Eckpunkte eines zukunftsfähigen EU-Budgets

Handlungsempfehlungen

  1. Ein bedeutender Teil der nationalen Beiträge zur Finanzierung des EU-Budgets sollte durch eigene EU-Steuern ersetzt werden.
  2. Die Ausgaben der EU sollten stärker als bisher einen dynamischeren, ökologischeren und sozial inklusiveren Wachstums- und Entwicklungspfad für Europa unterstützen.
  3. Das komplexe, intransparente und ungerechte Rabattsystem sollte vollkommen abgeschafft werden.

Zusammenfassung

Die Verhandlungen zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU für 2014 bis 2020 erscheinen als noch konfliktreicher als jene zu den vorhergehenden Finanzrahmen. Am meisten umstritten sind vor allem die Höhe des gesamten Budgetvolumens, die Struktur der Ausgaben und die Fortführung der bisher gewährten Rabatte für (einige) Nettobeitragszahler. Das Finanzierungssystem der EU scheint dagegen in den bisherigen Verhandlungen wenig thematisiert worden zu sein. Dabei kann der den aktuellen Verteilungskonflikten zugrunde liegende Fokus der Mitgliedsländer auf die monetären Nettorückflüsse aus dem EU-Haushalt nur dann aufgebrochen werden, wenn ein wesentlicher Teil der nationalen Finanzierungsbeiträge durch eigene EU-Steuern ersetzt wird. Dies ist eine entscheidende Voraussetzung erstens dafür, dass das Volumen des neuen Finanzrahmens nicht wie geplant gegenüber dem geltenden Finanzrahmen zurückgeht. Zweitens sollte dies eine Umstrukturierung der Ausgaben erleichtern, die prononcierter als der vorliegende Entwurf einen Wachstums- und Entwicklungspfad hin zu einem dynamischeren, ökologischeren und sozial inklusiveren Europa unterstützt. Drittens würde die primäre Finanzierung des EU-Budgets aus eigenen Steuermitteln dem bestehenden komplexen, intransparenten und ungerechten Rabattsystem den Boden entziehen. Jedenfalls wäre eine baldige Einigung der Mitgliedsländer auf ein zukunftsorientiertes EU-Budget ein wichtiger ökonomischer Impuls angesichts der schwächelnden Konjunktur und insbesondere der hohen Jugendarbeitslosigkeit ebenso wie ein dringend benötigtes Signal der Handlungsfähigkeit der europäischen Politik.

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Eckpunkte eines zukunftsfähigen EU-Budgets

Die Verhandlungen zum nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU für die Periode 2014 bis 2020 erscheinen – erkennbar unter anderem an den bereits relativ früh im Verhandlungsprozess geäußerten Vetodrohungen verschiedener EU-Mitgliedsländer – als noch konfliktreicher als die auch schon zunehmend schwierigen und langwierigen Verhandlungen zu den vier vorhergehenden Finanzrahmen. Grundlage der laufenden Verhandlungen ist der am 29. Juni 2011 von der Europäischen Kommission vorgelegte Entwurf für den mehrjährigen Finanzrahmen und die Umsetzungsverordnungen. Dieser sieht für den gesamten Siebenjahreszeitraum ein Gesamtvolumen an Mitteln für Verpflichtungen von 1.025 Mrd. € (in konstanten Preisen 2011) bzw. 1,05% des Bruttonationaleinkommens (BNE) der EU-27 vor. Gemessen an der Wirtschaftsleistung liegt damit das vorgeschlagene Volumen des neuen Finanzrahmens unter jenem des geltenden Finanzrahmens 2007 bis 2013, der über seine gesamte Laufzeit hinweg 1,12% des BNE an Mitteln für Verpflichtungen erreicht.
Nach mehreren Verhandlungsrunden im EU-Ministerrat sowie im Europäischen Rat sollte am 22. und 23. November 2012 auf einem Sondergipfel der EU-Regierungschefs, der nur dem neuen EU-Budget gewidmet war, der angestrebte Kompromiss zwischen Europäischem Rat, Europäischer Kommission und Europäischem Parlament herbeigeführt werden. Dieser Gipfel wurde jedoch ohne Ergebnis unterbrochen und die Verhandlungen auf einen neuen Sondergipfel Anfang 2013 vertagt, der nun für den 7. und 8. Februar 2013 angesetzt ist und zu einer definitiven Einigung führen soll. Deren Basis ist der von Ratspräsident Herman Van Rompuy kurz vor dem Europäischen Rat im November 2012 präsentierte, um 80 Milliarden gekürzte Plan.
Prominenteste Themen und am meisten umstritten in den bisherigen Verhandlungen sind vor allem die Höhe des gesamten Budgetvolumens, die Struktur der Ausgaben und die Fortführung der bisher gewährten Rabatte für (einige) Nettobeitragszahler. Dabei ist grundlegender Reformbedarf bei Ausgabenstruktur und Rabattsystem in der Wissenschaft und weitgehend auch in den EU-Organen (Europäische Kommission, Europäisches Parlament, Europäischer Rat der Staats- und Regierungschefs) unumstritten. Gleichzeitig wird dieser Reformbedarf aber vor dem Hintergrund ihrer länderspezifischen Interessen in den konkreten Verhandlungen von vielen Repräsentanten der EU-Mitgliedsländer im Europäischen Rat ignoriert.
Das Finanzierungssystem des EU-Budgets scheint dagegen in den bisherigen Verhandlungen wenig thematisiert worden zu sein. Dabei stellt das aktuelle Finanzierungssystem eine der entscheidenden Reformblockaden dar. Seine fundamentale Neugestaltung ist eine zentrale Voraussetzung für die Erreichung eines Verhandlungsergebnisses im Sinne der einzelnen EU-Mitgliedsländer sowie der gesamten EU. Da sich der EU-Haushalt inzwischen weitgehend aus nationalen Beiträgen speist, dominiert eine Fokussierung der Mitgliedsländer auf die monetären Nettorückflüsse aus dem Haushalt, also dem Saldo aus Finanzierungsbeitrag und monetären Rückflüssen aus den einzelnen Politikbereichen (Argarpolitik, Struktur- und Kohäsionspolitik, Forschung und Innovation, etc.).[1] Weitere Nutzenaspekte der EU-Mitgliedschaft jenseits der reinen Finanzströme geraten dagegen als Bewertungs- und Entscheidungskriterium der Mitgliedstaaten in den Hintergrund.[2] Ohne eine Reform des Finanzierungssystems erscheint eine den aktuellen Problemlagen und künftigen ökonomischen und gesellschaftlichen Herausforderungen angemessene Höhe und Struktur der Ausgaben der EU ebenso wenig wahrscheinlich wie die radikale Beseitigung des bestehenden Rabattsystems. Ein weiteres Hindernis für tiefgreifende Veränderungen ist das Erfordernis der einstimmigen Beschlussfassung: Es führt zu einer Präferenz für eine Einigung auf einen Minimalkonsens und zu einer prinzipiell skeptischen Haltung gegenüber ambitionierten Reformvorschlägen.[3]Die Beschränkung auf inkrementelle Änderungen vermeidet dagegen das Risiko, keinen endgültigen Beschluss zustande zu bringen. Dabei wäre eine baldige Einigung der Mitgliedsländer auf ein zukunftsorientiertes EU-Budget ein angesichts der schwächelnden Konjunktur und besonders der hohen Jugendarbeitslosigkeit ein wichtiger ökonomischer Impuls und zudem ein zur Stabilisierung der nach wie nicht vollkommen überwundenen europäischen Schuldenkrise dringend benötigtes Signal der Handlungsfähigkeit der europäischen Politik.

Fragile Konjunktur, hohe Jugendarbeitslosigkeit und langfristige Herausforderungen erfordern höhere und zukunftsorientierte Ausgaben

Der Bedarf an der Unterstützung nationalstaatlicher Politiken durch effektive Politikmaßnahmen auf der EU-Ebene ist zweifelsohne gestiegen. Insbesondere erfordern

  • die Bewältigung der letzten und noch bevorstehenden EU-Erweiterungsrunden
  • die Strukturprobleme der südeuropäischen Peripherieländer
  • die Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise und ihrer Folgen (Rekord-Jugendarbeitslosigkeit, nach wie vor nicht endgültig gelöste „Schuldenkrise“ in einigen hoch verschuldeten EU-Ländern)
  • die zunehmend drängenderen langfristigen Herausforderungen (Aufhalten des Klimawandels und Einleiten der Energiewende, demographischer Wandel, wachsende Einkommens- und Vermögensungleichheit sowie Armutsgefährdung)

gegenüber dem derzeit geltenden Finanzrahmen ein höheres, mindestens aber ein nicht – wie geplant –sinkendes Volumen des EU-Budgets. Bereits der geltende Finanzrahmen 2007 bis 2013 hat ein geringeres Budgetvolumen als der vorhergehende. Das Volumen der verfügbaren Mittel kann somit mit der langfristigen Zunahme von Aufgaben und entsprechendem Finanzierungsbedarf nicht Schritt halten. In diesem Zusammenhang ist der top-Down-Ansatz der EU-Kommission, in ihrem Ausgangsvorschlag für den Finanzrahmen 2014 bis 2020 das Gesamtvolumen des EU-Budgets von vornherein mit etwa 1% des EU-BNE zu deckeln, nicht unproblematisch, da sie eine Einigung auf ein höheres Volumen sehr unwahrscheinlich macht.
Auch ist eine Umstrukturierung der Ausgaben vonnöten, die prononcierter als der vorliegende Entwurf einen Wachstums- und Entwicklungspfad hin zu einem dynamischeren, ökologischeren und sozial inklusiveren Europa unterstützt.[4] Im geltenden Finanzrahmen entfallen auf Agrarpolitik und Strukturfonds zusammen knapp 80% der Ausgaben. Dabei dominiert in der Agrarpolitik (42% der Ausgaben) die strukturkonservierende bzw. vornehmlich auf soziale Ziele (Einkommensstützung) gerichtete erste Säule. Die Struktur- und Kohäsionspolitik (36% der Ausgaben) fokussiert zu stark auf eine traditionelle, materielle (Groß-)Infrastrukturen favorisierende Infrastrukturpolitik. Weniger als 10% des EU-Budgets entfallen dagegen auf Forschung und Innovation. Da gleichzeitig von den Fördermitteln und Subventionen der Agrar- und Kohäsionspolitik in nicht unerheblichem Umfang auch die „reicheren“ EU-Mitgliedsländer profitieren, ist eine gezielte, „treffsichere“ Umverteilung der Mittel hin zu den „ärmeren“ Mitgliedsländern nur eingeschränkt gegeben.
Der derzeit in Verhandlung stehende Entwurf für den Finanzrahmen 2014 bis 2020 sieht zwar eine Reduktion des Ausgabenanteils für die Agrarpolitik (auf etwa 37% der Gesamtausgaben) sowie eine leichte Umschichtung von der ersten Säule hin zur potentiell nachhaltigeren zweiten Säule „Entwicklung des ländlichen Raums“ vor. Für Struktur- und Kohäsionsmittel ist ein etwa gleichbleibender Anteil an den Gesamtausgaben (37%) reserviert. Zusammen sollen Agrar- und Kohäsionspolitik somit immer noch drei Viertel der Gesamtausgaben erreichen. Explizit für Forschung und Innovation sind nach wie vor unter 10% der Ausgaben angesetzt.
Um das EU-Budget stärker als bisher als Instrument eines sozio-ökologischen Wandels in der EU, der über die EU-2020-Strategie hinausgeht und noch stärker auf die Verbindung ökonomischer Dynamik mit ökologischen und sozialen Zielen abzielt, einsetzen zu können, erscheinen folgende Eckpunkte vordringlich:

  • stärkere Reduktion des Gesamtanteils der Agrarausgaben an den Gesamtausgaben, forcierte Umschichtung der Agrarausgaben hin zu einer stärker an ökologischen und beschäftigungspolitischen Zielen orientierten zweiten Säule einer nachhaltigen ländlichen Entwicklung
  • entschiedenes „Greening“ der Direktzahlungen im Rahmen der ersten Säule der Agrarpolitik, d.h. Koppelung eines bedeutenden Teils der Direktzahlungen an die Erfüllung bestimmter ökologischer Leistungen durch die empfangenden Landwirte bzw. Kürzung der übrigen Direktzahlungen bei Nichterfüllung dieser Leistungen
  • stärkere Fokussierung der Kohäsionsmittel auf die „ärmeren“ Mitgliedsländer und entsprechend Reduktion der Fördermittel für die „reicheren“ Mitgliedsländer[5]
  • Stärkere Verknüpfung der Kohäsionsmittel mit klima-, energie- und beschäftigungspolitischen Zielen
  • Koppelung von Kohäsionsmitteln an Anstrengungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Verknüpfung mit den Indikatoren, die im Rahmen der neuen wirtschaftspolitischen Steuerung (makroökonomische Ungleichgewichte) verwendet werden, um eine Verbindung zwischen Eurokrise und EU-Budget herzustellen[6]
  • stärkere Erhöhung des Ausgabenanteils für Forschung und Innovation mit Stärkung ökologischer und sozialer Schwerpunkte

Finanzierungsalternativen zum EU-Budget: eigene Steuereinnahmen für die EU

Seit Ende der 1970er Jahre hat sich die Struktur der Eigenmittel der EU, die die EU-Ausgaben finanzieren, stark verändert. Die traditionellen Eigenmittel (Agrarzölle, Zuckerabgaben, Zölle), die 1979 noch knapp die Hälfte der gesamten Eigenmittel ausmachten, leisten nur mehr einen geringen Finanzierungsbeitrag.[7]
Primäre Finanzierungsquelle des EU-Haushalts sind inzwischen nationale Beiträge aus den Haushalten der EU-Mitgliedsländer. Quantitativ am bedeutendsten sind die 1988 eingeführten BNE-basierten Eigenmittel, deren Beitrag an den gesamten Eigenmitteln inzwischen drei Viertel erreicht hat. Sie bemessen sich als „residuale“ Finanzierungsquelle an der Wirtschaftsleistung der Mitgliedsländer, gemessen am BNE, und werden mit einem für alle Mitgliedsländer identischen Abrufsatz erhoben, der einen Haushaltsausgleich sicherstellen muss und daher jährlich neu fixiert wird. Der Anteil der Mehrwertsteuer-basierten Eigenmittel, die seit 1980 auf eine harmonisierte Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage mit einem Abrufsatz von derzeit 0,3% erhoben werden, ist dagegen von drei Viertel im Jahr 1988 auf gut 10% geschrumpft. Die EU verfügt somit nur mehr über einen geringen Anteil an von nationalen Beiträgen unabhängigen, „echten“ Eigenmitteln.
Die Dominanz der nationalen Beiträge bei der Finanzierung des EU-Budgets verengt die Perspektive der EU-Mitgliedsländer auf die monetären Nettorückflüsse. Sie treffen ihre Einschätzungen und Entscheidungen über Ausgabenhöhe und –struktur vorrangig aufgrund ihres individuellen Saldos aus monetären Einzahlungen und Rückflüssen. Da die EU eine zunehmend heterogene Ländergruppe mit entsprechend heterogenen Interessen darstellt, verschärft eine solche auf länderspezifische monetäre Nutzen bzw. Kosten fokussierte Betrachtungsweise die Streitanfälligkeit des EU-Budgets und erschwert zunehmend eine Kompromissfindung. Sie ist auch eine wesentliche Ursache dafür, dass insbesondere die so genannten Nettozahler-Länder, deren Finanzierungsbeitrag die empfangenen Rückflüsse übersteigt, auf eine Begrenzung des Budgetvolumens drängen. Zudem wird bei den Mitgliedsländern die Tendenz gefördert, jene Ausgabengruppen zu forcieren, die eine Maximierung der individuellen Rückflüsse versprechen, statt eine Ausgabenstruktur zu unterstützen, die einen maximalen Nutzen für die EU insgesamt erwarten lässt. Die Konzentration auf die individuellen nationalen Interessen wird nicht zuletzt unterstützt durch die gestiegene öffentliche Aufmerksamkeit für Fragen der EU-Politik.[8] Die Verteilungsauseinandersetzungen sowie die „Nettozahlerdebatte“ werden zusätzlich verschärft durch die (potentiellen) Belastungen aus den Euro-Rettungsmaßnahmen, die zum größten Teil auf die Eurozonen-Länder entfallen.
Die Finanzierung eines beträchtlichen Teils des EU-Budgets durch eigene Steuereinnahmen der EU stellt sich vor diesem Hintergrund als zentrale Bedingung dar, die bestehende Blockade in den Verhandlungen über den neuen Finanzrahmen aufzulösen und eine Einigung auf eine den aktuellen Problemlagen in der EU entsprechende Ausgabenhöhe und –struktur zu ermöglichen. Konkret würde dies bedeuten, so wie seit längerem von der EU-Kommission forciert (z.B. European Commission, 2004, Europäische Kommission, 2011B), steuerliche Eigenmittel in Form von „EU-Steuern“ zu erschließen und mit den erzielten Einnahmen bestehende Eigenmittelquellen zu ersetzen bzw. zurückzuführen.  Als eigene Steuern für die EU eignen sich insbesondere Steuern[9] auf Bemessungsgrundlagen mit grenzüberschreitenden negativen Externalitäten, die auf nationalstaatlicher Ebene nur unzureichend besteuert werden, sowie Steuern auf mobile Bemessungsgrundlagen, da eine Zentralisierung einen möglicherweise ruinösen Steuerwettbewerb nach unten verhindert. Weitere wichtige Kriterien sind geringe kurzfristiger Volatilität (da die EU kein Verschuldungsrecht besitzt) und langfristige Ergiebigkeit, da mit der zunehmenden europäischen Integration und den wachsenden langfristigen Herausforderungen auch das Aufgabenspektrum und damit der Finanzbedarf der EU wächst. Von Bedeutung sind schließlich die Sichtbarkeit der Steuer, um den Zusammenhang zwischen Steuerzahlungen und Leistungen aus dem EU-Budget sichtbar zu machen, sowie ein enger Zusammenhang zwischen Steuerbemessungsgrundlage (und damit der Steuerbelastung) und dem nationalen Einkommen.
Eine Finanztransaktionssteuer, wie von der Europäischen Kommission seit 2011 stark propagiert (Europäische Kommission, 2011B), dürfte auf Grundlage dieser Kriterien als EU-Steuer gut geeignet sein. Steuern auf grenzüberschreitende Sachverhalte in den Bereichen Klima/Energie (z.B. Steuern auf den Flugverkehr, CO2-Steuer) stellen sich als weitere Finanzierungsoptionen dar, die ebenfalls einen sozio-ökologischen Wandel unterstützen würden. Diese steuerlichen Eigenmittel könnten die Einnahmenausfälle aus der Abschaffung der komplizierten Mehrwertsteuer-basierten Eigenmittel kompensieren. Ergänzend könnten zum Haushaltsausgleich weiterhin BNE-basierte Eigenmittel erhoben werden, die im Vergleich zu den Mehrwertsteuer-basierten Eigenmitteln wesentlich einfacher festzulegen und zu erheben sind, und die die Wirtschaftskraft und damit das Kriterium einer Belastung der Mitgliedsländer entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit stärker berücksichtigen. Da im Gegenzug für zusätzliche Steuern auf der EU-Ebene die nationalen Finanzierungsbeiträge und damit Steuern gesenkt werden können, beinhalten bestimmte EU-Steuern auch einen Hebel zur Verbesserung der Steuerstruktur in den Mitgliedsländern: Nämlich dann, wenn sie – wie die oben angesprochenen Steuern – relativ wachstums- und beschäftigungsfreundlich sind und zudem positive Lenkungseffekte haben, und wenn die Mitgliedstaaten die Entlastung von nationalen Finanzierungsbeiträgen dazu nutzen, wachstums- und beschäftigungsfeindliche Abgaben zu senken.

Abschaffung des Rabattsystems – Beitrag zu einer einfacheren, transparenteren und gerechteren Finanzierung des EU-Budgets

Die primäre Finanzierung des EU-Budgets aus eigenen Steuermitteln würde auch dem bestehenden Rabattsystem den Boden entziehen. Seit Mitte der 1980er Jahre wird Großbritannien jährlich ein Drittel seines Nettobeitrags zurückerstattet, da es zum Zeitpunkt der Einführung dieses so genannten „Briten-Rabatts“ ein relativ niedriges Wohlstandsniveau hatte und als wenig agrarisch geprägtes Land nur wenig von der EU-Agrarförderung profitierte. Dieser Briten-Rabatt wird von den übrigen Mitgliedsländern in Abhängigkeit von der Höhe ihres BNE finanziert. Einigen Nettozahlern wird dabei eine Ermäßigung („Rabatt vom Rabatt“) gewährt, in Form eines reduzierten Abrufsatzes für die Mehrwertsteuer-Eigenmittel von regulär 0,3% (Österreich 0,225%, Deutschland 0,15%, Niederlande und Schweden 0,1%) und teilweise einer Bruttoverminderung ihres jährlichen BNE-Beitrags (um 150 Mio. € für Schweden und um 605 Mio. € für die Niederlande). Dieses Rabattsystem ist erstens komplex und intransparent. Zweitens wird innerhalb der Gruppe der Nettozahler, die 2011 insgesamt elf Mitgliedsländer umfasste, ein Rabatt nur für vier Länder gewährt. Die Abschaffung des kompletten Rabatt-Systems wäre daher ein wichtiges Element einer einfacheren, transparenteren und gerechteren Finanzierung des EU-Budgets.

Aiginger, K., Ederer, S., Schratzenstaller, M., Welfare, Wealth and Work for Europe – WWWforEurope: Eine neue Entwicklungsstrategie für Europa. Zielsetzung des Projektes, Konzeption und Konsortium, in: WIFO Monatsberichte, Nr. 9, 2012, S. 699-705.

Aiginger, K., Huber, P., Firgo, M., Policy Options for the Development of Peripheral Regions and Countries of Europe, WWWforEurope Policy Brief Nr. 2.

Becker, P., Lost in Stagnation. Die Verhandlungen über den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU (2014-2020) und das Festhalten am Status quo, SWP-Studie, Berlin, 2012.

Europäische Kommission, EU-Haushalt 2011. Finanzbericht, Brüssel, 2012.

Europäische Kommission, Ein Haushalt für „Europe 2020“, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, KOM(2011) 500 endgültig, Brüssel, 2011A.

Europäische Kommission, Finanzierung des EU-Haushalts: Bericht über das Funk-tionieren des Eigenmittelsystems, SEK(2011) 876, 2011B.

Pitlik, H., Ausgabenprioritäten im EU-Budget 2007-2013: Die Perspektive des Fis-kalföderalismus, in: WIFO Monatsberichte, Nr. 6, 2006, S. 911-924.

Richter, S., The EU’s Multi-annual Financial Framework for 2014-2020: An Old Construct in a Changed EU?, FIW Policy Note, i.E.Schratzenstaller, M., Berghuber, B., Finanzierungsalternativen zum EU-Budget, in: WIFO Monatsberichte, Nr. 12, 2006, S. 893-910.

1) Vgl. Becker (2012).
2) Vgl. Richter (2013).
3) Vgl. Becker (2012).
4) Die Grundlagen eines sozio-ökologischen Wandels in Europa werden derzeit in einem vom WIFO koordinierten Forschungsprojekt mit dem Akronym WWWforEurope erarbeitet, das im Rahmen des 7. Rahmenprogramms der EU gefördert wird (Aiginger/Ederer/Schratzenstaller, 2012).
5) Vgl. Aiginger/Huber/Firgo (2012).
6) Vgl. Becker (2012).
7) Vgl. zu Details Europäische Kommission (2011B und 2012).
8) Vgl. Becker (2012).
9) Vgl. zum Folgenden im Detail Schratzenstaller/Berghuber (2006).

ISSN 2305-2635

Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen, der Organisation, für die der Autor arbeitet, überein.

Zitation

Schratzenstaller, M. (2013). Eckpunkte eines zukunftsfähigen EU-Budgets. Wien. ÖGfE Policy Brief, 03’2013

Margit Schratzenstaller

Margit Schratzenstaller ist Referentin für Öffentliche Finanzen am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung und Vize-Koordinatorin des, vom WIFO koordinierten, Forschungsprojekts WWWforEurope, das im Rahmen des 7. Rahmenprogramms von der Europäischen Kommission finanziert wird und von 33 Partnern aus 12 EU-Ländern bearbeitet wird (www.foreurope.eu).