Gelingt nunmehr die verpflichtende Erfassung von Lobbying-Aktivitäten in der EU?

Konsultation der europäischen Öffentlichkeit zur Umgestaltung des Transparenzregisters

Handlungsempfehlungen

  1. Die verschärften Transparenz-Erfordernisse in der EU im Gefolge des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon verlangen eine Nachjustierung.
  2. Auch die zunehmende Aktivität von LobbyistInnen in der EU legt dringend eine Aktualisierung der Verhaltenskodizes und des Transparenz-Registers nahe.
  3. Das gemeinsame Transparenz-Register von Europäischem Parlament und Kommission muss verpflichtend ausgestaltet und auch auf den Rat, den Europäischen Rat und die Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten in Brüssel ausgeweitet werden.

Zusammenfassung

Die bisherige Registrierung und Kontrolle der mannigfachen Lobbying-Aktivitäten von InteressenvertreterInnen beim Europäischen Parlament und der Kommission ist in einer Weise erfolgt, die den gegenwärtigen Herausforderungen nicht mehr entspricht. Bedenkt man, dass Anfang Mai dieses Jahres ca. 9.300 LobbyistInnen im gemeinsamen Transparenz-Register von Europäischem Parlament und Kommission registriert waren und im vergangenen Jahr mehr als 6.000 Treffen von Kommissionsmitgliedern mit LobbyistInnen stattgefunden haben, dann wird die Notwendigkeit einer genaueren, und vor allem, verpflichtenden Erfassung, dieser LobbyistInnen ersichtlich.
Aus diesem Grunde schlug die Kommission eine Überarbeitung des gemeinsamen Transparenz-Registers von Europäischem Parlament und Rat aus 2011/2014 vor, und setzte dafür eine dreimonatige öffentliche Konsultation von Anfang März bis Ende Mai 2016 fest, in der sie die Zweckmäßigkeit und mögliche Weiterentwicklung des bisherigen Transparenz-Registers zur Diskussion stellen will. Wie immer diese Konsultation inhaltlich auch ausgehen mag, es werden von der Kommission zumindest zwei grundlegende Änderungen für das neue Register angeregt, nämlich zum einen die Ausgestaltung desselben als verpflichtendes Instrument und zum anderen die Einbeziehung des Rates in dessen persönlichen Geltungsbereich.

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Gelingt nunmehr die verpflichtende Erfassung von Lobbying-Aktivitäten in der EU?

Konsultation der europäischen Öffentlichkeit zur Umgestaltung des Transparenzregisters

Einführung

 Zeitgleich mit dem Erscheinen dieses Policy Briefs endet die von der Europäischen Kommission Anfang März 2016 angesetzte zwölfwöchige öffentliche Konsultation zu ihrem Vorschlag für ein neues „Transparenz-Register“ für die Registrierung von Lobbyaktivitäten bei den Organen der EU. Damit wird einmal mehr das Interesse der europäischen Öffentlichkeit auf ein Phänomen gelenkt, das im Gegensatz zu seiner umfassenden Verbreitung in den USA in Europa bisher noch kein so großes Interesse erweckt hat, nämlich den Lobbyismus. Bedenkt man aber, dass zum Stichtag 1. März 2016 im derzeitigen gemeinsamen Transparenz-Register von Europäischem Parlament und Rat insgesamt 9.286 LobbyistInnen und InteressensvertreterInnen[1] eingetragen waren, dann erkennt man, in welcher Größenordnung diese Personengruppen und Organisationen bzw. Unternehmen auf maßgebliche EntscheidungsträgerInnen in der EU bereits einwirken. Berücksichtigt man dazu noch den Umstand, dass im ersten Jahr nach ihrer Bestellung im Jahre 2014 die Kommission im Rahmen der Ende November 2014 eingeleiteten Transparenz-Initiative[2] Informationen über mehr als 6.000 Treffen (sic) – rund 5.500 seitens der Mitglieder der Kommission und ihrer Kabinette sowie 600 der jeweiligen Generaldirektoren[3] – dokumentierte und offenlegte, dann kann man ermessen, welche Bedeutung eigentlich der „Überzeugungsarbeit“ von LobbyistInnen im Hinblick auf die Ausgestaltung der einzelnen Politikbereiche der EU zukommt, die dementsprechend auch so transparent als möglich ausgestaltet werden sollte.
Diese Fülle von Kontakten zur Informationsbeschaffung diente vor allem der Sammlung empirischer, wirtschafts- und sozialpolitischer sowie unternehmerischer und nicht so sehr wissenschaftlicher Daten. Diesbezüglich verfügt die Kommission ja nicht nur über die umfassende Expertise ihrer über 33.000 qualifizierten MitarbeiterInnen, sondern kann auch jederzeit auf abgeordnete nationale Sachverständige (ANS) zugreifen. Vor kurzem hat Präsident Juncker sogar einen neuen „Mechanismus für die wissenschaftliche Politikberatung“ (SAM)[4] zu seiner speziellen Beratung eingesetzt.
Was das Phänomen des bisher eher negativ besetzten Lobbyismus betrifft, so wird es neuerdings sowohl in der demokratischen Willensbildung wie auch im Bereich der Verwaltung zusehends als legitim erkannt, dass interessierte Kreise und Betroffene ihre Interessen gegenüber den EntscheidungsträgerInnen darlegen, dafür auch werben und versuchen, sie durchzusetzen, sowie zu diesen Zwecken Personen, Unternehmen, Interessenvereinigungen und Einrichtungen der organisierten Zivilgesellschaft einzuschalten. Mehr und mehr wird ein transparentes und reguliertes Lobbying als positiv angesehen, da es durchaus zu einer Vertiefung der fachlichen Information beitragen und die Zivilgesellschaft in ihrer Beteiligung an der Entscheidungsvorbereitung stärken kann, wie dies auch im Rahmen der „partizipativen Demokratie“ gem. Art. 11 EUV vorgesehen ist.

Verhaltenskodizes und Transparenz-Register als Instrumente zur Erfassung und Kontrolle von Lobbying-Aktivitäten

Zur Gewährleistung eines solchen transparenten und kontrollierten Lobbying bedient sich die Kommission mehrerer Instrumente, wie zB je eines Verhaltenskodex für Ihre eigenen Mitglieder sowie für die des Europäischen Parlaments. Nicht betroffen davon sind die Mitglieder des Rates bzw. des Europäischen Rates, da diese StaatenvertreterInnen von den LobbyistInnen grundsätzlich bereits in ihren jeweiligen Heimatstaaten zu beeinflussen versucht werden und dementsprechend auch dort kontrolliert werden sollen.
Parallel zur Ausarbeitung von Verhaltenskodizes für die Mitglieder der Kommission und der Abgeordneten zum Europäischen Parlament als EntscheidungsträgerInnen, die durch Lobbyaktivitäten beeinflusst werden können, kam es für die Erfassung und Reglementierung von InteressenvertreterInnen, die solche Lobbyaktivitäten durchführen, zur Erstellung eigener  Registrierungs– und Transparenzsysteme in Bezug auf die beiden Organe Kommission und Europäisches Parlament.
Um diese getrennten Transparenz-Register zu vereinheitlichen und überschaubarer zu machen, wurde in der Folge durch eine eigene Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen der Kommission und dem Europäischen Parlament ein gemeinsames Transparenz-Register für die beiden Organe erstellt, das allerdings unverbindlich war und den Rat nicht umfasste.[5]

Die Einrichtung der jeweiligen Instrumente durch die beiden Organe Kommission und Europäisches Parlament erfolgte ohne gegenseitige Abstimmung, sodass ein regelrechter „Wildwuchs“ an Kodizes und Registern entstand.

Die Einrichtung der jeweiligen Instrumente durch die beiden Organe Kommission und Europäisches Parlament erfolgte ohne gegenseitige Abstimmung, sodass ein regelrechter „Wildwuchs“ an Kodizes und Registern entstand, wie die folgende chronologische Darstellung anschaulich belegt: Zunächst richtete das Europäische Parlament bereits 1996 bei sich ein spezielles „Transparenz-Register“ ein, und die Kommission nahm Mitte September 2000 den „Kodex für gute Verwaltungspraxis – Beziehungen zur Öffentlichkeit“[6] an, der für die Beziehungen ihrer MitarbeiterInnen mit der Öffentlichkeit gelten sollte. Ende November 2002 ergänzte die Kommission diesen Kodex durch einen eigenen „Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder“ und verschärfte zugleich ihre Disziplinarordnung für gravides Fehlverhalten von KommissarInnen. Ende Mai 2008 legte die Kommission wiederum eine Mitteilung „Europäische Transparenzinitiative – Rahmen für die Beziehungen zu  Interessenvertretern (Register und Verhaltenskodex)[7]) vor, die im Anhang einen „Verhaltenskodex für Interessenvertreter (Lobbyisten)“ enthielt, der sieben grundlegende Regeln für die Lobbyarbeit von InteressenvertreterInnen festlegte. Anfang Mai 2009 erließ das Europäische Parlament eine „Entschließung zu dem Aufbau des Regelungsrahmens für die Tätigkeit  von Interessenvertretern (Lobbyisten) bei den Organen der Europäischen Union[8]) und die Kommission legte Ende Oktober 2009 eine Mitteilung mit dem Titel „Europäische Transparenzinitiative: ein Jahr seit Eröffnung des Registers der Interessenvertreter“[9] vor.
Nachdem das Europäische Parlament und die Kommission Ende November 2010 in einer Rahmenvereinbarung über ihre gegenseitigen Beziehungen[10]) eine neue „besondere Partnerschaft“ vereinbart hatten, übersendete Kommissionspräsident José Barroso Mitte Dezember 2010 an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Jerzy Buzek, den Entwurf über einen geänderten Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder[11]), der in der Folge konsolidiert und Mitte April 2011 definitiv verabschiedet wurde.[12]) Mit diesem Verhaltenskodex wollte die Kommission die in den Art. 17 Abs. 3 UAbs. 3 EUV und Art. 245 AEUV statuierten Unabhängigkeitsverpflichtungen ihrer Mitglieder in einem präzisen Wohlverhaltenskodex für aktive, aber auch für bereits ausgeschiedene, Kommissare zusammenfassen. Anfang Dezember 2011 verabschiedete das Europäische Parlament schließlich einen „Verhaltenskodex für die Mitglieder des Europäischen Parlaments zu den finanziellen Interessen und Interessenkonflikten“, der der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments als neue Anlage I[13]) angefügt wurde.

Das gemeinsame Transparenz-Register von Europäischem Parlament und Kommission

Diese Vielzahl von Regulativen führte zu einer großen Unübersichtlichkeit, die erst durch die Schaffung eines gemeinsamen Transparenz-Registers von Europäischem Parlament und Kommission zumindest teilweise behoben werden konnte. Ende Juni 2011 kam es durch die Verabschiedung der „Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission über die Einrichtung eines Transparenz-Registers für Organisationen und selbständige Einzelpersonen, die sich mit der Gestaltung und Umsetzung von EU-Politik befassen[14]) zur Errichtung eines gemeinsamen Transparenz-Registers für beide Organe. Diese Vereinbarung umfasst auch den „Europäischen Wirtschaftsraum“ (EWR).
Flankierend dazu wurde als gemeinsame Verwaltungsstruktur das „gemeinsame Transparenz-Registersekretariat“ eingerichtet, das aus einer Gruppe von Beamten des Europäischen Parlaments (GD Präsidentschaft – Referat Transparenz) und der Europäischen Kommission (GS der Europäischen Kommission – Referat Transparenz) besteht und das Anfang Juli 2011 seine operative Tätigkeit aufnahm. Anfang Juni 2012 beschloss auch der Rat, sich als (bloßer) Beobachter an der Verwaltungsstruktur des gemeinsamen Transparenz-Registersekretariats zu beteiligen.
In der Folge wurde eine vom 8. Juni bis zum 31. August 2012 dauernde (erste) online-Öffentlichkeitsbefragung über mögliche Verbesserungen des Transparenz-Registers durchgeführt. Diese bezog sich auf alle im Register erfassten Einrichtungen, die von Beratungsunternehmen über selbständige BeraterInnen und Anwaltskanzleien bis hin zu In-House-LobbyistInnen sowie Gewerbe-, Wirtschafts- und Berufsverbänden (Kategorien I und II) reichen. Ebenfalls dazu gehören gemeinnützige Einrichtungen, nichtstaatliche Organisationen (NROs/NGOs), religiöse Organisationen, Denkfabriken, Hochschuleinrichtungen, regionale und lokale Behörden und andere informelle oder vorübergehende Strukturen (Kategorien III bis VI).
Von diesen insgesamt 5.952 Einrichtungen entfiel die Hälfte derselben (49,9%) auf die Kategorie II (In-House-LobbyistInnen, Gewerbe- und Berufsverbände) und rund 26% auf die Kategorie III (NROs/NGOs). Da jede dieser Organisationen von durchschnittlich fünf LobbyistInnen repräsentiert wurde, betrug die Gesamtzahl der LobbyistInnen, die sich auf den Verhaltenskodex des gemeinsamen Transparenz-Registers verpflichtet hatten, insgesamt rund 30.000 Personen.[15])
Nach Überprüfung der Anwendbarkeit und Brauchbarkeit des vorstehend erwähnten Transparenz-Registers vom Juni 2011 schlossen das Europäische Parlament und die Kommission Mitte April 2014 eine neue Vereinbarung über das Transparenz-Register,[16]) in der sie detailliertere Bestimmungen über den Verhaltenskodex sowie ein Verfahren über die Untersuchung und Bearbeitung von Beschwerden uam verankerten. Anschließend wurden diese Bestimmungen noch durch die vom gemeinsamen Transparenz-Registersekretariat erstellten „Leitlinien für die Umsetzung“[17]) weiter ausgestaltet und präzisiert.

Verschärfte Transparenzerfordernisse

In der Folge wurde die Kommission durch zwei Umstände veranlasst, über eine Verschärfung der Transparenzerfordernisse nachzudenken. Zum einen war es die weitere Ausgestaltung der Transparenzverpflichtungen in der EU nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon[18], und zum anderen die persönliche Verpflichtung Jean-Claude Junckers, sich für eine größere Transparenz im Bereich des Lobbying einzusetzen. In seiner Rede zur Eröffnung der Plenartagung des Europäischen Parlaments am 15. Juli 2014 legte Jean-Claude Juncker die „Politischen Leitlinien für die nächste Europäische Kommission“ dar, in denen er ua wörtlich ausführte: „Ferner setze ich mich für größere Transparenz bei Kontakten mit Interessenträgern und Lobbyisten ein. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben das Recht zu wissen, mit wem sich Kommissare und Kommissionsbedienstete, Mitglieder des Europäischen Parlaments oder Vertreter des Rates im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens treffen. Ich werde daher dem Parlament und dem Rat eine interinstitutionelle Vereinbarung über die Einrichtung eines verbindlichen Lobby-Registers für alle drei Organe vorschlagen. Die Kommission wird dabei mit gutem Beispiel vorangehen“.[19] Damit gab Juncker bereits die beiden wichtigsten Elemente für das neue gemeinsame Transparenz-Register vor, nämlich dessen zukünftige Verbindlichkeit sowie die Einbeziehung auch des Rates.

Damit gab Juncker bereits die beiden wichtigsten Elemente für das neue gemeinsame Transparenz-Register vor, nämlich dessen zukünftige Verbindlichkeit sowie die Einbeziehung auch des Rates.

Vorarbeiten für die Ausarbeitung eines neuen Transparenz-Registers

In der Folge kam die Kommission tatsächlich ihrem Versprechen nach und ging „mit gutem Beispiel voran“. So verpflichtete sie sich im Rahmen der im November 2014 eingeleiteten „Transparenz-Initiative“ zur Veröffentlichung von Informationen über die Lobbying-Kontakte ihrer politischen Führung und hohen Beamten sowie der Verbesserung des Zugangs zu Dokumenten im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft“ (TTIP) mit den USA. Seit Anfang Dezember 2014 haben die Kommissionsmitglieder auf ihrer Website alle Kontakte anzugeben, die sie mit Berufsverbänden oder Selbständigen in EU-Angelegenheiten gehabt haben.[20]

Seit Anfang Dezember 2014 haben die Kommissionsmitglieder auf ihrer Website alle Kontakte anzugeben, die sie mit Berufsverbänden oder Selbständigen in EU-Angelegenheiten gehabt haben.

Im Mai 2015 wiederum legte die Kommission ihre „Agenda für bessere Rechtsetzung“ vor, die eine Reihe von Maßnahmen für mehr Offenheit und Transparenz der Prozesse zum Erlass von delegierten Rechtsakten der Kommission enthielt, die Mitte April 2016 durch eine Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der EU und der Europäischen Kommission über bessere Rechtsetzung[21] verankert wurde. Des Weiteren beschloss die Kommission, dass Kommissions- und Kabinettsmitglieder sowie Generaldirektoren nur die im Transparenz-Register angemeldeten InteressenvertreterInnen treffen sollen und diese Treffen spätestens zwei Wochen nach deren Stattfinden bekanntgemacht werden müssen. In diesem Register haben InteressenvertreterInnen Auskünfte über ihre Lobbyaktivitäten, und den entsprechenden Aufwand an Personal und finanziellen Ressourcen zu geben.

Öffentliche Konsultation

Im Rahmen ihrer Bemühungen um mehr Transparenz und im Sinne der politischen Leitlinien für ihre Amtsperiode 2015 bis 2019 leitete die Kommission am 1. März 2016 eine dreimonatige öffentliche online-Konsultation ein, im Zuge derer sie „Standpunkte zur Zweckmäßigkeit und möglichen Weiterentwicklung des aktuellen Transparenzregisters für Organisationen und selbständige Einzelpersonen, die sich mit der Gestaltung und Umsetzung von EU-Politik befassen“, einholen möchte.[22] Sie strebt dabei die Ausarbeitung eines verbindlichen Registers unter Einschluss des Rates der EU an.
Nach dem Ende der Konsultation am 31. Mai 2016 werden alle eingegangenen Beiträge online veröffentlicht; die Kommission kündigte zudem an, innerhalb von drei Monaten einen zusammenfassenden Bericht zu publizieren. Die Ergebnisse der Konsultation werden darüber hinaus in den Vorschlag einfließen, den die Kommission zur Aktualisierung des gegenwärtigen Transparenz-Registers im Laufe des Jahres 2016 vorlegen wird.

Wichtige Neuerungen

Unabhängig von den konkreten Ergebnissen dieser Konsultation müsste die neue Interinstitutionelle Vereinbarung über ein gemeinsames Transparenz-Register in folgenden Bereichen über das bisherige Modell hinausgehen: zum einen muss das bisher auf freiwilliger Eintragung beruhende Instrument in ein Register mit verbindlicher Eintragung übergeführt und zum anderen müsste nicht nur der bisher nicht mitumfasste Rat, sondern auch der Europäische Rat mit einbezogen werden. Vor allem müssten aber auch die weit über 1.200 Expertengruppen, die die Kommission beraten und großteils mit Wirtschaftslobbyisten besetzt sind, mit einbezogen werden, die seit 2005 lediglich in einem nicht sehr aussagekräftigen Online-Register erfasst sind. Die Kommission weigerte sich bisher, genauen Einblick in die Art, Zusammensetzung und Vorgehensweise dieser Gruppen zu geben.[23] Am 30. Mai 2016 veröffentlichte die Kommission jedoch neue Bestimmungen über die Einrichtung und Tätigkeit von Expertengruppen der Kommission.[24] Die Auswahl und die Aktivitäten dieser sollen nun also transparenter gestaltet werden.

Zum einen muss das bisher auf freiwilliger Eintragung beruhende Instrument in ein Register mit verbindlicher Eintragung übergeführt und zum anderen müsste nicht nur der bisher nicht mitumfasste Rat, sondern auch der Europäische Rat mit einbezogen werden.

Wichtig wäre aber auch, dass Lobbyingkontakte zu den Ständigen Vertretungen der Mitgliedstaaten in Brüssel erfasst werden. Die Registrierung dieser Aktivitäten sollte ebenfalls im Zuge eines neuen Transparenz-Registers inkludiert werden, sind die Ständigen Vertretungen doch die zentralen Kontaktstellen zwischen den Mitgliedstaaten und den Organen der EU.[25]

[1] Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/16/462 vom 1. März 2016, S. 1.
[2] Am 25. November 2014 fasste die Kommission zwei Beschlüsse über die Veröffentlichung von Zusammenkünften von Mitgliedern der Kommission mit InteressenvertreterInnen (LobbyistInnen).
[3] Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/16/462 vom 1. März 2016, S. 2.
[4] Vgl. Hummer, W. Der neue „Mechanismus für die wissenschaftliche Politikberatung“ (Scientific Advice Mechanism, SAM) im Schoss der Europäischen Kommission, EuZ 2/2016, S. 49 ff.
[5] Vgl. Hummer, W. Wohlverhaltensregeln für Lobbyisten. Von den Verhaltenskodizes zum gemeinsamen Transparenz-Register von Europäischem Parlament und Kommission, EU-Infothek vom 14. Jänner 2014.
[6] ABl. 2000, L 267, S. 64 ff.
[7] KOM(2008) 323 endg.
[8] ABl. 2009, C 271 E, S. 48 ff.
[9] KOM(2009) 612 endg.
[10] ABl. 2010, L 304, S. 47 ff.
[11] Code of Conduct for Commissioners, SEC(2010)XXXX.
[12] K(2011) 2904.
[13] Europäisches Parlament 2014 – 2019, Geschäftsordnung, 8.Wahlperiode, September 2015, S. 135 ff.
[14] ABl. 2011, L 191, S. 29 ff.
[15] Europäische Kommission, Pressemitteilung IP/13/1178 vom 29. November 2013.
[16] ABl. 2014, L 277, S. 11 ff.
[17] Joint Transparency Register Secretariat, Transparenzregister – Leitlinien für die Umsetzung“, vom 5. Oktober 2015.
[18] Das Transparenzgebot ist nunmehr in einer Reihe von Artikeln verankert, wie in Art. 1 Abs. 2 EUV; Art. 10 Abs. 3 EUV; Art. 11 Abs. 2 EUV; Art. 15 Abs. 1 AEUV; Art. 15 Abs. 3 UAbs. 3 AEUV; Art. 17 Abs. 3 AEUV und Art. 41 EU-Grundrechtecharta.
[19] Ein neuer Start für Europa: Meine Agenda für Jobs, Wachstum, Fairness und demokratischen Wandel, Straßburg, 15. Juli 2014, S. 13.
[20] Mitteilung des Präsidenten an die Kommission, Die Arbeitsmethoden der Europäischen Kommission 2014 – 2019, C(2014) 9004, vom 11. November 2014, S. 9 ff .
[21] ABl. 2016, L 123, S. 1 ff. (Anhang, S. 10 ff.)
[22] Öffentliche Konsultation zu einem Vorschlag für ein verbindliches Transparenzregister; http://ec.europa.eu/transparency/civil_society/public_consultation_de.htm
[23] Vassalos, Y. Secrecy and corporate dominance – a study on the composition and transparency of European Commission Expert Groups, March 2008; Hecking, C. Einflüsterer in Expertengruppen: EU-Kommission versagt im Anti-Lobby-Kampf, spiegelonline, vom 6. November 2013.
[24] Commission Decision of 30.5.2016 establishing horizontal rules on the creation and operation of Commission expert groups [C(2016) 3301 final, vom 30. Mai 2016)]
[25] ALTER-EU, National Representations in Brussels. Open for Corporate Lobbyists, March 2016. S. 2.

ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die der Autor arbeitet, überein.
Zitation
Hummer, W. (2016). Gelingt nunmehr die verpflichtende Erfassung von Lobbying-Aktivitäten in der EU? Konsultation der europäischen Öffentlichkeit zur Umgestaltung des Transparenzregisters. Wien. ÖGfE Policy Brief, 16’2016

Univ.-Prof. DDDr. Waldemar Hummer

Univ.-Prof. DDDr. Waldemar Hummer ist emeritierter Professor für Europarecht und Völkerrecht am gleichnamigen Institut der Universität Innsbruck.