Klimakonferenz in Glasgow: Kleine Lichtblicke und große Lücken

Handlungsempfehlungen

  1. Es braucht auf EU-Ebene eine mutige Umsetzung des „Fitfor55″-Klimapakets. Eine konsistente Klimapolitik, die den Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle in allen Bereichen konsequent umsetzt, wäre ein starkes weltweites Signal. Die EU kann zeigen, wie eine klimafreundliche Gesellschaft mit hohem Lebensstandard aussieht und sich unabhängig von immer unvorhersehbareren fossilen Energiemärkten machen.
  2. Bei der Klimakonferenz werden zunehmend Initiativen und Deklarationen einzelner Länder vorgestellt, wie etwa die Initiative zum Stopp der Entwaldung bis 2030. Um zwischen Greenwashing und ernst gemeinten Vorhaben unterscheiden zu können, sollte unter dem Dach der UNO eine Plattform eingerichtet werden, wo sich Initiativen registrieren lassen können. Weiters sollte ein Monitoring eingeführt werden, damit festgestellt werden kann, ob die Staaten diese Zusagen in die nationalen Klimapläne aufnehmen und ob sie die Versprechen auch einhalten.
  3. Es braucht neue Finanzquellen zur Behebung von Klimaschäden, vor allem im Globalen Süden. Den Anfang könnte eine weltweite CO2-Steuer auf den internationalen Flugverkehr und die internationale Schifffahrt machen. So könnten bedeutende Mittel bereitgestellt und mehr Kostenwahrheit im Verkehr erreicht werden.

Zusammenfassung

Angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Klimakrise sind die Ergebnisse der Klimakonferenz ernüchternd: Weder ist ein verbindlicher Fahrplan zur Erreichung des 1,5 °C-Ziels erstellt worden, noch gibt es ausreichend finanzielle Unterstützung für Länder des Globalen Südens. Das ist keine befriedigende Antwort auf diese Überlebensfrage der Menschheit. Die internationale Klimadiplomatie ist noch nicht im Krisenmodus angekommen.

Es gibt aber auch Lichtblicke: Rund 100 Staaten haben ihre Klimapläne nachgebessert und größere Einsparungen zugesagt. Leider sind die vorgelegten Pläne noch völlig unzureichend.  Das 1,5 °C-Ziel erfordert deutlich mutigere Schritte. Viele Staaten gaben wiederum an, bis 2050 und 2070 „Netto-Null-Emissionen“ erreichen zu wollen, doch belastbare Konzepte fehlen vielfach und historische Emissionen werden nicht angemessen berücksichtigt. So wird Klimaschutz letztendlich nur auf die lange Bank geschoben.

Mit der Einrichtung von Kohlenstoffmärkten wird dem Freikauf durch CO2-Zertifikate wieder Tür und Tor geöffnet. Sogar Altbestände an Zertifikaten aus dem Kyoto-Regime dürfen weiterverwendet werden. Hier hätte eine klare rote Linie gezogen werden müssen. In Glasgow ist ein Geist aus der Flasche gelassen worden, der uns noch lange beschäftigen wird. Auch die EU hat am Ende dem Übertrag von CO2-Gutschriften zugestimmt, obwohl sie anfangs strikt dagegen war.

Mit einigen Versprechungen kehren die VertreterInnen aus Ländern des Globalen Südens zurück. Das Ziel 100 Mrd. USD an Klimafinanzierung bereitzustellen wurde nicht eingehalten, aber versprochen, dies rasch nachzuholen. Bis 2025 soll die finanzielle Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen verdoppelt werden. Ein kleiner Hoffnungsschimmer für viele Menschen in hart getroffenen Ländern. Die EU sieht sich traditionell als „Brückenbauer“ zu Entwicklungs- und Schwellenländern und sollte hier eine besonders aktive Rolle spielen.

Trotz allem haben wir es nach wie vor in der Hand, ein weitgehend stabiles Klima zu erhalten und ein gutes Leben für alle auf diesem Planeten zu ermöglichen. Dafür sind die vielen kleinen und großen Entscheidungen wichtig, die in der Zeit zwischen den Klimakonferenzen fallen.  Die EU hat es beispielsweise mit dem EU-Klimaschutzpaket in der Hand zu zeigen, wie ernst gemeinter Klimaschutz tatsächlich funktioniert. Wir haben eine historische Chance, die nach uns niemand mehr bekommt. Nutzen wir sie!

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Klimakonferenz in Glasgow: Kleine Lichtblicke und große Lücken

Klimadiplomatie noch nicht im Krisenmodus

Die Klimakonferenz in Glasgow (31.10.-13.11.2021) fand im Zeichen einer sich immer stärker verschärfenden Klimakrise statt. Es verhandelten dabei 197 Staaten über die Klimazukunft auf unserem Planeten. Heftigere Extremereignisse, Hochwasser in Deutschland, Verwüstungen nach Tornados in Tschechien und zunehmende weltweite Waldbrände zeigen, dass die Klimakrise längst auch in unseren Breiten Realität ist. Der Weltklimarat warnte zuletzt im Sommer mit einem neuen Bericht vor drastischen Folgen. Mahnende Worte richtete auch UN-Generalsekretär Antonio Gutierrez an die VerhandlerInnen und warnte davor, dass die Welt am Abgrund steht. Doch wir erlebten eine Konferenz in einem durchaus über weite Strecken zwar konstruktivem Arbeitsmodus – im Krisenmodus ist die weltweite Klimadiplomatie aber noch nicht angekommen.

UN-Prozess zeigt Wirkung, aber 1,5 °C-Ziel noch in weiter Ferne

Dabei darf nicht vergessen werden, dass der durch das Klimaschutzabkommen von Paris angestoßene Prozess durchaus Wirkung zeigt und sich nicht auf zwei Wochen im Jahr beschränkt. Wie im Pariser Klimaschutzabkommen vereinbart[1], haben schon vor der Konferenz über 100 Staaten ihre Klimaschutzpläne nachgebessert. Die größten Einzelbeiträge kamen von der USA und der Europäischen Union (EU). Die Wahl Joe Bidens zum US-Präsidenten war somit die wichtigste Klimaschutzentscheidung im vergangenen Jahr. Und auch die Umsetzung des Green Deals in der EU findet weltweite Beachtung. Es gibt aber auch noch viele Staaten, die nicht wie vereinbart nachgebessert haben, diese werden nun in der Abschlusserklärung aufgefordert, dies rasch zu tun. Gerade für viele Länder des Globalen Südens wird das Setzen von weiteren Klimaschutzmaßnahmen auch davon abhängen, ob es finanzielle und technologische Unterstützung gibt, die derzeit nur allzu spärlich fließt.

Abbildung 1: Auswirkungen neuer Zusagen gegenüber bisherigen Klimaplänen. Quelle: UNEP Emissions Gap Report 2021

Weitere Verbesserungen sind notwendig, denn auch die nachgebesserten Pläne reichen bei weitem nicht aus, um das 1,5 °C-Ziel zu erreichen. Statt der notwendigen Senkung der Treibhausgasemissionen um mindestens 45 Prozent bis 2030 würden die Treibhausgasemissionen in diesem Zeitraum immer noch steigen. Wir sind derzeit auf einem Pfad in Richtung 2,7 Grad Temperaturanstieg, mit drastischen Folgen für das Leben auf dem Planeten.

Abbildung 2: UNFCCC (2021): Nationally determined contributions under the Paris Agreement. Synthesis Report by the Secretariat.

Der UN-Prozess selbst, zeigt bei allen Schwächen und Versäumnissen also durchaus Wirkung, dennoch klafft noch eine riesige Kluft zwischen dem 1,5 °C-Ziel und den Vorhaben der Staaten.

Das United Nations Environment Programme (UNEP) errechnete, dass mit den bisherigen Plänen bis 2030 etwa 27 Mrd. Tonnen CO2 mehr ausgestoßen werden, als mit dem 1,5 °C-Ziel vereinbar. Dieses Überschießen ist nun etwas kleiner geworden. Eine Analyse von Climate Action Tracker (2021) kommt zum Ergebnis, dass sich diese Lücke gegenüber dem Vorjahr auf 20 Mrd. Tonnen CO2 verringert hat. Ein Viertel der „Klimaschutzlücke“ konnte also auf dem Papier geschlossen werden. Der UN-Prozess selbst, zeigt bei allen Schwächen und Versäumnissen also durchaus Wirkung, dennoch klafft noch eine riesige Kluft zwischen dem 1,5 °C-Ziel und den Vorhaben der Staaten. Die Trendwende zu sinkenden Emissionen ist noch nicht eingeleitet. Es sind vor allem die nächsten 9 Jahre, die großes Kopfzerbrechen verursachen.

Überlebensfrage wird auf die lange Bank geschoben

Das Finden von kurzfristigen Lösungen im Zeitraum bis 2030 ist buchstäblich für Millionen Menschen die Überlebensfrage, die bei diesen Verhandlungen gestellt wird. Die Mühlen des Pariser Klimaschutzabkommens mahlen allerdings langsam. Alle fünf Jahre sollen die Klimapläne nachgebessert werden. In Glasgow wurde vereinbart, dass im Jahr 2025 die nächsten Klimapläne mit einem Zeithorizont bis 2035 vorgelegt werden sollen. Bei Beibehaltung der derzeitigen Klimaschutzzusagen, wäre bis dahin 90 Prozent des CO2-Budgets aufgebraucht, das uns für die Einhaltung der 1,5 °C-Grenze noch zur Verfügung steht. Die Reaktion käme also zu spät. In der Abschlusserklärung werden deshalb die Staaten zwar aufgefordert schon bis Ende nächsten Jahres ihre Klimapläne in Ordnung zu bringen. Jährlich soll ein Bericht die Wirkung der Klimapläne überprüfen. Doch dem Beschluss fehlt die Verbindlichkeit und auch die historische Verantwortung von Ländern, die in der Vergangenheit mehr zu Emissionen beigetragen haben, wird nicht ausreichend beachtet. Es liegt jetzt also an den einzelnen Staaten, den Ball aufzugreifen und die Klimaschutzbemühungen zu verstärken. Auch innerhalb der EU wird diese Frage zu stellen sein. Etwas Hoffnung keimte auf, als die USA und China bekanntgaben beim Klimaschutz eng zusammenarbeiten zu wollen. Eine Verständigung der beiden größten Emittenten und wirtschaftlichen Rivalen war immerhin auch die Basis für die Einigung auf das Klimaschutzabkommen von Paris. Doch ob und was dabei herauskommt ist noch völlig offen.

Es liegt jetzt also an den einzelnen Staaten, den Ball aufzugreifen und die Klimaschutzbemühungen zu verstärken.

Net zero oder Real zero?

Viel Aufmerksamkeit bekamen die Ankündigungen über langfristige Klimaziele. So hat Australien angekündigt, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen, China bis 2060 und Indien 2070. Doch hinter diesen Ansagen stehen oft keine belastbaren Konzepte. China oder Brasilien etwa planen einen starken Anstieg der Emissionen in den nächsten zehn Jahren, der die Erreichung der Ziele in Frage stellt. Industrienationen wiederum gehen nicht stark genug voran, um die spätere Erreichung von Nullemissionen in Entwicklungs- und Schwellenländern auszugleichen. Einzelne Staaten stellen die Unglaubwürdigkeit ihrer Versprechen sogar offen zur Schau: So hat etwa Australien klargemacht, dass es trotz des Ziels Klimaneutralität 2050 weiterhin an der Kohle festhalten will.

Es verstärkt sich eher der Eindruck, dass einige Staaten Klimaschutz auf die lange Bank schieben wollen, um unangenehme Diskussionen zu vermeiden.

Das Beispiel zeigt klar, dass es nach wie vor Staaten gibt, denen die Interessen der fossilen Energieindustrie wichtiger sind, als das gemeinsame Interesse am Klimaschutz. UmweltschützerInnen fordern hingegen einen verbindlichen Weg zu Nullemissionen, der auf fairen Beiträgen und belastbaren Konzepten aufbaut und die historische Verantwortung für vergangene Emissionen berücksichtigt. Wenn das gelingt, dann gibt es durchaus Anlass zu Hoffnung: Die tatsächliche Umsetzung aller bisher gemachten Versprechen würde den Temperaturanstieg auf 1,8 °C begrenzen, das zeigt eine Analyse der internationalen Energieagentur. Auf dem Papier rücken wir der Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens also tatsächlich näher. Zwischen den Versprechen und der Umsetzung klafft aber noch eine erhebliche Glaubwürdigkeitslücke. Die Gefahr von Greenwashing ist groß, solange belastbare Konzepte fehlen oder die aktuelle Politik den langfristigen Zielen völlig zuwiderläuft. Es verstärkt sich eher der Eindruck, dass einige Staaten Klimaschutz auf die lange Bank schieben wollen, um unangenehme Diskussionen zu vermeiden.

 

Abbildung 3: Ziele bis 2030 und 2050. Quelle: (UNEP Emissions Gap Report, 2021)

Glasgow lässt den Geist aus der Flasche: Freikaufen über CO2-Handel kommt

Ein eminent wichtiger Verhandlungsstrang, der medial kaum Beachtung fand, wurde über die Einrichtung sogenannter „Kohlenstoffmärkte“ geführt. Mit dem Handel von CO2-Gutschriften wurde schon im Kyoto-Protokoll[2] der sogenannte Clean Development Mechanism (CDM) geschaffen. Die Idee klingt einleuchtend: Über CO2-Handel soll die Einsparung dort passieren, wo sie besonders günstig ist. Für jede Einsparung werden Gutschriften ausgestellt, die handelbar sind. Im besten Fall ist der CO2-Handel somit ein Nullsummenspiel. Doch es kam leider schlimmer, der CO2-Handel über den CDM-Mechanismus wurde letztlich ein großer Misserfolg. Eine Studie des Ökoinstituts kommt zu der Einschätzung, dass bei 85 Prozent der registrierten Projekte vermutlich keine Einsparung stattgefunden hat.[3] Bei zahlreichen Projekten kam es hingegen zu Menschenrechtsverletzungen. UmweltschützerInnen, indigene Bevölkerungsgruppen und MenschenrechtsaktivistInnen stellten sich deshalb in Glasgow klar gegen die erneute Einführung eines Kohlenstoffmarkts. Angesichts der völlig unzureichenden Klimapläne ist ein Nullsummenspiel, wie es der CO2-Handel im besten Fall darstellt, ohnehin die falsche Antwort.

Ein eminent wichtiger Verhandlungsstrang, der medial kaum Beachtung fand, wurde über die Einrichtung sogenannter ‚Kohlenstoffmärkte‘ geführt.

Doch es gab großen Druck, hier zum Abschluss zu kommen. Viele Staaten halten noch Gutschriften aus dem CDM-Markt und wollen diese ins Pariser Klimaabkommen transferieren. Vor allem Staaten wie Brasilien pochten daher sehr stark darauf, diese Gutschriften weiter verwenden zu dürfen. UmweltschützerInnen forderten hier eine klare rote Linie. Die Klimapläne werden durch solche Praktiken nur verwässert. Klar gegen diesen Übertrag hat sich in Glasgow die EU positioniert. Am Ende hat die EU dann aber doch zugestimmt, mit der Einschränkung, dass die Zertifikate maximal acht Jahre alt sein dürfen. Besonders brisant: Ausgerechnet das Jahr 2013 wurde als Stichjahr auserkoren. Es war jenes Jahr, in dem laut Angaben der UN am meisten CDM-Zertifikate registriert wurden. Geschätzt wird, dass so etwa 300 Mio. CO2-Zertifikate aus Altbeständen auf den Markt gespült werden, die die Klimaziele verwässern und keine zusätzliche Einsparung mehr bringen.

Brasilien, China oder Südkorea, die die meisten dieser Zertifikate halten, können sich somit zu den Gewinnern dieser Konferenz zählen.

Eine genaue Berechnung gibt es allerdings nicht. Wie hoch der Schaden durch diese Fehlentscheidung sein wird, wird vermutlich erst 2023 klar sein. Bis dahin können Staaten einen Übertrag ihrer Altbestände beantragen. Brasilien, China oder Südkorea, die die meisten dieser Zertifikate halten, können sich somit zu den Gewinnern dieser Konferenz zählen. Sie können nun fragwürdige Zertifikate in Geld umwandeln, auf Kosten des Klimaschutzes. Diese Gutschriften können dann herangezogen werden, um sich von den ohnehin freiwillig eingegangenen Verpflichtungen unter dem Pariser Klimaschutzabkommen freizukaufen.

Einen kleinen Teilerfolg haben hart getroffene Länder im globalen Süden erzielt: Fünf Prozent der Erlöse aus Zertifikaten sollen Anpassungsmaßnahmen an Klimafolgen zugutekommen. Ein schwacher Trost, denn der Geist ist aus der Flasche, der Freikauf über Kohlenstoffmärkte kommt. Er wird uns noch lange beschäftigen.

Der Kampf des Globalen Südens für finanzielle Unterstützung

Angesichts der bereits eintretenden Klimaschäden in vielen Ländern sind diese mageren Ergebnisse Anlass zu großer Sorge. VertreterInnen von Ländern des globalen Südens haben sich in Glasgow vor allem dafür eingesetzt, mehr Unterstützung für den Schutz ihrer Bevölkerung vor Klimaschäden zu bekommen. Das Vertrauen in die entwickelten Industrienationen ist angeschlagen, weil die bisherige Zusage 100 Mrd. USD an Klimafinanzierung bis 2020 bereitzustellen, nicht eingehalten wurde. Zuletzt lag man bei etwa 80 Mrd. USD. In Glasgow einigte man sich darauf, dieses Ziel so rasch wie möglich zu erreichen. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass diese Gelder nicht unbedingt Hilfscharakter haben. Darunter werden Mittel aus einer Vielzahl an Quellen verstanden. Ein großer Teil der bisher geleisteten Klimafinanzierung sind Kredite. Diese müssen aber auch zurückbezahlt werden.

Angesichts der bereits eintretenden Klimaschäden in vielen Ländern sind diese mageren Ergebnisse Anlass zu großer Sorge.

Das führt zu einem Problem: Kredite gibt es meist für wirtschaftliche Projekte, die Einnahmen generieren, wie Investitionen in erneuerbare Energien. Mit den Einnahmen können dann Kreditraten zurückbezahlt werden. Sogenannte „Anpassungsmaßnahmen“, wie etwa Hochwasserschutz oder Frühwarnsysteme, generieren aber keine direkten Einnahmen. Um solche Projekte finanzieren zu können, sind direkte Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln nötig. Das ist viel schwieriger zu erreichen, als Kredite für wirtschaftlich tragfähige Projekte loszueisen. Deshalb war es vielen Staaten ein besonderes Anliegen, dass bei der Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen ein Fortschritt erreicht wird. In der Abschlusserklärung haben Industriestaaten immerhin zugesagt, dass sie die Mittel dafür bis 2025 verdoppeln werden. Für dieses Versprechen haben UmweltschützerInnen und Länder des Globalen Südens hart gekämpft. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass wohl auch für die Umsetzung des Versprechens noch hart gekämpft werden muss.

Die Mobilisierung finanzieller Unterstützung ist in diesem Zusammenhang eine Frage der Verantwortung, aber auch eine der Glaubwürdigkeit gegenüber PartnerInnen im Globalen Süden.

Die EU sieht sich bei diesen Verhandlungen traditionell als „Brückenbauer“ zu sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern. Insofern hat die EU hier eine besondere Rolle beim Gelingen von Verhandlungen. Die Mobilisierung finanzieller Unterstützung ist in diesem Zusammenhang eine Frage der Verantwortung, aber auch eine der Glaubwürdigkeit gegenüber PartnerInnen im globalen Süden.

Entschädigung für Schäden der Klimakrise

Mittlerweile ist klar, dass es nicht möglich sein wird, sich gegenüber allen Folgen der Klimakrise anzupassen.

Es geht aber nicht nur um Anpassungsmaßnahmen. Mittlerweile ist klar, dass es nicht möglich sein wird, sich gegenüber allen Folgen der Klimakrise anzupassen. Zu lange haben wir mit Gegenmaßnahmen schon zugewartet. Dennoch gibt es bisher keinen Finanzierungsstrang, der festlegt, wie mit den finanziellen Folgen von eintretenden Klimaschäden umgegangen werden soll. Für Länder des globalen Südens ist das eine Existenzfrage. Mittel werden zukünftig im Gesundheits- oder im Bildungsbereich fehlen, weil sie für die Aufarbeitung von Klimaschäden ausgegeben werden müssen. Allein im Globalen Süden werden für die nächsten Jahre Schäden von 290 bis 580 Mrd. USD erwartet.

Beschlossen wurde in Glasgow letztendlich die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die sich mit möglichen Finanzierungsoptionen auseinandersetzen und bis 2024 ein Ergebnis liefern soll.

Es trifft Länder, die wenig bis nichts zu den Treibhausgasemissionen beigetragen haben und die nicht die nötigen Mittel haben, um diese Schäden zu beheben. Die Suppe, die ihnen vor allem die entwickelten Industrieländer eingebrockt haben, wollen sie logischerweise nicht allein auslöffeln und fordern Entschädigung und Unterstützung. Auch in Glasgow war das einer der großen Diskussionspunkte. VertreterInnen von Ländern des Globalen Südens wollen nicht mit leeren Händen heimkehren. Beschlossen wurde in Glasgow letztendlich die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die sich mit möglichen Finanzierungsoptionen auseinandersetzen und bis 2024 ein Ergebnis liefern soll. Entwickelte Industrienationen, auch die EU, sind bei diesem Thema derzeit allerdings zurückhaltend bis klar ablehnend. Es geht um große Schäden und damit auch um große finanzielle Beträge, für die man nicht verantwortlich gemacht werden möchte.

Neue Initiativen in Glasgow oder Greenwashing?

Neben den offiziellen Verhandlungssträngen war Glasgow auch eine Konferenz, wo Initiativen und Allianzen ihre Vorhaben präsentierten. Prinzipiell ist das auch gut so. Wenn sich Allianzen für sinnvolle Vorhaben finden, kann das Dynamik in die Klimaschutzbemühungen bringen. Viel Aufmerksamkeit erhielt die Ansage, bis 2030 die Entwaldung zu stoppen, der sogenannte „Methan-Pledge”, eine Initiative, die Methanemissionen bis 2030 um 30 % zu reduzieren oder die Initiative, den Verbrennungsmotor auslaufen zu lassen. Letztere wurde auch von Österreich unterstützt.

Diese Initiativen können bedeutende Effekte haben, wenn sie umgesetzt werden. Dennoch ist Vorsicht angebracht. Zwar produzieren diese Initiativen regelmäßig Schlagzeilen, Teil der offiziellen Verhandlungen sind sie aber nicht. Somit besteht die Gefahr, dass Staaten für einen Medienerfolg eine Unterschrift leisten, sich dann aber nicht um die Umsetzung kümmern. Ein Monitoring, ob die Zusagen umgesetzt werden, gibt es keines und Greenwashing ist ein ernstes Thema. So hat auch Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, die Deklaration zum Stopp der Entwaldung bis 2030 unterstützt. Im eigenen Land fährt er aber einen ganz anderen Kurs.

Letztendlich sollten sich die Zusagen in den nationalen Klimaplänen wiederfinden und deren Einhaltung auch überprüft werden.

Deshalb ist es wichtig, für die Vielzahl an Initiativen eine Plattform einzurichten, die überprüft, was die Staaten mit den zahlreichen Zusagen machen. Letztendlich sollten sich die Zusagen in den nationalen Klimaplänen wiederfinden und deren Einhaltung auch überprüft werden. Auf diese Weise wäre besser feststellbar, ob es sich um ernstgemeinte Ansagen handelt oder doch nur um Greenwashing. Die EU könnte so einen Vorstoß machen.

Das große Finale und ein emotionaler Streit um den Kohleausstieg

Erstaunlicherweise gibt es bisher tatsächlich noch keinen Beschluss bei Klimaverhandlungen zum Ausstieg aus fossiler Energie.

Einen großen Konflikt gab es zuletzt um einen Satz in der Abschlusserklärung, der den Ausstieg aus Kohle und den Abbau von Subventionen für fossile Energie fordert. Ohne Zeitplan oder Arbeitsprogramm, ohne Verweis auf die nationalen Klimaschutzpläne oder eine sonstige Einbettung in die Verhandlungen, ging es hier um eine rein symbolische Erklärung. Obwohl es sich um ein Randthema bei den Verhandlungen handelte, zeigt es doch, dass der große Elefant im Raum – der notwendige Ausstieg aus fossiler Energie – bisher einfach ausgeblendet wurde und wie weit weg von der Realität sich die Klimaverhandlungen oft bewegen.

Erstaunlicherweise gibt es bisher tatsächlich noch keinen Beschluss bei Klimaverhandlungen zum Ausstieg aus fossiler Energie. Das ist auch dem Einstimmigkeitsprinzip geschuldet, denn jedes Land kann mit einer Gegenstimme einen Beschluss verhindern. Eine Zustimmung zum offensichtlich notwendigen Ausstieg aus fossiler Energie, von Seiten der OPEC-Länder oder anderer Erdöl, Erdgas- und Kohleförderländer, war daher von Anfang an unwahrscheinlich. Am Ende waren es dann China und Indien, die den Text abschwächten und aus dem Kohle-Ausstieg eine Verringerung des Kohle-Einsatzes machten.

Konkret sind es 240 Prozent zu viel Kohle, 57 Prozent zu viel Erdöl und 71 Prozent zu viel Erdgas.

Dass es zu einem emotionalen Streit kam, zeigt auch, dass es hier um die alles entscheidende Frage geht. Schon im Vorfeld der Konferenz zeigte ein UN-Report, dass die Staaten bis 2030 doppelt so viel fossile Energie fördern wollen, als mit dem 1,5 °C-Ziel vereinbar ist. Konkret sind es 240 Prozent zu viel Kohle, 57 Prozent zu viel Erdöl und 71 Prozent zu viel Erdgas. Auch die internationale Energieagentur machte zuletzt klar, dass jegliche Suche nach neuen Vorkommen fossiler Energie nicht länger vertretbar ist.

Abbildung 4: UNEP et al (2021) Production Gap Report

Die Konsequenz aus dieser Auseinandersetzung sollte eine ernsthafte und intensive Diskussion zu diesem Thema sein. Einen ersten, wenn auch kleinen, Anstoß dazu gaben Dänemark und Costa Rica. Sie gründeten die „Beyond Oil and Gas Alliance“ (BOGA), die sich dafür ausspricht, Öl- und Gasressourcen im Boden zu lassen und die unter anderem von Grönland, Frankreich, Irland und Schweden unterstützt wird.

Es sollte zu dieser Frage ein umfangreiches und vertieftes Arbeitsprogramm geben, wo ein rascher Ausstieg aus fossiler Energie, das sofortige Ende der Erschließung neuer Öl-, Gas- und Kohlevorkommen, aber auch Aspekte wie soziale Gerechtigkeit, ein sozial gerechter Übergang (Just Transition) und technologische und finanzielle Unterstützung durch entwickelte Industrienationen im Zentrum stehen.

Echte Durchbrüche brauchen gute Vorbereitung. Und dennoch: Die Legitimität von fossiler Energie bekommt auch mit diesem Beschluss einen weiteren Dämpfer. In diese Kerbe gilt es weiter zu schlagen.

Viel ist angelegt, große Durchbrüche müssen aber noch kommen

In Summe ist bei den internationalen Verhandlungen viel angelegt, was dazu führen kann, dass die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen gesichert wird. Die Chance, ein gutes Leben für alle auf diesem Planeten zu ermöglichen, lebt. Versprechen wurden viele gemacht, es liegt nun an der Umsetzung und konkreten Taten. Dafür wird es notwendig sein, zwischen Greenwashing und ernst gemeinten Initiativen zu unterscheiden.

Investitionen im Ausmaß von einem Prozent des Weltbruttosozialprodukts würden ausreichen, um die Klimakrise zu lösen.

So groß die Aufgabe scheinen mag, sie ist absolut machbar: Investitionen im Ausmaß von einem Prozent des Weltbruttosozialprodukts würden ausreichen, um die Klimakrise zu lösen. Es geht darum, in jedem einzelnen Land, die notwendigen Mittel loszueisen und für den Ausstieg aus schmutziger Energie zu sorgen. In Europa kann die Umsetzung des kürzlich vorgestellten EU-Klimapakets zu einem weltweit beachteten Durchbruch führen. In Österreich kann ein wirksames Klimaschutzgesetz wichtige Akzente setzen. Der Ausstieg aus Öl- und Gasheizungen macht uns unabhängig von Öl- und Gaspreisexplosionen auf internationalen Märkten. Mit einer Mobilitätswende, die zuallererst veraltete Autobahnprojekte hintanstellt und stattdessen Milliardengelder in zukunftsfähige Lösungen investiert, kann saubere und leistbare Mobilität für alle ermöglicht werden.

In Europa kann die Umsetzung des kürzlich vorgestellten EU-Klimapakets zu einem weltweit beachteten Durchbruch führen.

Wir haben es nach wie vor in der Hand, ein weitgehend stabiles Klima zu erhalten. Dafür sind viele kleine und große Entscheidungen wichtig, die meist in der Zeit zwischen den Klimakonferenzen fallen. Der Ausstieg aus schmutziger Energie muss jetzt in allen Ländern der Welt vorangetrieben und international beaufsichtigt werden. Es ist eine fordernde Aufgabe, aber auch eine historische Chance, die nach uns niemand mehr bekommt. Nutzen wir sie!

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Foto: Inside view of the COP26 site
Foto: Lesley Martin
Ⓒ Europäische Union, 2021
Quelle: EU-Kommission – Audiovisueller Dienst

[1] Eine Übersicht über Inhalte des Pariser Klimaschutzabkommens ist hier: https://www.global2000.at/cop21-klimaschutzabkommen-paris

[2] Das Kyoto-Protokoll ist das Vorgängerabkommen des Pariser Klimaschutzabkommens und wurde 1997 abgeschlossen.

[3] Vgl. Ökoinstitut (2016): How additional is the Clean Development Mechanism

ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die der Autor tätig ist, überein.

Schlagwörter

Klimaschutz, Klimakonferenz, Klimapolitik, Energiewende, Pariser Klimaschutzabkommen

Zitation

Wahlmüller, J. (2021). Klimakonferenz in Glasgow: Kleine Lichtblicke und große Lücken. Wien. ÖGfE Policy Brief, 19’2021

Johannes Wahlmüller

Mag. Johannes Wahlmüller ist Klima- und Energiesprecher von GLOBAL 2000. Seit 2010 arbeitet er bei GLOBAL 2000 und ist in dieser Funktion Mitglied im Nationalen Klimaschutzkomitee, das die Bundesregierung in Klimafragen berät. Davor war er zwei Jahre beim Umweltdachverband Klima- und Energiereferent. Er studierte Sozialwirtschaft in Linz und „Renewable Energy in Central and Eastern Europe" an der TU Wien.