Handlungsempfehlungen
- Ein stabileres Wachstum, höherer Wohlstand und demokratische Willensbildung in Europas Nachbarländern sind langfristige Ziele, die auch von Europa durch Investitionen und eine neue Partnerschaftspolitik unterstützt werden müssen und die das Flüchtlingsproblem an den Wurzeln bekämpfen.
- Eine neue Partnerschaftspolitik mit Afrika, dem arabischen Raum, den Schwarzmeerländern und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion muss an die Stelle der bisherigen Nachbarschaftspolitik rücken, wobei Wissenstransfer und Bildung im Zentrum stehen müssen.
- Partnerschaftsprojekte benötigen einen mehrstufigen Ansatz, der neben höheren Investitionen Europas auch die Reformkräfte und den Veränderungswillen in den Nachbarländern benötigt, um Korruption zu unterbinden und das Bildungssystem zu verbessern.
Zusammenfassung
Die Europäische Union leidet seit Jahren an schwacher wirtschaftlicher Dynamik und beschäftigt sich vornehmlich mit internen Problemen. Strukturelle Schwachstellen wie Ungleichheit, Jugendarbeitslosigkeit und Schulden bleiben hoch. Dabei versäumt es Europa, das hohe Wachstum der europäischen Nachbarn im Süden und im Osten als Turbo für neue Dynamik zu nutzen. Diese Regionen sind seit 2000 mit 4,5 % pro Jahr dreimal so schnell gewachsen wie die EU-Länder.
Eine neue Partnerschaft könnte beitragen, in diesen Ländern regionale Konflikte und Bürgerkriege einzudämmen und damit die Ursachen der Fluchtbewegung an der Wurzel zu bekämpfen. Im Zentrum partnerschaftlicher Aktivitäten müssen Investitionen, Bildung und Wissenstransfer stehen. Ein Austauschprogramm für Schulen, StudentInnen, LehrerInnen, aber auch für FacharbeiterInnen soll entwickelt werden. In Partnerschaft mit Europa kann Afrika zum Vorreiter ökologischer Lösungen bei Energie, Transport und Wohnbau werden. Doch muss auch Europa bestehende Hindernisse für Afrika beseitigen: Dazu zählen Subventionen, aber auch Importeinschränkungen in der Landwirtschaft, die Bereitschaft, Fluchtkapital von Potentaten aufzunehmen oder den Transfer in Steueroasen zu unterstützen.
Die Bevölkerung Afrikas könnte sich laut aktuellen Berechnungen bis 2050 verdoppeln. Um diesen Zuwachs wirtschaftlich und gesellschaftlich zu verkraften, müssen in Afrika jährlich 20 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. Der Bedarf an materiellen und immateriellen Investitionen in den Partnerländern liegt insgesamt bei jährlich 100 Mrd. €. Dieser Aufwand scheint enorm, entscheidet aber darüber, ob die Nachbarländer Europa destabilisieren oder ob Europa und seine Nachbarn gemeinsam Arbeitsplätze schaffen und die Globalisierung mitgestalten können.
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Europa braucht dynamische, stabile Partner im Süden und im Osten
Motivation
Die Querdenkerplattform: Wien ‑ Europa hat ein Konzept für eine neue Partnerschaftspolitik Europas ausgearbeitet, das bestehende Programme auf europäischer Ebene erheblich ausweitet. Eine ambitionierte, partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa, seinen außereuropäischen Nachbarn, internationalen Organisationen und der Zivilbevölkerung würde bei der Bewältigung wichtiger Herausforderungen helfen.
Die entwickelten Leitlinien und Maßnahmen fördern politische Stabilität und wirtschaftliche Dynamik und erhöhen den Wohlstand für alle Beteiligten.
Sie wirken nationalistischen und populistischen Strömungen entgegen, schaffen für Europa einen dynamischen Markt und bremsen illegale Migration.
Eine neue Form der Partnerschaft liegt sowohl im Interesse Europas als auch der Nachbarregionen. Als Nachbarschaft werden in diesem Dokument die außereuropäischen Regionen verstanden, die Europa geografisch nahe liegen, aber keine Absicht oder Aussicht auf einen Beitritt zur EU haben. Diese Region umfasst Afrika (einschließlich Sub-Sahara), den Nahen und Mittleren Osten, das Schwarzmeergebiet und andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Russland sollte ebenfalls zur europäischen Nachbarschaftspolitik gerechnet werden, auch wenn die aktuelle politische Lage dies erheblich erschwert.
Vordringliches Anliegen ist es, Ungleichheit, Genderdifferenzen und Korruption zu verringern. Bei der Umsetzung sollen – neben Staaten und internationalen Organisationen – Zivilbevölkerung und Jugend einbezogen werden. Auf regionale Besonderheiten und bestehende Strukturen muss Rücksicht genommen werden, indem Akteure aus den Partnerländern aktiv einbezogen werden. Es soll eine Partnerschaft auf Augenhöhe sein. Sie soll zu einer verantwortungsbewussten Globalisierung beitragen und darf die Steuerbelastung in Europa nicht erhöhen.
Impuls für die europäische Wirtschaft
Der wirtschaftliche Aufholprozess Europas gegenüber den USA ist in den 1990er-Jahren zum Erliegen gekommen. Die Wirtschaftsleistung lag im Jahr 2016 auf Basis von Weltbankdaten[1] nur um 5 % höher als vor der Finanzkrise, verglichen mit 12 % in den USA und 89 % in China. Arbeitslosigkeit und Ungleichheit sind gestiegen.
Die meisten Nachbarregionen Europas sind hingegen Wachstumsmärkte geblieben.
Die meisten Nachbarregionen Europas sind hingegen Wachstumsmärkte geblieben. Der Schwarzmeerraum, Nordafrika, der Mittlere Osten und Sub-Sahara Afrika zeigten jährliche Wachstumsraten von mehr als 3 % (im Schnitt 2000/17 sind es 4.7 %) und Prognosen erwarten auch zukünftig ein fast doppelt so hohes Wachstum wie in der EU-28.[2] Das ergibt einen dynamischen Export
markt und einen attraktiven Standort für die Produktion niedrigpreisiger Güter.
Politische und wirtschaftliche Stabilität
Die europäische Bevölkerung altert, und die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte könnte bis 2030 um 20 Millionen zurückgehen[3]. Eine längere Lebensarbeitszeit, höhere Partizipationsraten und Umschulung können diesen Rückgang nicht vollständig ausgleichen.
Andererseits wird etwa die Bevölkerung Afrikas bis 2050 von aktuell 1,2 Milliarden auf 2 Milliarden Menschen ansteigen[4]. Rund 80 Millionen Menschen werden den Kontinent potenziell verlassen, wenn nicht jährlich 20 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Solange das Migrationspotenzial ein Vielfaches des Defizits bei der Arbeitsnachfrage in Europa beträgt, werden negative Folgen von Migration spürbar sein. Illegale Migration wird zur Errichtung von Zäunen und hohen Budgetbelastungen durch Sicherheitskräfte führen. Populistische Parteien werden davon profitieren.
Nur wenn benachbarte Länder Beschäftigungsmöglichkeiten für den größten Teil der wachsenden Bevölkerung bieten, können Regeln für legale Migration definiert und auch durchgesetzt werden. In diesem Fall könnte die Migration der Nachfrage in den Zielländern folgen. Und es könnte eine zirkuläre Migration einsetzen, die Wissenstransfer fördert, aber keinen Brain Drain auslöst.
Europa kann entweder faire Partnerschaften mit seinen Nachbarn entwickeln und die wirtschaftliche und politische Stabilisierung unterstützen. Oder es wird mit politischen Strukturen konfrontiert, die Europa gleichgültig oder sogar feindlich gegenüber stehen.
Europa kann entweder faire Partnerschaften mit seinen Nachbarn entwickeln und die wirtschaftliche und politische Stabilisierung unterstützen. Oder es wird mit politischen Strukturen konfrontiert, die Europa gleichgültig oder sogar feindlich gegenüber stehen. Konflikte in der Nachbarschaft könnten Europa destabilisieren und aus jahrzehntelangen Kämpfen um die regionale Vorherrschaft würden sich neue Hegemonialmächte entwickeln.
Historische Verantwortung
Europa trägt Verantwortung für seine Nachbarschaft. Es hat Länder manchmal auch unter Einsatz unvorstellbarer Gewalt kolonisiert, autokratische Regime geduldet oder eingesetzt. Europa nutzte Ressourcen aus, ohne wirtschaftliche Strukturen zu verbessern oder die Nahrungsmittelversorgung zu sichern. Lokalen Firmen wurde die Existenz entzogen, Modernisierung und Absatzmöglichkeiten in der nahen Umgebung erschwert und ökologische Systeme belastet. Nach Militärinterventionen der USA und der NATO wurde nicht geholfen zivile Regierungen aufzubauen. Entsprechend ist das Bild von Europa in den Nachbarländern trotz seiner Friedensbemühungen und seinem Verzicht auf Gewalt nicht immer positiv.
Die europäische Nachbarschaft – Charakter und Vielfalt
Die europäische Nachbarschaft ist sehr heterogen. Sie umfasst Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen, aber auch extrem arme Regionen. Viele Länder sind reich an Ressourcen, die von einigen Ländern erfolgreich exportiert werden, während andere dafür ausländisches Kapital und Know-How benötigen und Nahrungsmittel importieren müssen. An Arbeits- und Fachkräften mangelt es den Nachbarregionen grundsätzlich nicht. Die Bevölkerung ist ‑ mit Ausnahme von Russland und anderen post-sowjetischen Volkswirtschaften ‑ jung.
Der Rechtsstaat ist gering ausgebildet und Korruption verbreitet. In einigen Ländern dominiert eine Religion, in anderen wird um die Vorherrschaft gekämpft. Es gibt demokratische Systeme unterschiedlicher Art und Qualität, viele Staaten haben jedoch autokratische Strukturen. Die Gleichstellung der Geschlechter fehlt, das Engagement junger Menschen in Graswurzelbewegungen sowie die Nutzung des Internets und sozialer Medien sind unterschiedlich ausgeprägt. Ungleichheit und die Rolle, die ererbtes Vermögen und Oligarchen in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik spielen, sind hoch.
Für so unterschiedliche Länder kann es keinen homogenen politischen Ansatz geben.
Für so unterschiedliche Länder kann es keinen homogenen politischen Ansatz geben. Vielfalt und kulturelle Heterogenität bieten aber Potenzial für eine wohlfahrtssteigernde Partnerschaft auch auf bilateraler und regionaler Ebene und mit nicht-staatlichen Akteuren.
Wie eine neue Partnerschaftspolitik gestaltet werden sollte
Im Zentrum einer neuen Partnerschaftspolitik müssen Wissenstransfer und Bildung stehen. Partnerschaftsprojekte sollten einen mehrstufigen Ansatz verfolgen; ökologisch nachhaltige Lösungen müssen absoluten Vorrang bekommen. Und Europa muss für eine bessere Nachbarschaftspolitik vertrauenswürdiger und verlässlicher Partner werden.
Wissenstransfer, immaterielle Investitionen
- Bildung, Berufsausbildung und Innovation spielen eine entscheidende Rolle
- Austauschprogramme für Schulen, StudentInnen, LehrerInnen und NGOs
Mehrstufiger Ansatz
- Maßnahmen sollen einen dezentralen Ausgangspunkt durch Initiativen vor Ort aufweisen
- Kriterien für Unterstützung muss es geben, wobei das Ausmaß der Unterstützung von der Erfüllung der Kriterien abhängt (aktivierender „mehr für mehr“ Ansatz)
- Programme müssen Lernprozesse berücksichtigen und adaptiert werden können
Ökologisch und gesellschaftlich nachhaltige Lösungen
- Dezentrale Energieversorgung und Smart-Cities sind auch Testlabors für Europa
- Graswurzelbewegungen, Jugend, Frauen und NGOs sind in die Umsetzung involviert
Europa muss ein verlässlicher Partner werden
- Erfolg ist von gegenseitigem Vertrauen abhängig
- Von Europa initiierte Hindernisse (Subventionen, Steueroasen) müssen beseitigt werden
- Die Partnerschaften setzen auf Vielfalt und gegenseitiges Lernen
- Langfristige Ziele dürfen wegen der Flüchtlingskrise nicht vernachlässigt werden
- Alle europäischen Länder sollen sich zur Partnerschaftspolitik bekennen, sie ist integraler Bestandteil einer verantwortungsbewussten Globalisierungsstrategie.
Neuer Schwerpunkt und bestehende Ansätze
Aktuelle Programme Europas und internationale Geldgeber investieren überwiegend in materielle Projekte. Für Wachstum und Wohlstand sind jedoch Bildung, Korruptionsbekämpfung und effizientere Verwaltung wichtiger. Bildung senkt Armut und Kindersterblichkeit und erhöht die Lebenserwartung. Sie wirkt der Überbevölkerung entgegen, forciert Familienplanung und zusätzliche Lebensziele. Bildung und Rechtsstaatlichkeit fördern demokratische Systeme, reduzieren Konflikte und Terrorismuspotential. Daher müssen zukünftige Programme verstärkt auf immaterielle Güter, Institutionen und Rechtsstaatlichkeit abzielen.
Eine neue Nachbarschaftspolitik kann auf bestehenden Initiativen und Erfolgsbeispielen aufbauen. Die Anstrengungen von bi- und multilateralen Vereinbarungen, jene von Projekten internationaler Organisationen, NGOs und die bisherigen Ansätze der Europäischen Nachbarschaftspolitik sollten ergänzt und koordiniert werden. Als Maßstab für den Erfolg der Politik müssen andere Kennzahlen neben dem Bruttoinlandsprodukt an Bedeutung gewinnen, weil im BIP zu viele entscheidende Faktoren nicht abgebildet werden.
Als Maßstab für den Erfolg der Politik müssen andere Kennzahlen neben dem Bruttoinlandsprodukt an Bedeutung gewinnen, weil im BIP zu viele entscheidende Faktoren nicht abgebildet werden.
Dem Vorbild des Fulbright-Programms der USA nach dem Zweiten Weltkrieg und Ansätzen im Erasmus Mundus Programm der EU folgend sollte ein „Schumpeter-Al-Idrisi Program
m“ nicht nur WissenschaftlerInnen und StudentInnen Zugang zu europäischen Universitäten ermöglichen, sondern auch neue Formen des Austausches für Fachkräfte, ManagerInnen und ExpertInnen anbieten.
Dezentrale Initiativen und internationale Vorleistungen
In der Regel wissen Menschen und Organisationen vor Ort besser über ihre Stärken, Möglichkeiten und Probleme Bescheid. Im Idealfall können Maßnahmen der europäischen Partnerschaftspolitik lokale Initiativen weiterentwickeln und Unterstützung bieten. Eine solche Assistenz durch europäische Akteure ist zu bevorzugen, da bereits eine Motivation und der Wille zur Veränderung vorhanden sind. Paternalistischen Tendenzen internationaler Hilfe wird so entgegengewirkt.
Ein wichtiger Teil der Unterstützung der Nachbarschaft liegt im Abbau von Hindernissen, mit denen Europa selbst die Entwicklung der Nachbarn behindert, sowie in der Korrektur von Fehlern in der internationalen Politikkoordination. Dies ist besonders im Bereich der Landwirtschaft der Fall, wo Subventionen und Importbeschränkungen die Agrarproduktion z.B. in Afrika erschweren. Künftige Handels- und Investitionsabkommen sollen Standards nach oben angleichen und nachhaltige Technologien fördern.
Europäische Partnerschaftspolitik muss ein paneuropäisches Projekt sein und darf nicht auf die unmittelbaren Nachbarn abgewälzt werden. Partnerschaftspolitik ist integraler Bestandteil einer zu entwickelnden Globalisierungsstrategie Europas. Sie zielt darauf ab, neben neuen Märkten auch Partner zu finden und die Globalisierung mitzugestalten. Nachhaltiges Wachstum, höherer Wohlstand und demokratische Willensbildung sind langfristige Ziele, die auch angesichts der „Flüchtlingskrise“ nicht aus dem Auge verloren werden dürfen. Die in diesem Text beschriebenen Maßnahmen werden in den Herkunftsländern vieler Flüchtlinge bessere Bedingungen schaffen und so Fluchtgründe bekämpfen.
Finanzierungsbedarf und Aufkommen
Die EU sollte jährlich rund 100 Mrd. € zusätzlich für partnerschaftliche Projekte mit den Nachbarländern mobilisieren, auch unter Nutzung neuer Finanzierungsinstrumente und privater Mittel. Mit diesen Mitteln werden Projekte zur Armutsbekämpfung, nachhaltige wirtschaftliche Strukturen, aber auch Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit getätigt und bestehende Erfolgsprojekte ausgeweitet. Sicherheitsprogramme sowie die Bekämpfung des Menschen- und Drogenhandels sind darin noch nicht enthalten.
Die Annahme von zusätzlichen 100 Mrd. € (0.5 % des europäischen BIP) mag im Vergleich zu bestehenden Programmen in der Höhe von 10 Mrd. € pro Jahr hoch erscheinen. Sie liegt aber niedriger als die UN-Schätzungen, die für eine Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele notwendig wären[5], und niedriger als die Mittel, die die USA nach dem 2. Weltkrieg für Europa aufgewendet haben. Ein erheblicher Teil der erforderlichen Mittel ist gleichzeitig eine Investition, die auch für Europa Erträge bringt und die Kosten für Sicherheitsapparate, Waffen und Flüchtlingsbetreuung senkt.
Sie orientiert sich auch an der Schätzung, dass alleine in Afrika jährlich zusätzlich 20 Millionen Arbeitsplätze notwendig wären, um die wachsende Bevölkerung zu beschäftigen.
Um die zusätzliche Summe zu mobilisieren, schlagen wir folgende Schritte vor:
- Internationale Organisationen haben vor Jahrzehnten das Ziel vorgegeben, 0,7 % des BIP für Entwicklungsunterstützung auszugeben. Eine Erreichung des Zieles würde aus Europa etwa 30 Mrd. € einbringen. Angesichts der Budgetknappheit wird das Ziel nicht rasch realisierbar sein, und der zusätzliche Aufwand muss bei anderen Ausgaben eingespart werden.
- Dem Vorbild des Europäischen Fonds für Strategische Entwicklung (EFSI) folgend, sollte ein ähnlicher Fonds für Partnerschaftsprogramme eingerichtet werden. Der im September 2017 aus der Taufe gehobene Europäische Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD)[6] ist ein Beginn auf diesem Weg. Er allein soll bis 2020 mit einem Kapital von wenig mehr als 4 Mrd. € über einen geschätzten Hebel von 11 letztlich bis zu 44 Mrd. € (für eine Finanzierung von Projekten z.B. in Afrika) erbringen – allerdings über die ganze restliche Periode. Wenn dem Kommissionsmodell folgend mit zusätzlichen Beiträgen der Mitgliedsländer eine Verdoppelung erreicht wird, könnte damit auf jedes Jahr gerechnet knapp ein Drittel der hier angepeilten 100 Mrd. € finanziert werden.
- Eine neue Organisation – unter Beteiligung existierender internationaler Organisationen, aber auch von Vertretern der Partnerländer – sollte die Projekte und Mittel für das europäische Partnerschaftsprogramm koordinieren und deren Umsetzung kontrollieren. Neue Finanzinstrumente könnten private und institutionelle Anleger ‑ in einer Phase mangelnder Anlagemöglichkeiten mit geringem Risiko ‑ motivieren, in die europäische Nachbarschaft zu investieren.
- Neben den Beiträgen nationaler Regierungen und privatem Kapital sollte auch der Beitrag internationaler Organisationen für die europäische Nachbarschaft angehoben werden.
- Restbestände aus dem Nachkriegs-Marshallplan (ERP) sollten ebenfalls in neue Projekte in der europäischen Nachbarschaft fließen.
- Schließlich könnte entschiedenes Vorgehen gegen Steuerflucht und -vermeidung zusätzliches Geld für Investitionen einbringen.
Die Europäische Partnerschaftspolitik entscheidet darüber, ob die politische Lage in den Nachbarländern Europas weiter instabil bleibt oder ob Europa und seine Nachbarn gemeinsam erfolgreich die Globalisierung gestalten können. Europa muss mehr in die Nachbarländer investieren, und sollte dabei anders als China bzw. die USA den Schwerpunkt auf immaterielle Investitionen, Bildung, Governance legen. Dies könnte auch ein Schwerpunkt der EU Politik, besonders auch unter der österreichischen EU- Präsidentschaft sein.
Die Autoren danken Christoph Breinschmid, Rainer Brunnauer, Jesus Crespo Cuaresma, Dagmar Guttmann, Cornelius Hirsch, Anna Kanduth, Michael Landesmann, Irene Langer, Peter Mayerhofer, Atanas Pekanov, Alina Pohl, Franz Sinabell,, Gunther Tichy, Fabian Unterlass für Kritik, Beiträge und technische Assistenz. Für den Inhalt sind ausschließlich die Autoren verantwortlich. Eine Reihe von Flash Papers wurde für dieses Projekt erstellt, sie werden auf der Homepage der Querdenkerplattform Wien-Europa publiziert. Eine Ausschreibung von wissenschaftlichen Arbeiten ist erfolgt, und ihre ersten Ergebnisse konnten berücksichtigt werden.
[1] Für die Daten in diesem Abschnitt siehe https://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.MKTP.PP.KD?locations=US-CN; die Berechnungen folgen den Studien, die in Fußnote 1 zitiert sind.
[2] Schätzungen von UN, Weltbank, IMF berechnet in Aiginger/Handler. Siehe auch Karl Aiginger: “New Dynamics for Europe: Reaping the Benefits of Socio-ecological Transition”, Vienna, Brussels 2016 (http://Synthesis-Report-Part-I.foreurope.eu).
[3] Karl Aiginger: “New Dynamics for Europe: Reaping the Benefits of Socio-ecological Transition”, Vienna, Brussels 2016 (http://Synthesis-Report-Part-I.foreurope.eu).
[5] Siehe https://www.dailysabah.com/world/2015/07/10/un-ending-world-hunger-will-cost-267-billion-per-year.
[6] Vgl. Website des Europäischen Rats (2017): http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2017/09/25/european-fund-sustainable-development/
ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die die Autoren arbeitet, überein.
Dieser Policy Brief entstand in Kooperation mit der Querdenkerplattform Wien – Europa (http://www.querdenkereuropa.at).
Für eine ausführliche Analyse siehe Aiginger/Handler: EUROPEAN PARTNERSHIP POLICY: FOSTERING DYNAMICS AND FIGHTING ROOT CAUSES OF FLIGHT, Policy Crossover Center: Vienna – Europe, Policy Paper 3/2017, Vienna. Und für eine kürzere Fassung TOWARDS A EUROPEAN PARTNERSHIP POLICY WITH THE SOUTH AND THE EAST (EPP), Policy Crossover Center: Vienna – Europe, Working Paper 3/2017, Vienna.
Zitation
Aiginger, K., Handler, H. (2018). Europa braucht dynamische, stabile Partner im Süden und im Osten. Wien. ÖGfE Policy Brief, 01’2018
Hinweis
Zu diesem Policy Brief ist ein Gastkommentar in der Wiener Zeitung erschienen.