Handlungsempfehlungen
- Der angekündigte Rückzug der USA muss für Europa ein Weckruf sein die Gestaltung der Globalisierung selbst in die Hand zu nehmen.
- Europa soll dabei basierend auf seinen Werten, seinem Demokratieverständnis sowie sozialen und ökologischen Zielen die Gesamtrichtung vorgeben aber auch bereit sein von Partnern zu lernen.
- Innerhalb dieses Rahmens stehen den Ländern verschiedene Instrumente zur Verfügung, die dazu genützt werden sollen ihre Ausgangslage und Präferenzen zu berücksichtigen.
Zusammenfassung
Der politische Widerstand gegen die Globalisierung steigt in den Industrieländern. Empirisch ist der positive Gesamteinfluss auf das Wachstum der Weltwirtschaft und die Reduktion der Armut belegbar. Die Wirkungen der Globalisierung sind aber nach Regionen, Berufsgruppen und Ausbildung unterschiedlich und in der Phase verstärkter Globalisierung sind auch Arbeitslosigkeit, Ungleichheit und das Gefühl der Fremdbestimmung gestiegen. Da viele neue Herausforderungen – wie Klimaschutz, oder Sicherheit – nur weltweit lösbar sind und neue nationale Barrieren Wohlfahrtsverluste bedeuten würden, ist es wichtig, Prinzipien zu entwickeln, die die Zustimmung zur Globalisierung und ihre Wohlfahrtseffekte stärken können. Es ist aber auch notwendig, kulturell bedingte Unterschiede in Präferenzen zu respektieren und Globalisierung als Such- und Lernprozess zu verstehen. Instrumente zur Umsetzung der Strategie können teilweise regional unterschiedlich sein. Viele der erarbeiteten Prinzipien sind im europäischen Modell stärker vertreten als in anderen sozioökonomischen Modellen. Dies spricht – neben dem tendenziellen Rückzug der USA aus der Globalisierung und dem Führungsanspruch Chinas – dafür, dass Europa versucht, stärker die Regeln der Globalisierung zu bestimmen. Voraussetzung dafür ist allerdings auch ein Meinungsbildungsprozess innerhalb Europas. Durch eine verantwortungsbewusste Globalisierung kann die Lebensqualität in Europa und bei seinen Partnern weltweit gesteigert werden.
****************************
Die Globalisierung verantwortungsbewusst und europäisch gestalten[1]
Die Neugestaltung der Globalisierung: Europas Aufgabe und Chance
Globalisierung ist für Wirtschaft und Politik ein hoch relevantes Thema und löst in der Bevölkerung starke Emotionen aus. Die Empirie zeigt, dass die Globalisierung überwiegend Vorteile bringt und Umfragen bestätigen, dass dies auch von der Mehrheit der Europäer so gesehen wird (Eurobarometer). Aber Globalisierung bringt für Regionen, Personengruppen und Firmen auch Nachteile. Dies ist besonders dann der Fall, wenn Globalisierung gleichzeitig mit anderen Phänomenen (Technologieentwicklung, Nachfrageschwäche) auftritt und die Wirtschaftspolitik die notwendigen Begleitmaßnahmen versäumt. So kann Globalisierung auch Arbeitslosigkeit und steigende Ungleichheit verursachen. Ungleichgewichte – in der Literatur auch „Disruptionen“ genannt – treten regional und berufsspezifisch konzentriert auf, sind aber nicht immer gleich erkennbar. Weil Globalisierung als fremdbestimmte Kraft empfunden wird, der man hilflos und ungeschützt ausgesetzt ist, fallen die Emotionen und der Widerstand dagegen heftig aus. Nationalistische und populistische Reaktionen sind die Folge. Sie beeinflussen wiederum Wahlergebnisse, stärken illiberale Tendenzen und den Ruf nach Protektionismus.
Da wichtige Probleme wie der Klimawandel oder Wasserknappheit und Sicherheitsfragen nur weltweit gelöst werden können, sollte sich Europa nicht der Globalisierung verschließen, sondern versuchen ihre Regeln stärker mitzubestimmen.
Da wichtige Probleme wie der Klimawandel oder Wasserknappheit und Sicherheitsfragen nur weltweit gelöst werden können, sollte sich Europa nicht der Globalisierung verschließen, sondern versuchen ihre Regeln stärker mitzubestimmen. Der angekündigte Rückzug der USA, die nun von China angestrebte Führungsrolle und Widerstände gegen internationale Handelsabkommen sind für Europa Herausforderung und Chance zugleich, die Globalisierung europäischer zu gestalten, d.h. nach spezifischen europäischen Werten, Demokratieverständnis, sozialen und ökologischen Zielen zu prägen.
Kritik und Widerstand, Meinungswende
In der dritten Phase der Globalisierung (ca. ab 1990) verlagerte sich der Fokus der Kritik an der Globalisierung von der Ausbeutung der Entwicklungsländer auf die Nachteile für die Industrieländer.
Zwei zentrale Ursachen für die skeptischere Beurteilung der Globalisierung und den Ruf nach Protektionismus und Renationalisierung liegen in der steigenden Ungleichheit und der hohen Arbeitslosigkeit.
Zwei zentrale Ursachen für die skeptischere Beurteilung der Globalisierung und den Ruf nach Protektionismus und Renationalisierung liegen in der steigenden Ungleichheit und der hohen Arbeitslosigkeit. Die Einkommens- und Vermögensverteilung innerhalb der Länder ist heute in fast allen Ländern ungleicher als 1990. Die meisten Analysen betonen, dass der Technologieeffekt auf die Spreizung der Einkommensverteilung stärker ist als der Einfluss der Globalisierung. Tatsächlich verstärken sich die Probleme gegenseitig. Arbeitslosigkeit ist regional und sektoral konzentriert, meist in früheren Industriegebieten mit Schwerindustrie, aber auch in Regionen mit einfacher Verarbeitungs- und Zulieferungsindustrie und bei mittleren Qualifikationen. In niedrigqualifizierten Bereichen herrscht trotz extremer Lohnzurückhaltung, und oft über Jahrzehnte sinkenden Reallöhnen, ein Überangebot. Qualifizierte Arbeitskräfte sind – besonders in technischen Berufen – knapp.
Die Problemfelder wurden jedoch auch durch ein gewisses Politikversagen verstärkt. Erstens hat die Wirtschaftspolitik ungenügend auf diese nach der Globalisierungstheorie nicht unerwarteten Tendenzen reagiert: Verlierer wurden nicht entschädigt oder nicht schnell genug requalifiziert. Zweitens ist das Misstrauen gegen den Finanzsektor durch die Finanzkrise dauerhaft gestiegen. Drittens sind die negativen Folgen der Globalisierung sichtbarer als die positiven, weil nationale Politik, Regierungen aber auch Manager und Firmen dazu neigen, Erfolge den eigenen Leistungen, Misserfolge aber nicht beeinflussbaren Faktoren („exogenen Kräften“) zuzuschreiben.
Die aktuell heftig diskutierte Migration kann, wenn sie sich an der Arbeitsnachfrage im Zielland orientiert und der Braindrain durch Lerneffekte oder zirkuläre Migration in Grenzen gehalten wird (Kanduth, 2017), sogar zu positiven Effekten führen. Wenn jedoch Migration durch politische und wirtschaftliche Probleme des Herkunftslandes ausgelöst wird und Ungleichgewichte verschärfen (z.B. Überhang der gering Qualifizierten im Zielland) sowie Wirtschaftspolitik schon vorher zu wenig zur Requalifizierung beigetragen hat, können negative Effekte überwiegen. Sie werden durch Medien und populistische Parteien verzerrt dargestellt. Zu wirtschaftlichen Befürchtungen kommt die Angst vor einem kulturellen Identitätsverlust.
Prinzipien für eine verantwortungsbewusste Globalisierung mit europäischer Prägung
Eine verantwortungsbewusste Gestaltung der Globalisierung, ausgehend von europäischen Werten und Zielen, ist nötig, um den Prozess der Wohlstandsoptimierung fortsetzen zu können und die radikal populistische Opposition zu bremsen. Nachfolgend werden sieben Prinzipien genannt, die als Grundlage für Verhandlungen und Abkommen mit globalen Partnern dienen sollen. Europa soll auch von seinen Partnern lernen, da die Prinzipien realistischer Weise nicht alleine umgesetzt werden können. Die vorgeschlagenen Prinzipien sollen Menschenrechte, Gendergleichheit und Demokratie forcieren und die Grenzen des Planeten respektieren.
Prinzip 1: Die Globalisierung ist kein Ziel an sich, sondern muss an ihrem Beitrag zur Erhöhung von Lebensqualität und Weltfrieden beurteilt werden.
Ob ein bestimmter Globalisierungsgrad – weltweit, für einzelne Regionen oder Länder – positiv ist, ist auf Basis von Zielen, Indikatoren und Kosten-Nutzen-Analysen zu beurteilen.
Prinzip 2: Die Globalisierung soll den Handlungsspielraum von Individuen und Ländern erhöhen, ihre wirtschaftspolitische Begleitung soll bottom up Elemente einbeziehen.
Globalisierung soll so gestaltet werden, dass sie Personen, Firmen und Länder befähigt eigene Entscheidungen zu treffen. Individuelle Wahlmöglichkeiten sind eine wichtige Komponente der Lebensqualität.
Prinzip 3: Die Globalisierung erfolgt in einer offenen Weltwirtschaft durch Arbeitsteilung und neue Technologien. Die politische Begleitung ist dafür entscheidend, ob soziale und ökologische Herausforderungen besser bewältigt werden.
Die Unterschiedlichkeit und Vielfalt der Ziele erfordern einen simultanen Ansatz: „Silostrategien“, die je nur ein Problem ohne Berücksichtigung anderer Ziele forcieren, sind ineffizient und teuer.
Prinzip 4: Das Tempo der Veränderungen, Unterschiede nach Qualifikationen und Berufen erfordern, dass die Verlierer der Globalisierung entschädigt werden oder noch besser dazu befähigt werden, in die Gewinnergruppe umzusteigen.
Langfristig muss das Bildungs- und Ausbildungssystem auf den absehbaren strukturellen Wandel vorbereiten. Kurzfristig sind Veränderungen (z.B. durch Standortverlagerungen großer Firmen) nicht immer absehbar und sie treten oft regional geballt auf. Daher sind Umschulungsmaßnahmen zu verstärken. Die Gewinner der Globalisierung sollen einen Anreiz haben bei Veränderung von Qualifikationen und Regionalstruktur mitzuwirken (Bayer, 2017). Beiträge zur Umschulung der Verlierer in den Industrieländern und Verbesserungen des Schul- und Ausbildungssystems sowie die Schaffung inländischer Unternehmen in den Schwellenländern sollen steuerlich begünstigt werden. Zufallsgewinne können durch progressive Besteuerung, Verbot des Gewinntransfers in Steueroasen oder stärkere Anreize zur investiven Verwendung der Gewinne begrenzt werden.
Prinzip 5: Der Beitrag der Globalisierung zur Verbesserung der Lebensqualität muss laufend an den Komponenten (Funktionen), die sie generieren, gemessen werden, damit sie genügend beachtet aber auch an nationale Präferenzen angepasst werden können (functionality approach).
Lebensqualität ist ein besseres Erfolgsmaß für Gesellschaften als das Bruttoinlandsprodukt oder das Wachstum. Es müssen aber die Komponenten definiert werden, die zur Lebensqualität beitragen (etwa durch Better Life Indikatoren).
Prinzip 6: Europa soll verstärkt seine Werte in die Globalisierung einbringen, aber auch von anderen Regionen lernen, da Vielfalt ein wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Vorteil ist.
Europa war bisher kein Gestalter der Globalisierung. Mit dem abnehmenden Anteil der Industrieländer insgesamt (und Europas im Besonderen) an der Weltbevölkerung, konkurrieren in einer multipolaren Welt unterschiedliche Wertesysteme. Die USA hatten bisher über internationale Organisationen und multinationale Konzerne einen großen Einfluss, China versucht zunehmend diese Rolle einzunehmen. In dieser Situation sollte Europa versuchen, gesellschaftliche Werte wie Demokratie und Menschenrechte, aber auch soziale Ambitionen und ökologische Exzellenz stärker einzubringen.
Prinzip 7: Gemeinsames Handeln generiert Wohlfahrt und wirtschaftlichen Erfolg, nationale Alleingänge zu Lasten anderer Regionen sind bestenfalls kurzfristig erfolgreich.
Verantwortungsbewusste Globalisierung ist kein Nullsummenspiel, in dem einer gewinnt was der andere verliert, sondern hat das Ziel der Verbesserung der Lebensqualität bei allen Partnern.
Instrumente einer Globalisierung mit europäischem Stempel
Zur Umsetzung der sieben Prinzipien werden in diesem Abschnitt 16 Instrumente vorgestellt. Dabei müssen nicht alle zur selben Zeit bzw. in derselben Intensität implementiert werden. Vielmehr sollen die jeweiligen Länder nach ihren nationalen Präferenzen erörtern, welche Instrumente für sie am geeignetsten sind, um ihren individuellen Weg zur Erreichung der für alle Länder geltenden Prinzipien festzulegen.
- Neues Performance Kriterium: Beyond GDP Ziele oder die UN Agenda für nachhaltige Entwicklung (SDG Goals) lösen das BIP und sein Wachstum als alleiniges Erfolgsmaß für wirtschaftliche Aktivitäten ab.
- Gestaltungsauftrag ohne Zentralismus: Die Europäische Wirtschaftspolitik setzt Rahmenbedingungen, die den Handlungsspielraum der Länder und Regionen für soziale und ökologische Ziele erweitern und lokale Initiativen ermöglichen.
- Arbeitslosigkeit und Ungleichheit reduzieren: Die Belastung des Faktors Arbeit durch Abgaben wird besonders für niedrige Einkommen gesenkt, die Steuern auf Tätigkeiten mit negativen gesellschaftlichen externen Effekten (Alkohol, Tabak) werden hingegen erhöht.
- Umstellung auf ein investives Sozialsystem: Die Sozialausgaben werden von der nachträglichen Unterstützung bei Arbeitslosigkeit zu sozialen Investitionen (im Ausbildungssystem, beginnend mit frühkindlicher Erziehung) umgeschichtet.
- Zukunftsorientierung der Ausgaben: Die Staatsausgaben werden auf Investitionen in die Wohlfahrtssteigerung und Verbesserung der Lebensbedingungen umgeschichtet.
- Umlenkung des technischen Fortschrittes: Der Fokus des technischen Fortschritts wird von arbeitssparend zu energie- und rohstoffsparend umgelenkt. Europa strebt die Technologieführung in erneuerbarer Energie und kohlenstoffarmen Technologien an.
- Kostenwahrheit für ökologische Schäden: Die Umweltfolgen von Produktion, Handel und Konsum werden im Preissystem wiedergegeben, sodass sie bei Investitions- und Konsumentscheidungen mitberücksichtigt werden können.
- Symmetrische Flexibilität: kurzfristige Flexibilität bei der Arbeitszeit ist ein Vorteil für Firmen, als Kompensation soll es den Beschäftigten möglich sein, die durchschnittliche Arbeitszeit an der Work Life Balance zu orientieren.
- Abstimmung der Agenda internationaler Organisationen: Statt isoliert zu handeln, bündeln die internationalen Organisationen ihre Aktivitäten zur zukunfts- und wohlfahrtsorientierten Gestaltung der Globalisierung.
- Neuer Typ von Handelsverträgen: das Ziel von Handelsverträgen ist die Erfüllung gesellschaftlicher Ziele. Sie müssen die Heterogenität der Vertragspartner berücksichtigen; Standards sollen tendenziell nach oben angeglichen werden.
- Schiedsgerichte in den Rechtsrahmen einbauen: zeitnahe Entscheidungen bei Handelskonflikten sind notwendig, müssen aber im Rahmen der Rechtsordnung stehen und Berufungen an ordentlichen Gerichten ermöglichen.
- Umweltkodex für multinationale Unternehmen: die Nutzung der besten Technologie sollte ein Grundsatz bei Investitionen in Drittländern sein, so wie Sozialchartas Prinzipien im Sozialbereich definiert haben.
- Investitionen Europas in die Nachbarregionen: Investitionen in (außereuropäische) Nachbarzonen werden intensiviert und tragen zu deren Stabilisierung und Wachstum bei.
- Wissenstransfer und Lernen: Kulturelle Spannungen zwischen Nachbarn mit unterschiedlicher Tradition, Gesellschaftssystem, Demokratieverständnis und Religion werden aktiv durch Kommunikation, Schüleraustausch, Stipendien und zirkuläre Migration gemildert.
- Neuer Typ von Migration: Die heutigen Migrationsströme sind weniger von der wirtschaftlichen Nachfrage in den Zielländern geprägt als von Konflikten im Herkunftsland. Diese erhöhen den Integrationsaufwand und mobilisieren Ablehnung und die Gefahr der Errichtung von Zäunen.
- Zielkorrektur und Transparenz im Finanzsystem: Das Finanzsystem unterstützt die Globalisierung. Sein Einfluss muss stabilisiert und seine Anbindung an Wohlfahrtsziele durch ein ethisches Labelling (Kennzeichnung) gestärkt werden.
Umsetzungsbedingungen und Zusammenfassung
Eine stärkere Rolle Europas in der Gestaltung der Globalisierung hat Vorbedingungen und wird auch auf Widerstände stoßen. Zu den Vorbedingungen gehört ein Meinungsbildungsprozess, in dem Vorteile als auch Probleme diskutiert werden. Dabei muss die unterschiedliche Ausgangslage in den europäischen Ländern mit einbezogen werden. Die hier vorgenommene Trennung in Prinzipien und Instrumente sollte das erleichtern. Das Reflexionspapier der EU Kommission zur Globalisierung (Europäische Kommission, 2017) zeigt, dass die Bedeutung der Globalisierung für die Strategieentwicklung Europas erkannt wurde, es ist jedoch zu wenig präzise und radikal und seine Publikation blieb praktisch unbeachtet. Das Reflexionspapier über die Soziale Säule, betont den Schutz bestehender Strukturen und vernachlässigt Empowerment und soziale Investitionen, es ist also ein typisches Silopapier mit hoher Belastung von staatlichen Sicherungssystemen. Ein Reflexionspapier über eine Klimastrategie Europas, die gleichzeitig Dynamik und Arbeitsplätze bringt, ist nicht geplant.
Ein gemeinsamer Beschluss des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Rates, in dem der Gestaltungswille Europas dokumentiert wird und Prinzipien der verantwortungsbewussten Globalisierung festlegt werden, wäre sinnvoll.
Ein gemeinsamer Beschluss des Europäischen Parlaments, der Kommission und des Rates, in dem der Gestaltungswille Europas dokumentiert wird und Prinzipien der verantwortungsbewussten Globalisierung festlegt werden, wäre sinnvoll. Diese Strategie sollte in nationalen und im europäischen Parlament diskutiert werden. Sozialpartner, NGO´s, aber auch Konsumenten- und Umweltorganisationen sowie die Jugend und PensionistInnen müssen einbezogen werden. Globalisierung muss mit der Strategie zur Verbesserung der Lebensbedingungen in Einklang gebracht werden.
Europa sollte die Ideen zur verantwortungsbewussten Globalisierung in die internationalen Gremien einbringen und die Zusammenarbeit internationaler Organisationen in der neuen Gestaltung der Globalisierung anregen und forcieren. Dies ist durch den wahrscheinlichen Ausstieg der USA nach den Regeln internationaler Organisationen (WTO, „rule and market based globalisation“) nicht leicht. Die oft sehr unterschiedlichen Vorstellungen Chinas, die auch durch beachtliche Investitionen untermauert sind, müssen in die Strategie integriert werden. Die Strategie sollte auch unbedingt unter Einbezug anderer Partner wie z.B. Kalifornien, Australien, Mexiko und Indien entwickelt werden. Sie darf und soll nicht isoliert gesehen werden, sondern mit der Strategie zur Stärkung der Dynamik und Reduktion von Arbeitslosigkeit und Ungleichheit verbunden werden. Nur wenn das europäische Wirtschaftssystem als fair empfunden wird und das Vertrauen in europäische Institutionen hoch ist, kann eine globale Initiative glaubwürdig sein.
Der Gestaltungswille muss konsistent und dauerhaft sein und darf nicht durch wechselnde Prioritäten und Rahmenbedingungen entwertet werden. Wenn zum Beispiel ein Ausstieg aus fossiler Energie geplant ist, darf es gleichzeitig dafür keine Subventionen geben. Ein Emissionshandelssystem sollte weltweit durchgezogen werden, z.B. mit einem steten absehbaren Anstieg der Preise für CO2-Emissionen.
Eine verantwortungsbewusste Gestaltung der Globalisierung – unter Einbeziehung sozialer, gesundheitlicher und ökologischer Ziele – ist ein Suchprozess unter Unsicherheit und mit „Trial and Error“ verbunden. Sie stärkt aber wirtschaftliche Dynamik und Lebensqualität und hilft die Vielfalt der Kulturen zum gegenseitigen Vorteil zu nutzen.
[1] Danke für Kritik an Kurt Bayer, Harald Oberhofer, Peter Szopo und Gunther Tichy. Ohne Mitarbeit von Rainer Brunnauer, Christoph Breinschmid, Dagmar Guttmann, Vanessa Koch, Irene Langer, Alina Pohl, Stefan Schaller, Stefan Schleicher und Franz Sinabell wäre diese Analyse nicht möglich gewesen. Flash Papers, die dieser Analyse zugrunde liegen, haben Kurt Bayer, Heinz Handler und Anna Kanduth geschrieben.
- Aiginger, K., Bärenthaler-Sieber, S., Vogel, J., Competitiveness under New Perspectives. WWWforEurope Working Paper no 44, October 2013.
- Aiginger, K., Vogel, J., “Competitiveness: from a misleading concept to a strategy supporting Beyond GDP goals”, Competitiveness Review: An International Business Journal, Vol. 25 (5), 2015, pp. 497-523.
- Aiginger, K., New Dynamics for Europe: Reaping the Benefits of Socio-ecological Transition. Executive Summary, Vienna, Brussels, 2016 (see http://Synthesis-Summary.foreurope.eu).
- Aiginger, K., Wie ein starkes Europa mehr nationalen Spielraum schaffen könnte, Querdenkerplattform: Wien – Europa, Policy Brief 1/2017, Wien.
- Aiginger, K., Europa zwischen Globalisierung und Renationalisierung, Querdenkerplattform: Wien – Europa, Working Paper 2/2017, Wien.
- Aiginger, K., How a strong Europe could create more national scope of action, Policy Crossover Center: Vienna – Europe, Flash Paper 1/2017, Vienna.
- Bayer, K., Wie könnte „gute“ Globalisierung aussehen, ÖGFE Policy Brief 26/2016.
- Bayer, K., Globalisierung gestalten! Policy Crossover Center: Vienna – Europe, Flash Paper 4/2017, Vienna.
- Bayer, K., Keine falschen Alternativen; Globalisierung muss gestaltet werden gestalten! Policy Crossover Center: Vienna – Europe, Flash Paper 2017, Vienna.
- Becker J., Jäger, J. Leubolt, B., Weissenbacher, R., Peripheral Financialisation and Vulnerabiltiy to Crisis, Competition and change, vol 14, no 3-4, December 2010.
- Bevins, V., To Understand 2016’s Politics, Look at the Winners and Losers of Globalization, An interview with Branco Milanovich, December 20, 2016.
- Caux Round Table, Principles for Responsible Globalization, December 2002.
- Cœuré, B., Sustainable Globalisation: Lessons from Europe, Speech on the Workshop: “Financial globalization and its spillovers – monetary and exchange rate policy in times of crises”, Special public event “25 Years after Maastricht: The Future of Money and Finance in Europe”, Maastricht, 16 February 2017.
- Darvas, Z., Wolff, G.B., An anatomy of inclusive growth in Europe, Bruegel Blueprint Series 26, 2016.
- Eurobarometer Umfragen, http://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/index.cfm.
- Europäische Kommission, Reflection paper on harnessing globalisation, Brussels 2017.
- Gordon, R.J., The Economics of Secular Stagnation, Secular stagnation: A Supply-Side View, American Economic Review: Papers & Proceedings, 105(5) 2015, pp. 54-59.
- Handler, H., How should Europe React to US Corporate Tax Reform Plans?, Policy Crossover Center: Vienna – Europe, Flash Paper 2/2017, Vienna.
- Internationale Arbeitsorganisation Genf, Eine faire Globalisierung: Die Rolle der IAO, Weltkommission für die soziale Dimension der Globalisierung, 92. Tagung, 2004.
- Jackson, T., Drake, B., Victor, P., Kratena, K., Sommer, M., Literature review and model development, Issue 65, August 2014.
- Kanduth, A., Wie soll Europa auf die Einschränkung der Arbeitsvisa in den USA reagieren?, Policy Crossover Center: Vienna – Europe, Flash Paper 3/2017, Vienna.
- Leipziger, D., Make globalization more inclusive or suffer the consequences, Vox, 8 December, 2016.
- Milanovic, B., Global Inequality: A New Approach for the Age of Globalization, The Belknap Press of Harvard University Press, ISBN 9780674737136, 2016.
- OECD Economic Outlook No 93 – Long-term baseline projections, June 2013.
- Roach, S.S., A World turned Inside Out, Project Syndicate 30.04.2017.
- Rodrik, D., There is no need to fret about deglobalisation, Financial Times October 4, 2016.
- Sapkota, J. B., Globalization and human aspects of development in developing countries: evidence from panel data, Journal of globalization Studies, vol 2, no 1 May 2011.
- Stanga, N. I., Der Zusammenwirken von Ökonomie und Institutionen für Wohlfahrtsgewinne, Dissertation, WU-Wien, 2017.
- Stattmann, J., Finanzialisierung in Kolumbien, Masterarbeit, Universität Wien, 2017.
- Stockhammer, E., The finance-dominated growth regime, distribution, and the present crisis, WU Department of Economics, Working Paper 129, 2009.
- Summers, L.H., The Age of Secular Stagnation – What It Is and What to Do About It, Foreign Affairs, March/April 2016.
- Tsai, M.C., Does globalization affect Wellbeing? ISA World Conference of Sociology, Durban, 2006.
- United Nations, The Millennium Development Goals Report 2015.
- Flash Papers die dieser Analyse zugrunde liegen, haben Heinz Handler, Anna Kanduth und Kurt Bayer geschrieben.
ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die der Autor arbeitet, überein.
Hinweis
Dieser Policy Brief ist in Kooperation mit der Querdenkerplattform Wien – Europa (www.querdenkereuropa.at) entstanden.
Eine Langversion können Sie als „QD-Policy Brief 2/2017“ hier bzw. als „Langfassung – ÖGfE Policy Brief 18‘2017“ hier downloaden.
Zitation
Aiginger, K. (2017). Die Globalisierung verantwortungsbewusst und europäisch gestalten. Wien. ÖGfE Policy Brief, 18’2017