Die EU als Sicherheits- und Verteidigungsunion: Das Meinungsbild der ÖsterreicherInnen im EU-Vergleich

Handlungsempfehlungen

  1. Eine öffentliche Debatte über die Bedeutung einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion, ihre Vor- und Nachteile sowie mögliche Auswirkungen auf die Neutralität unseres Landes wären hilfreich, um die diesbezügliche Meinungsbildung zu schärfen.
  2. Eine engere Zusammenarbeit der neutralen und bündnisfreien EU-Staaten im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie ihrer Weiterentwicklung könnte für alle Beteiligten von Vorteil sein.
  3. Die Verpflichtung zur ständigen Erhöhung der Militärausgaben im Rahmen der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit sollte im Hinblick auf ihre Akzeptanz in der österreichischen Bevölkerung gut überlegt sein.

Zusammenfassung

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU (GSVP) ist seit ihrer Entstehung intergouvernemental strukturiert. Mit der Gründung der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ) zwischen 25 EU-Mitgliedsstaaten wurde ein erster Schritt in Richtung EU-Verteidigungsunion gesetzt. Österreich nimmt ohne Vorbehalte an der GSVP sowie seit Ende 2017 an der SSZ teil. Die österreichische Bevölkerung sieht dieses Engagement jedoch durchaus skeptisch. Die GSVP wird zwar von einer knappen Mehrheit der ÖsterreicherInnen gutgeheißen, diese Zustimmung liegt jedoch signifikant unter dem europäischen Durchschnitt. Darüber hinaus gehört Österreich zu jenen Ländern, in denen die Schaffung einer EU-Armee mehrheitlich abgelehnt wird. Die starke Verankerung der österreichischen Neutralität in der Bevölkerung scheint einer der Hauptgründe dafür zu sein. Diesen Schluss legt der Vergleich mit den drei anderen neutralen bzw. bündnisfreien EU-Staaten Finnland, Schweden und Irland nahe. Die Zustimmung zur GSVP liegt in diesen Ländern ebenfalls signifikant unter dem EU28-Durchschnitt und lediglich eine Minderheit spricht sich für die Schaffung einer EU-Armee aus.

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Die EU als Sicherheits- und Verteidigungsunion:
Das Meinungsbild der ÖsterreicherInnen im EU-Vergleich

Sicherheit und Verteidigung auf EU-Ebene: ein dynamisches Politikfeld

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) ist zwischen 1999 und 2003 schrittweise entstanden und wurde durch den Vertrag von Lissabon 2009 in wesentlichen Bereichen reformiert und erweitert. Sie umfasst zivil-militärische, militärische und polizeiliche Maßnahmen. Nationale Truppen können von den Mitgliedsstaaten für gemeinsame Einsätze zur Verfügung gestellt werden. Daneben gibt es seit 2004 aber auch das Konzept der „EU-Battlegroups“ – multinationale Truppen für die kurzfristige Krisenreaktion.[1]
Beschlüsse im Bereich der GSVP werden einstimmig getroffen. Seit dem Vertrag von Lissabon gibt es allerdings die Möglichkeit, dass einzelne Mitgliedsstaaten freiwillig eine sogenannte „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ (SSZ) einrichten und in einigen Bereichen intensiver zusammenarbeiten.[2]
Im Dezember 2017 wurde eine solche Ständige Strukturierte Zusammenarbeit erstmals ins Leben gerufen. 25 EU-Staaten – darunter auch Österreich – nehmen daran teil. Nicht dabei sind Dänemark, Malta und das Noch-EU-Mitglied Großbritannien. Die 25 Teilnehmerstaaten haben sich dazu verpflichtet, künftig in der Verteidigungspolitik noch enger zusammenzuarbeiten. Zu den konkreten Maßnahmen, die im Rahmen der SSZ gesetzt werden, zählen u.a. die Durchführung gemeinsamer, strategischer Rüstungsprojekte; eine Verbesserung der Zusammenarbeit der Streitkräfte, ihrer Strategien und Waffensysteme; die gemeinsame Finanzierung von GSVP-Missionen; die Bereitstellung von Einsatztruppen bzw. Logistik für EU-Battlegroups und gemeinsame, strategische Rüstungsprojekte. Darüber hinaus verpflichten sich die an der SSZ teilnehmenden Staaten zu einer regelmäßigen Erhöhung des Verteidigungshaushaltes, zur mittelfristigen Anhebung der Rüstungsausgaben sowie zur Erhöhung der Ausgaben für Militärforschung. [3]
Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist seit ihrer Entstehung streng intergouvernemental strukturiert, weswegen Schritte in Richtung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Europäischen Union bis dato nur in Ansätzen verwirklicht werden konnten. Der Vertrag von Lissabon schuf allerdings erstmals die Voraussetzungen dafür, dass eine tatsächliche Sicherheits- und Verteidigungsunion entstehen kann, sofern der politische Wille gegeben ist.[4]
Mit der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit wurde ein erster Schritt gesetzt, um dieses Entwicklungspotential auszuschöpfen.

Österreich und die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Österreich nimmt ohne Vorbehalte an der GSVP und an der 2017 ins Leben gerufenen Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit teil. Laut der Österreichischen Sicherheitsstrategie bildet „die EU als umfassende Friedens-, Sicherheits- und Solidargemeinschaft […] den zentralen Handlungsrahmen für die österreichische Sicherheitspolitik. Österreich wird sich an der Sicherheitspolitik der EU in allen ihren Dimensionen beteiligen.“ [5]
Darüber hinaus wird in der Sicherheitsstrategie die aktive Beteiligung an der Weiterentwicklung der GSVP als Ziel definiert. Diese Verpflichtungserklärung bezieht sich auch auf die in Art. 42 Absatz 2 festgelegte Bestimmung des Lissabonner Vertrages, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann.[6]
Die Vereinbarkeit mit der Neutralität wird durch Art. 42 Abs. 2 des EU-Vertrags (EUV) gewährleistet, demzufolge „die Politik der Union nach diesem Abschnitt […] nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten [berührt].“ [7] Durch den Vertrag von Lissabon wurde eine gegenseitige Beistandsverpflichtung aller EU-Mitgliedsstaaten im Falle eines bewaffneten Angriffes verankert. Aber auch in diesem Fall stellt die sogenannte „irische Klausel“ [8] die theoretische Vereinbarkeit mit der Neutralität sicher.
Die sich weiterentwickelnde EU-Mitgliedschaft hat die Rolle der österreichischen Neutralität dennoch maßgeblich beeinflusst. Obwohl das Land formell – noch immer – zu den neutralen Staaten zählt, verliert die Neutralität faktisch sukzessive an Gewicht. Von KritikerInnen wird Österreich darum immer wieder als „sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer“ bezeichnet. Sie werfen dem Land vor das Neutralitätsargument zu benutzen, um auf EU-Ebene nicht mehr Sicherheitsverantwortung übernehmen zu müssen.[9]

Die Einstellung der ÖsterreicherInnen zur
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Wie aber steht nun die österreichische Bevölkerung zum Thema Sicherheit und EU? Wünschen sich die ÖsterreicherInnen eine stärkere Zusammenarbeit in Sachen Verteidigung auf europäischer Ebene und letztlich gar eine wahre Sicherheitsunion mit eigener EU-Armee? Oder überwiegt die Skepsis im Hinblick auf die GSVP sowie deren Weiterentwicklung?

In den letzten vier Jahren sprach sich die Mehrheit der ÖsterreicherInnen konstant für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU aus.

In den letzten vier Jahren sprach sich die Mehrheit der ÖsterreicherInnen konstant für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU aus. Am höchsten war die Zustimmung im Jahr 2015, als 61% der Befragten die GSVP unterstützten. Am niedrigsten war sie im Jahr 2016, als die GSVP nur von knapp mehr als der Hälfte (55%) befürwortet wurde. Dementsprechend lehnte in den vergangenen vier Jahren lediglich eine Minderheit der ÖsterreicherInnen die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ab. Am meisten Ablehnung schlug der GSVP im Jahr 2016 entgegen. 42% der Befragten sprachen sich damals dagegen aus. Am wenigsten Ablehnung erfuhr sie wiederum im Jahr 2015, als nur 35% der ÖsterreicherInnen die GSVP ablehnten.[10]

Die Zustimmung der ÖsterreicherInnen zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union liegt seit 2015 allerdings signifikant unter dem EU28-Durchschnitt.

Die Zustimmung der ÖsterreicherInnen zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union liegt seit 2015 allerdings signifikant unter dem EU28-Durchschnitt. Laut der Standard Eurobarometerumfrage vom Frühling 2018 befürworteten im EU28-Durchschnitt 75% der Befragten die GSVP. In Österreich waren es hingegen nur 57%. Gleichzeitig ist auch die Ablehnung der GSVP in Österreich wesentlich größer als im europäischen Durchschnitt. Während lediglich 18% der EuropäerInnen die GSVP ablehnen, sind es in Österreich 37%.[11]
Auch eine aktuelle Umfrage im Auftrag der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik bestätigt die grundsätzliche Zustimmung der ÖsterreicherInnen zur GSVP. Im Juli/August 2018 zeigten sich 39% der befragten ÖsterreicherInnen mit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union zufrieden. 37% waren der Meinung, dass die EU im Bereich der GSVP eher mehr Zuständigkeiten haben sollte, lediglich 12% sprachen sich für eine Reduktion der europäischen Zuständigkeiten in der GSVP aus.[12] Die militärische Stärke der Europäischen Union war für die Mehrheit der Befragten (42%) im weltweiten Vergleich nicht ausreichend. Lediglich 37% zeigten sich mit der derzeitigen militärischen Stärke der EU zufrieden.[13]

Wie steht Österreich zur Schaffung einer eigenen EU-Armee?

Die Zustimmungsrate der ÖsterreicherInnen zur Schaffung einer EU-Armee ist in diesem Kontext ebenfalls von Interesse. Eine eigene EU-Armee wäre immerhin ein wesentlicher Schritt in Richtung einer europäischen Verteidigungsunion.

Laut aktuellem Eurobarometer Spezial zählt Österreich zu den insgesamt fünf EU-Mitgliedsländern, in denen sich nur eine Minderheit für die Schaffung einer eigenen EU-Armee ausspricht.

Laut aktuellem Eurobarometer Spezial zählt Österreich zu den insgesamt fünf EU-Mitgliedsländern, in denen sich nur eine Minderheit für die Schaffung einer eigenen EU-Armee ausspricht. Lediglich 45% der Befragten in Österreich gaben demnach im April 2017 an, dass sie eine eigene EU-Armee befürworten (EU28-Durchschnitt: 55%). Demgegenüber sprach sich fast die Hälfte der ÖsterreicherInnen (49%) gegen die Schaffung einer EU-Armee aus. Dieser Wert liegt signifikant über dem EU28-Durchschnitt von 39%.[14]
Das Eurobarometer Spezial, welches vier Jahre davor im Frühling 2014 durchgeführt wurde, kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Mehrheit der ÖsterreicherInnen (51%) sprach sich damals sehr bzw. eher gegen die Schaffung einer EU-Armee aus (EU28-Durchschnitt: 47%). Im Gegensatz dazu befürwortete 2014 weniger als die Hälfte der ÖsterreicherInnen (43%) eine eigene EU-Armee. Dieser Wert liegt unter dem EU28-Durchschnitt von 46%.[15]
Schließlich belegt auch eine weitere Umfrage aus dem Jahr 2014, dass die ÖsterreicherInnen mehrheitlich (57%) gegen die Ablösung der nationalen Armeen durch eine gemeinsame europäische Armee sind.[16]
Die Skepsis der ÖsterreicherInnen im Hinblick auf die Schaffung einer EU-Armee scheint allerdings ein eher jüngeres Phänomen zu sein. Diesen Schluss legen die Ergebnisse zweier Umfragen der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft aus dem Jahr 2002 bzw. 2004 nahe. So standen die ÖsterreicherInnen in der Entstehungszeit der GSVP Anfang 2000 der Schaffung einer eigenen EU-Armee noch positiver gegenüber. Im Jahr 2002 sprach sich eine große Mehrheit der ÖsterreicherInnen (73%) für eine EU-Armee aus.[17] Zwei Jahre später war die Unterstützung einer gemeinsamen europäischen Verteidigung bereits gesunken. Lediglich 42% der Befragten waren für die Schaffung einer EU-Armee. 33% gaben an, dass es eine EU-Armee ergänzend zu den Armeen der EU-Mitgliedstaaten geben sollte.[18]

Wie steht die Bevölkerung in den anderen drei neutralen bzw. bündnisfreien Staaten[19] der Europäischen Union zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik?

Neben Österreich zählen auch die neutralen bzw. bündnisfreien Staaten Irland, Finnland und Schweden zu den EU-Mitgliedern, in denen die Zustimmung zur GSVP signifikant unter dem EU28-Durchschnitt (…) liegt.

Neben Österreich zählen auch die neutralen bzw. bündnisfreien Staaten Irland, Finnland und Schweden zu den EU-Mitgliedern, in denen die Zustimmung zur GSVP signifikant unter dem EU28-Durchschnitt von 75% liegt. Laut dem aktuellsten Standard Eurobarometer vom Frühling 2018 sprechen sich 67% der IrInnen, 65% der FinnInnen und 63% der SchwedInnen für die GSVP aus. Mit der Ablehnung der GSVP verhält es sich genau umgekehrt – sie liegt mit 24% in Irland, 28% in Finnland und sogar 34% in Schweden deutlich über dem EU28-Durchschnitt von 18%.[20]
Die Zustimmung zur GSVP lag bereits im Jahr 2015 unter dem EU28-Durchschnitt, der in diesem Jahr 72% betrug. Auch damals war sie in Schweden mit 55% besonders niedrig, gefolgt von Irland mit 57%. In Finnland befürworteten immerhin 67% der Befragten die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union. Mit der Ablehnung der GSVP verhielt es sich 2015 ebenfalls genau umgekehrt: Sie lag teilweise signifikant über dem EU28-Durchschnitt von 20%. Am meisten Gegenwind erfuhr sie wiederum in Schweden, wo 37% der Befragten dagegen waren. In Irland lehnten damals 30% und in Finnland 24% die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Union ab.[21]
Nichtsdestotrotz ist die Zustimmung zur GSVP in Irland, Schweden und Finnland seit 2015 größer als die Ablehnung einer gemeinsamen europäischen Verteidigung. Mehr als die Hälfte der IrInnen, FinnInnen und SchwedInnen befürworten die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, lediglich eine Minderheit der Befragten lehnt diese dezidiert ab.[22]

Quelle: Standard Eurobarometer 84 (Herbst 2015), Standard Eurobarometer 89 (Frühling 2018)

Anmerkung: Der fehlende Wert auf 100 Prozent = „keine Angabe“

Wie stehen Irland, Finnland und Schweden zur Schaffung einer EU-Armee?

In Irland, Finnland und Schweden unterstützt ebenfalls nur eine Minderheit die Schaffung einer EU-Armee. Lediglich 40% der SchwedInnen und 42% der FinnInnen gaben im April 2017 an, dass sie eine eigene EU-Armee befürworten. In Irland waren es immerhin 46%. Die Ablehnung einer europäischen Armee lag in diesen drei Ländern ebenso signifikant über dem EU28-Durchschnitt von 39%. In Schweden (58%) und Finnland (56%) lehnten mehr als die Hälfte der Befragten eine EU-Armee ab. Irland lag mit 49% gleichauf mit der Ablehnung in Österreich.[23]
Im Jahr 2014 war die Ablehnung einer europäischen Armee in diesen drei Ländern noch größer. Weit mehr als die Hälfte der Befragten in Finnland (69%), Schweden (69%) und Irland (61%) sprachen sich damals sehr bzw. eher gegen die Schaffung einer EU-Armee aus (EU28-Durchschnitt: 47%). Ebenfalls signifikant weniger als die Hälfte der FinnInnen (27%), SchwedInnen (29%) und IrInnen (30%) waren sehr bzw. eher für eine eigene EU-Armee (EU28: 46%).[24]
Ebenso wie in Österreich sprachen sich also bereits 2014 deutlich mehr Befragte gegen die Schaffung einer EU-Armee aus als im EU28-Durchschnitt (46%). Die Ablehnung war in Finnland, Schweden und Irland allerdings noch größer als hierzulande, wo nur knapp mehr als die Hälfte (51%) sich 2014 gegen die Schaffung einer EU-Armee aussprach.[25]

Quelle: Eurobarometer Spezial 413 (Frühling 2014), Eurobarometer Spezial 461 (April 2017)

Anmerkung: Der fehlende Wert auf 100 Prozent = „keine Angabe“

Konstante Zustimmung zur GSVP in Österreich aber Skepsis gegenüber weiteren Schritten in Richtung Sicherheits- und Verteidigungsunion bzw. EU-Armee aufgrund der Neutralität

Seit 2015 wird die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union von einer knappen Mehrheit der ÖsterreicherInnen gutgeheißen. Diese Zustimmung liegt jedoch ebenfalls seit vier Jahren signifikant unter dem europäischen Durchschnitt. Darüber hinaus gehört Österreich zu den EU-Mitgliedsländern, in denen die Schaffung einer eigenen EU-Armee seit 2014 mehrheitlich abgelehnt wird.
Im europäischen Vergleich sind die ÖsterreicherInnen also eher skeptisch eingestellt, wenn es um die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU und insbesondere deren weitere Vertiefung im militärischen Bereich geht. Ausschlaggebend dafür scheint die österreichische Neutralität zu sein, die nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für das österreichische Selbstverständnis hat.
Diesen Schluss legt auch der Vergleich Österreichs mit Finnland, Schweden und Irland nahe. In den vier neutralen Staaten der Union liegt die Zustimmung zur GSVP seit 2015 signifikant unter und die Ablehnung über dem EU28-Durchschnitt. Darüber hinaus zählen sie zu jenen EU-Staaten, in denen sich nur eine Minderheit für die Schaffung einer eigenen EU-Armee ausspricht.
Trotz der Bedenken der ÖsterreicherInnen im Hinblick auf die GSVP sowie die Schaffung einer eigenen EU-Armee findet eine Mehrheit in unserem Land die militärische Stärke der EU im weltweiten Vergleich nicht ausreichend.
Die in der österreichischen Bevölkerung vorherrschende Skepsis gegenüber der GSVP und insbesondere ihrer Weiterentwicklung in Richtung einer EU-Armee steht durchaus im Widerspruch zu den in der österreichischen Sicherheitsstrategie festgelegten Zielen. Darin verpflichtet sich Österreich, im Rahmen seiner Kapazitäten an allen Arten von GSVP-Aktivitäten teilzunehmen und sich aktiv an ihrer Weiterentwicklung zu beteiligen.
Darüber hinaus ist fraglich, ob die ÖsterreicherInnen die Teilnahme unseres Landes an der vor kurzem ins Leben gerufenen Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit gutheißen. Obwohl die Schaffung einer eigenen EU-Armee in dieser Zusammenarbeit noch nicht enthalten ist, handelt es sich dabei um einen entscheidenden Schritt in Richtung eines möglichen Aufbaues einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion.
Vor diesem Hintergrund wäre es wichtig, eine breite öffentliche Debatte über die Bedeutung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU anzustoßen. Im Rahmen dieser Debatte sollte einerseits über die Vor- und Nachteile der aktuellen GSVP für Österreich diskutiert werden. Andererseits sollten die möglichen Auswirkungen einer Weiterentwicklung der GSVP in Richtung Sicherheits- und Verteidigungsunion auf die Neutralität unseres Landes thematisiert werden. Eine engere Zusammenarbeit mit Irland, Finnland und Schweden im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie ihrer Weiterentwicklung könnte ebenfalls für alle Beteiligten von Vorteil sein.

[1] Bundeszentrale für Politische Bildung: Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). 2013 https://bit.ly/2wIoxRf (04.09.2018)
[2] Ebd.
[3] Europäisches Parlament-Factsheet: Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Juni 2018 http://www.europarl.europa.eu/factsheets/de/sheet/159/gemeinsame-sicherheits-und-verteidigungspolitik (04.09.2018)
[4] Kammel, Arnold/ Pfarr, Dietmar (2010): Der Vertrag von Lissabon und seine Auswirkungen auf GASP und GSVP. In: Österreichische Militärische Zeitschrift, 01 2010
[5] Bundeskanzleramt Österreich/Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten/Bundesministerium für Inneres/Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport: Österreichische Sicherheitsstrategie. Sicherheit in einer neuen Dekade-Sicherheit gestalten. Juli 2013. S. 12
[6] Bundeskanzleramt Österreich/Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten/Bundesministerium für Inneres/Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport: Österreichische Sicherheitsstrategie. Sicherheit in einer neuen Dekade-Sicherheit gestalten. Juli 2013. S. 13
[7] Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union (März 2010): Artikel 42 Absatz 2
[8] Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Europäische Union (März 2010): Artikel 42 Absatz 7
[9] Kramer, Helmut/Matzner, Gabriele/Steyrer, Peter (2018): Türkis-Blaue Außen- und EU-Politik. Was wir zu erwarten haben. In: International-Die Zeitschrift für internationale Politik. I/2018
[10] Standard Eurobarometer 84 (Herbst 2015), Standard Eurobarometer 86 (Herbst 2016), Eurobarometer Spezial 461 (April 2017), Standard Eurobarometer 88 (Herbst 2017), Standard Eurobarometer 89 (Frühling 2018)
[11] Ebd.
[12] Telefonumfrage Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft TELSWS277 (Juli/August 2018)
[13] Ebd.
[14] Eurobarometer Spezial 461 (April 2017)
[15] Eurobarometer Spezial 413 (Frühling 2014)
[16] Telefonumfrage Market Marktforschungsinstitut MA719 (Mai 2014)
[17] Telefonumfrage Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft TELSWS136 (Oktober 2002)
[18] Telefonumfrage Sozialwissenschaftliche Studiengesellschaft TELSWS144 (Jänner 2004)
[19] In der EU zählt man sechs neutrale bzw. bündnisfreie Staaten. Die Neutralität ist in rechtlicher, politischer und nicht zuletzt geopolitischer Hinsicht jedoch von Land zu Land unterschiedlich ausgeprägt: Österreich (immerwährende Neutralität), Finnland (bündnisfrei), Irland (militärisch), Malta (militärisch), Schweden (bündnisfrei), Zypern (bündnisfrei). Siehe: Hauser, Gunther/Landesverteidigungsakademie-Institut für Strategie und Sicherheitspolitik (2018): Neutralität. http://www.bundesheer.at/download_archiv/pdfs/3_neutralitaet.pdf (20.09.2018)
[20] Standard Eurobarometer 89 (Frühling 2018)
[21] Standard Eurobarometer 84 (Herbst 2015)
[22] Standard Eurobarometer 89 (Frühling 2018) & Standard Eurobarometer 84 (Herbst 2015)
[23] Eurobarometer Spezial 461 (April 2017)
[24] Eurobarometer Spezial 461 (Frühling 2014)
[25] Ebd.

ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die die Autoren arbeiten, überein.

Zitation

Schmidt, P., Edthofer, J. (2018). Die EU als Sicherheits- und Verteidigungsunion: Das Meinungsbild der ÖsterreicherInnen im EU-Vergleich. Wien. ÖGfE Policy Brief, 20’2018

Mag. Paul Schmidt 

Mag. Paul Schmidt ist seit September 2009 Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE). Davor war er für die Oesterreichische Nationalbank in Wien und in Brüssel tätig. Er studierte Internationale Beziehungen, Politikwissenschaften und Publizistik an Universitäten in Österreich, Spanien sowie den USA und ist Alumni der Diplomatischen Akademie in Wien.

Mag.a Johanna Edthofer

Mag.a Johanna Edthofer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektmanagerin an der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE). Sie studierte Politikwissenschaft an der Universität Wien, sowie am Institut d´études politiques de Paris. Sie ist verantwortlich für das Abstimmungsmonitoring der österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament und die Lehrer:innenseminare.