einzelnen Wirtschaftsbereichen zu beurteilen. Dazu zwei Beispiele: Wie sieht es mit dem Zugang der europäischen Industrie zu  preisgünstiger Energie unter den Bedingungen einer ambitionierten „Energiewende“ aus? Ähnliches gilt für die langfristige Rohstoffversorgung, für die die Kommission den Ausbau ihrer „Rohstoffdiplomatie“ ankündigt. Eine leistungsfähige Breitbandinfrastruktur und intelligente IKT-Netze sind für die globale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie essentiell. Wie steht es aber um die europäische Zulieferindustrie in diesem Bereich? In diesem Zusammenhang bietet sich auch eine Neugewichtung zwischen den EU-internen wettbewerbspolitischen und den industriepolitischen Zielen zu Gunsten der Stärkung der globalen Position der europäischen Industrie an.
Die Europäische Kommission spricht auch eine andere für den Industriestandort Europa wichtige Frage an, nämlich das Problem der vielfältigen, oft nur inkrementellen, aber in Summe erheblichen und weiterhin steigenden Belastungen der Unternehmen durch zusätzliche Abgaben, Sozialkosten, Bürokratiekosten, usw.. Daher sollen alle Vorschläge und Rechtsakte der Kommission in Zukunft auch auf ihre Auswirkungen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie geprüft werden. Diese Maßnahme ist positiv zu bewerten, darf aber nicht zu einer bürokratischen Routineübung degenerieren.
Zuletzt noch eine persönliche Anmerkung. Was gänzlich in den in trockener Expertensprache abgefassten Dokumenten fehlt, ist eine packende, die Gefühle der europäischen Bürger ansprechende Vision eines prosperierenden Europas mit einer innovativen Industrie, die maßgeblich zur Lösung wichtiger Probleme  der Menschen beiträgt. Das ist besonders schade in einer Zeit, in der Pessimismus, Zukunftsangst und Europamüdigkeit dominieren und positive Zukunftsbilder fehlen. Die Mitteilung zu einer modernen Industriepolitik sollte auch Ausgangspunkt für eine Imagekampagne der europäischen Industrie werden, die ihre Visionen, ihre Problemlösungskapazität, ihren Beitrag zur Lebensqualität aufzeigt.
Natürlich ist eine Kommissionsmitteilung kein Dokument, das sich primär an die breite Öffentlichkeit richtet, sondern ein Arbeitsdokument, das die Basis für Konsultationen mit den Stakeholdern zu dem zu startenden Prozess darstellt. Aber etwas mehr an Farbigkeit, Eindringlichkeit und Freude an der Zukunftsgestaltung hätte nicht geschadet.

Aiginger, K., Ederer, S., Schratzenstaller, M., Welfare, Wealth and Work for Europe – WWWforEurope: Eine neue Entwicklungsstrategie für Europa. Zielsetzung des Projektes, Konzeption und Konsortium, in: WIFO Monatsberichte, Nr. 9, 2012, S. 699-705.

Aiginger, K., Huber, P., Firgo, M., Policy Options for the Development of Peripheral Regions and Countries of Europe, WWWforEurope Policy Brief Nr. 2.Becker, P., Lost in Stagnation. Die Verhandlungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU (2014-2020) und das Festhalten am Status quo, SWP-Studie, Berlin, 2012.

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1) P. Aghion, J. Boulanger, E. Cohen, Rethinking Industrial Policy, Bruegelpolicybrief 4/2011
2) Dani Rodrik, The Return of Industrial Policy, Project Syndicate, 12.4.2010
3) Mitteilung der Kommission COM(2012) 582, deutsche Version, S. 9 f.
4) Commission Staff Working Document SWD(2012) 297, S. 42 f.

ISSN 2305-2635

Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen, der Organisation, für die der Autor arbeitet, überein.

Zitation

Fürst, E. (2013). Renaissance der Industriepolitik?. Wien. ÖGfE Policy Brief, 05 ’2013
Dr. Erhard Fürst

Dr. Erhard Fürst war beigeordneter Direktor des Instituts für Höhere Studien, Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Creditanstalt und zuletzt Leiter des Bereichs Wirtschaft und Industriepolitik der Industriellenvereinigung.