Welche Lehren wir aus „right2water“ ziehen müssen!
Handlungsempfehlungen
- Die Europäische Kommission sollte verpflichtet werden, die InitiatorInnen einer formal erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative in einem “Follow-Up”-Prozess zur Umsetzung der Ziele aktiv miteinzubinden und ab einer bestimmten Unterschriftenzahl einen Legislativvorschlag zu unterbreiten.
- Die Kosten einer formal erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative sollten zumindest teilweise an die InitiatorInnen rückerstattet werden, um das Instrument insgesamt attraktiver und für alle UnionsbürgerInnen leichter zugänglich zu machen.
- Es bedarf einer EU-weiten Harmonisierung der rechtlichen Bestimmungen zur Unterschriftensammlung und -abgabe, sowie zur Öffnung der Europäischen Bürgerinitiative für in der EU lebende Nicht-EU-BürgerInnen, um die Partizipationschancen zu maximieren.
Zusammenfassung
Die Europäische Bürgerinitiative ist ein Instrument zur direkt-demokratischen Teilhabe von UnionsbürgerInnen auf europäischer Ebene. Damit kann insbesondere die formale Agenda der EU-Kommission bestimmt werden, jedoch ergeben sich auch weiterführende Partizipationschancen im EU-Policy-Prozess. Der hohe Ressourcenaufwand lässt darauf schließen, dass vor allem finanzkräftige und gut vernetzte zivilgesellschaftliche Organisationen die Initiierung und Durchführung effektiv übernehmen können.
Am Fallbeispiel „right2water“ zeigt sich, dass die Kernziele einer Europäischen Bürgerinitiative zwar nur schwer durchzusetzen sind, aber dennoch eine Vielzahl an indirekten politischen Auswirkungen auf europäischer und auch nationaler Ebene erwirkt werden können. So wurde beispielsweise die Herausnahme des Wasserbereichs aus der so genannten „Konzessionsrichtlinie“ erkämpft. Außerdem hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation zur Trinkwasserrichtlinie durchgeführt. Nicht zuletzt, wurde in der griechischen Stadt Thessaloniki ein Referendum zur drohenden Privatisierung der städtischen Wasserversorgung durchgeführt. Dieser Policy-Brief analysiert die erzielten politischen Auswirkungen von „right2water“ und gibt darauf basierend Empfehlungen für zukünftige Optimierungen der Europäischen Bürgerinitiative ab.
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Die Europäische Bürgerinitiative als neues direkt-demokratisches Werkzeug?
Welche Lehren wir aus „right2water“ ziehen müssen!
2. Entstehungskontext und politisch-rechtliche Rahmenbedingungen
Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009 wurde die Europäische Bürgerinitiative (EBI) ins Leben gerufen, wobei noch mehr als zwei Jahre vergingen, ehe seit 1. April 2012 die EU-Verordnung 211/2011 die genaue Ausgestaltung des gültigen Modells festlegt (vgl. Europäische Union 2011).
Seit Inkrafttreten der Umsetzungsverordnung 211/2011 wurden über 50 EBIs gestartet, wobei die Kommission lediglich ca. 50% dieser eingereichten Initiativen als formal zulässig akzeptierte. Davon haben wiederum nur drei[1] die notwendigen Unterschriften sammeln können. Folglich ist der Großteil der lancierten EBIs bereits an den in der Umsetzungsverordnung festgelegten Kriterien zur formalen Zulässigkeit gescheitert oder aber es konnten nicht genug Unterstützungserklärungen eingeholt werden (vgl. Luger 2015). Keine der drei Initiativen hat zum von den InitiatorInnen angestrebten Legislativvorschlag geführt.
Die historisch erste quantitativ erfolgreiche Initiative trägt den offiziellen Namen „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist ein öffentliches Gut und keine Handelsware!” (kurz: „right2water“). Bis dato gab es nur wenige ähnliche Teilhabemöglichkeiten von BürgerInnen bei Politikformulierungsprozessen auf europäischer Ebene, wie beispielsweise die Petition an das Europäische Parlament oder auch die öffentlichen Online-Konsultationsverfahren der Kommission (vgl. Maurer; Vogel 2009).
Für eine Europäische Bürgerinitiative gilt ein doppeltes Quorum: Wenn für ein jeweiliges Anliegen insgesamt mindestens eine Million Signaturen europaweit gesammelt und gleichzeitig in wenigstens einem Viertel aller Mitgliedstaaten die per EU-Verordnung festgesetzten nationalen Stimmhürden bezwungen werden, kann eine Initiative der Kommission unterbreitet werden (vgl. Europäische Union 2011).
Daraufhin ist die Europäische Kommission verpflichtet, die InitiatorInnen öffentlich anzuhören und ihnen binnen drei Monaten eine Antwort bezüglich ihrer Forderungen zu unterbreiten. Laut EBI-Umsetzungsverordnung „legt sie [Anm.: die Kommission] innerhalb von drei Monaten in einer Mitteilung ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen zu der Bürgerinitiative sowie ihr weiteres Vorgehen bzw. den Verzicht auf ein weiteres Vorgehen und die Gründe hierfür dar”. Insofern muss auf eine das doppelte Quorum überspringende Bürgerinitiative nicht notwendigerweise ein EU-Rechtsakt folgen. Vielmehr können BürgerInnen die Kommission lediglich dazu auffordern, im Bereich der Forderungen einer EBI eine EU-Gesetzesinitiative zu starten.
2. Was „kann“ die Europäische Bürgerinitiative?
Die Europäische Bürgerinitiative wurde als ein Instrument konzipiert, welches die demokratische Einbindung der Interessen der BürgerInnen in der Europäischen Union verbessern soll.
Daraus ergeben sich am Fallbeispiel von „right2water“ zwei Kernfragen:
- Welche Neuerungen bringt die Europäische Bürgerinitiative bei der politischen Partizipation von BürgerInnen auf europäischer Ebene?
- Wie erfolgreich wird dieses Teilhabepotential bei „right2water” genützt und wie zufrieden sind die InitiatorInnen?
Die EBI kann als Werkzeug zum Benennen politischer Probleme und zum Setzen der selbigen auf die Agenda der EU-Institutionen verwendet werden. Dabei ist vor allem zu beachten, dass UnionsbürgerInnen ihre Anliegen mithilfe der EBI sowohl auf die formale Agenda der politischen Entscheidungsinstanzen, in diesem Fall der Europäischen Kommission, wie auch auf die öffentliche Agenda (Massenmedien und Fachöffentlichkeit) setzen können. Das Recht für UnionsbürgerInnen, bei Erfüllung der formalen Kriterien erstmals selbst aktiv die Themensetzung auf europäischer Ebene zu bestimmen, kann als große Neuerung angesehen werden (vgl. Luger 2015).
Durch die EBI ist auch die Mitwirkung an Entscheidungsfindungsverfahren in der Politikformulierungsphase des EU-Policy-Prozesses möglich und zwar in Gestalt der Anhörung bzw. dem Treffen mit der Kommission. Diese Beteiligungschance bezieht sich aber nicht auf die formale Adaption bestimmter politischer Forderungen, sondern lediglich auf ein Mitspracherecht in der Entwicklung von Handlungsoptionen. Das manifestiert sich unter anderem in der öffentlichen Anhörung der InitiatorInnen und dem persönlichen Treffen mit der Kommission. Mitsprache durch die EBI bedeutet folglich nicht das Erlangen von Entscheidungskompetenzen (vgl. Luger 2015).
Mitsprache durch die EBI bedeutet nicht das Erlangen von Entscheidungskompetenzen.
Außerdem kann die EBI als Kontrollinstrument bei der Evaluierung bestimmter bereits implementierter Programme für BürgerInnen ein Mittel sein, ihre Sicht der Dinge darzulegen. Mitwirkung bei der Evaluierungsphase des Policy-Zyklus kann aber in abgeleiteter Form auch bedeuten, dass BürgerInnen die Umsetzung der von ihnen selbst mithilfe der EBI thematisierten Anliegen kritisch beleuchten. Eine jeweilige Initiative endet also nicht nach der öffentlichen Anhörung, sondern startet einen Prozess, bei dem BürgerInnen die (Nicht)Implementierung ihrer Forderungen kritisch weiterverfolgen (vgl. Luger 2015). Wenngleich UnionsbürgerInnen der Kommission nicht „auf Augenhöhe” entgegentreten können, da diese die letztendliche Befugnis für Gesetzesinitiativen nicht abtritt, können sie jedoch zumindest den direkten Kontakt und die unmittelbare Interaktion mit ihr erzwingen.
Vor allem aufgrund der ressourcenintensiven Organisation und Durchführung einer Bürgerinitiative kann davon ausgegangen werden, dass dieses Instrument eher von europaweit stark vernetzten zivilgesellschaftlichen Akteuren, als von „einfachen“, nicht in zivilgesellschaftlichen Verbänden organisierten EU-BürgerInnen verwendet werden kann.
Zweitens offenbart die genauere Analyse des derzeitigen Modells einen weiteren wichtigen Aspekt: Vor allem aufgrund der ressourcenintensiven Organisation und Durchführung einer Bürgerinitiative kann davon ausgegangen werden, dass dieses Instrument eher von europaweit stark vernetzten zivilgesellschaftlichen Akteuren, wie beispielsweise Gewerkschaften oder großen Nichtregierungsorganisationen, als von „einfachen“, nicht in zivilgesellschaftlichen Verbänden organisierten EU-BürgerInnen verwendet werden kann. Gewerkschaften und NGOs haben bereits einen vergleichsweise direkteren und besseren Zugang zu Abgeordneten im Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission und dem Rat der EU. Insofern kann die Europäische Bürgerinitiative zivilgesellschaftlichen Organisationen als ein zusätzliches, direkt-demokratisches Werkzeug dienlich sein.
In anderen Worten: Der hohe organisatorische Aufwand einer Initiative deutet auf eine mögliche Arbeitsteilung hin. Während finanzkräftige zivilgesellschaftliche Akteure Initiativen in für sie relevanten Bereichen starten, organisieren und damit die Themenführerschaft übernehmen, tritt die breite Masse der UnionsbürgerInnen eher nur als UnterzeichnerInnen der jeweiligen Forderungen in Erscheinung. Dieser Befund geht einher mit der grundsätzlichen Entwicklung, dass zivilgesellschaftliche Organisationen die Rolle eines „Transmissionsriemens” ausüben, und in dieser Funktion die Interessen von BürgerInnen kanalisiert auf europäischer Ebene vertreten (vgl. Kohler-Koch; Quittkat 2011 / Luger 2015).
Drittens bindet die Europäische Bürgerinitiative politische Partizipation auf europäischer Ebene noch stärker an den Besitz der UnionsbürgerInnenschaft. Innerhalb der Europäischen Union lebende Personen ohne StaatsbürgerInnenschaft eines EU-Mitgliedslandes können eine EBI weder unterzeichnen noch initiieren.
Insgesamt deutet eine Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen und des politischen Potentials der Europäischen Bürgerinitiative im Vergleich zu anderen Teilhabekanälen auf europäischer Ebene also darauf hin, dass von der EBI keine tiefgreifenden Verbesserungen der Partizipationschancen aller in der EU lebenden BürgerInnen zu erwarten sind.
Es existiert aber auch noch die Möglichkeit, dass die EBI unbeabsichtigte Auswirkungen haben könnte. Bei großer medialer Aufmerksamkeit für eine bestimmte Kampagne könnten auch andere EU-EntscheidungsträgerInnen, wie beispielsweise Abgeordnete zum Europaparlament, sich veranlasst sehen, für oder gegen die postulierten Ziele Position beziehen zu müssen. Insofern könnten die Forderungen einer Initiative trotz Ablehnung durch die Kommission beispielsweise im EU-Parlament oder auch auf nationalstaatlicher Ebene erneut aufgegriffen werden.
Insofern könnten die Forderungen einer Initiative trotz Ablehnung durch die Kommission beispielsweise im EU-Parlament oder auch auf nationalstaatlicher Ebene erneut aufgegriffen werden.
3. Fallbeispiel „right2water“: Ein Gewerkschaftsprojekt
Bei „right2water” haben Gewerkschaften federführend die Initiative ergriffen und aktiv die Unterstützung anderer zivilgesellschaftlicher Organisationen bzw. der EU-Bevölkerung für ihre Anliegen gesucht. Anhand dieses Fallbeispiels wird aber augenscheinlich, dass mithilfe der EBI nur schwerlich konkrete politische Forderungen umgesetzt werden können, da die Umsetzungsverordnung die Kommission nicht zur direkten Umsetzung der Forderungen einer EBI zwingt.
Die InitiatorInnen von „right2water” hatten drei Kernziele:
1) Die Kommission soll eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel starten, das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung auf europäischer Ebene zu verankern.
2) Der gesamte Bereich der Wasserwirtschaft soll von den Liberalisierungsbestrebungen im Rahmen des EU-Binnenmarkts ausgenommen werden.
3) Die EU soll auf globaler Ebene mehr Anstrengungen unternehmen, um allen Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitärer Grundversorgung zu ermöglichen.
Zwei von drei Hauptforderungen wurden de facto nicht erfüllt. So hat die Kommission erstens keine Gesetzesinitiative zur Verankerung des Menschenrechts auf Wasser gestartet. Zweitens unterliegen sowohl die Trinkwasserversorgung, als auch die Bewirtschaftung der Wasserressourcen grundsätzlich weiterhin den EU-Binnenmarktregeln. Bezüglich der dritten Forderung hinsichtlich des universellen Zugangs zu sauberem Trinkwasser und einer funktionierenden Sanitärversorgung sicherte die Kommission aber zu, verstärkte Anstrengungen auf globaler Ebene zu unternehmen (vgl. EGÖD 2014).
Diese Europäische Bürgerinitiative hat aber dennoch eine Reihe handfester politischer Konsequenzen mit sich gebracht. Die InitiatorInnen haben erfolgreich im Europäischen Parlament dafür geworben, den Wasserbereich aus der so genannten „Konzessionsrichtlinie“ herauszunehmen, da mit deren Umsetzung weitere Liberalisierungsbestrebungen zu befürchten waren. Des Weiteren hat die Kommission eine öffentliche Konsultation zur Trinkwasserrichtlinie lanciert und ein Treffen der InteressensträgerInnen aus dem (Ab)wasserbereich bezüglich der Richtwerte für Wasserqualität und –dienstleistungen organisiert (vgl. Europäische Kommission 2014).
Neben diesen konkreten politischen Folgewirkungen war für die InitiatorInnen von „right2water” auch von entscheidender Bedeutung, überhaupt als erste eine Europäische Bürgerinitiative organisiert zu haben, welche formal erfolgreich war. Niemand zuvor hatte das doppelte Quorum erreicht, eine Antwort der Kommission auf das vorgetragene Anliegen erhalten bzw. das Recht auf eine öffentliche Anhörung im EP und ein persönliches Treffen mit den zuständigen Generaldirektionen der Kommission erkämpft. Aus dieser Perspektive haben die Akteure von „right2water” das volle politische Partizipationspotential der EBI genützt.
[zitat inhalt=”Nicht zuletzt zeigt „right2water“, dass das politische Potential dieses direktdemokratischen Partizipationskanals insbesondere in der Chance für die InitiatorInnen liegt, ihre eigene Reputation zu stärken und damit eine gute Ausgangsbasis für weitere politische Kämpfe auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene aufzubauen.”]
Zusammengefasst birgt dieses Instrument für UnionsbürgerInnen die Chance, ein Thema auf die formale Agenda der EU zu setzen und europaweite Diskussionsprozesse zu starten. Nicht zuletzt zeigt „right2water”, dass das politische Potential dieses direktdemokratischen Partizipationskanals insbesondere in der Chance für die InitiatorInnen liegt, ihre eigene Reputation zu stärken und damit eine gute Ausgangsbasis für weitere politische Kämpfe auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene aufzubauen. Ein gutes Beispiel dafür ist das von den right2water-Akteuren organisierte Referendum in der griechischen Stadt Thessaloniki zur Frage der Privatisierung der kommunalen Wasserversorgung. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 60 Prozent sprachen sich 98 Prozent der BürgerInnen gegen die bevorstehende Privatisierung aus. Als Ergebnis dieser selbstorganisierten Abstimmung blieb die Wasserversorgung Thessalonikis in öffentlicher Hand.
Es wird sich zeigen, wie die Europäische Kommission das Thema „Wasserver- und -entsorgung“ in Zukunft behandeln und wie sie mit zukünftig formal erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiativen umgehen wird.
Auf der anderen Seite bleibt abzuwarten, mit welchen Mitteln die Akteure hinter „right2water“ weiterhin versuchen werden, das von ihnen geforderte Menschenrecht auf Wasser durchzusetzen.
4. Conclusio
Es gilt vor allem zu beobachten, ob und wie die BürgerInnen bei einer etwaigen Reformierung der EBI-Umsetzungsverordnung eingebunden werden. Falls es weder zu einer derartigen Überarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen kommen sollte, noch die Kommission von sich aus formal erfolgreiche Initiativen besser berücksichtigt, dann droht diesem Instrument das gleiche Schicksal wie dem österreichischen Volksbegehren: Ein Dasein als direkt-demokratisches Werkzeug ohne realpolitischen Nutzen. Angesichts der ohnehin schon stark begrenzten politischen Partizipationsmöglichkeiten von BürgerInnen auf europäischer Ebene ist dieses Szenario aus demokratiepolitischer Sicht wenig wünschenswert.
[zitat inhalt=”Falls es weder zu einer Überarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen kommen sollte, noch die Kommission von sich aus formal erfolgreiche Initiativen besser berücksichtigt, dann droht diesem Instrument das gleiche Schicksal wie dem österreichischen Volksbegehren: Ein Dasein als direkt-demokratisches Werkzeug ohne realpolitischen Nutzen.”]
Ein möglicher Ausweg aus dieser Misere wäre die Änderung der Umsetzungsverordnung, sodass die Europäische Kommission ab einer bestimmten Unterschriftenzahl dazu gezwungen wird, in der von den InitiatorInnen vorgebrachten Thematik einen Legislativvorschlag unterbreiten zu müssen. Zusätzlich sollte es bei einer Reform der Umsetzungsverordnung zum verbindlichen Abhalten mehrerer persönlicher Treffen bzw. öffentlicher Anhörungen kommen, bei denen die InitiatorInnen einer formal erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative die Kommission zu den Fortschritten bei der Umsetzung des jeweiligen Anliegens befragen kann.
Ein großes Problem bei der Organisation und Durchführung einer Europäischen Bürgerinitiative ist die Kostenfrage: Deshalb sollten formal erfolgreiche Initiativen zumindest einen Teil Ihrer Ausgaben aus dem EU-Budget rückerstattet bekommen. Damit kann eine wesentliche Hürde bei der Inanspruchnahme dieses direkt-demokratischen Werkzeugs abgebaut werden.
Zu guter Letzt braucht es eine Harmonisierung der unterschiedlichen rechtlichen Bestimmungen zur Unterschriftensammlung und –abgabe in den EU-Mitgliedsstaaten. Denn während beispielsweise in Österreich die Angabe der Nummer des Reisepasses oder Personalausweises bei der Unterzeichnung notwendig ist, verzichtet Deutschland auf eine derart restriktive Regelung. In Österreich darf man wiederum bereits im Alter von 16 Jahren eine Initiative unterschreiben, was bei unseren Nachbarn in Deutschland nicht legal ist. Aus demokratiepolitischer Sicht wären gleiche Rahmenbedingungen für alle innerhalb der EU lebenden Menschen sehr sinnvoll. Dazu gehört auch die Öffnung der Europäischen Bürgerinitiative für Nicht-EU-BürgerInnen, welche ihren Lebensmittelpunkt innerhalb der EU haben.
[1] Stand: 14.12.2015. Neben „right2water“ handelt es sich hierbei um folgende Initiativen: „One of us“ (http://www.1-von-uns.de/) und „Stop vivisection“ (http://www.stopvivisection.eu/de).
- Bouza Garcia, Luis; Del Rio Villar, Susana (2012): The ECI as a Democratic Innovation: Analysing its Ability to Promote Inclusion, Empowerment and Responsiveness in European Civil Society. In: Perspectives on European Politics and Society, 13 (3), S. 312-324.
- Greenwood, Justin (2012): The European Citizens´ Initiative and EU Civil Society Organisations. In: Perspectives on European Politics and Society, 13(3), S. 325-336.
- Kohler-Koch, Beate; Quittkat, Christine [Hrsg.] (2011): Die Entzauberung partizipativer Demokratie. Zur Rolle der Zivilgesellschaft bei der Demokratisierung von EU-Governance. Campus Verlag. Frankfurt/New York.
- Luger, Jakob (2015): Ein neues Werkzeug: Die Europäische Bürgerinitiative am Fallbeispiel von „right2water“. ÖGB-Verlag. Wien.
- Maurer, Andreas; Vogel, Stephan (2009): Die Europäische Bürgerinitiative – Chancen, Grenzen und Umsetzungsempfehlungen. SWP-Studien 2009/28. Online verfügbar unter: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2009_S28_mrr_vogel_ks.pdf; abgerufen am 6.11.2015.
- Pichler, Johannes W.; Kaufmann, Bruno [Hrsg.] (2011): The next big thing: making Europe ready for the citizens´ initiative. Neuer Wissenschaftlicher Verlag. Wien-Graz.
- Quittkat, Christine (2012): Die EBI – (K)ein Tor zur europäischen Politik für „Normalbürger“. In: Forschungsjournal soziale Bewegungen, 25(4), S. 69-79.
- EGÖD (2014): Antwort der Kommission auf die erste Europäische Bürgerinitiative ist wenig ambitioniert. Pressemitteilung. 19.3.2014. Online verfügbar unter: http://www.epsu.org/IMG/pdf/PR_2014_03_19_Commission_lacks_ambition-_DE.pdf, abgerufen am 6.11.2015.
- Europäische Kommission (2014): Mitteilung der Kommission über die europäische Bürgerinitiative „Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! Wasser ist ein öffentliches Gut, keine Handelsware!« COM(2014) 177 final. 19.3.2014. Online verfügbar unter: http://ec.europa.eu/citizens-initiative/public/initiatives/finalised/details/2012/000003; abgerufen am 6.11.2015.
- Europäische Union (2011): Verordnung (EU) Nr. 211/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 über die Bürgerinitiative. In: Amtsblatt der EU, L 65/1-22, 11.3.2011.
ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die der Autor arbeitet, überein.
Schlagwörter
Europäische Bürgerinitiative, right2water, Partizipation, Menschenrechte, Wasserversorgung, Gewerkschaften, zivilgesellschaftliche Organisationen
Zitation
Luger, J. (2015). Die Europäische Bürgerinitiative als neues direkt-demokratisches Werkzeug? Welche Lehren wir aus „right2water“ ziehen müssen! Wien. ÖGfE Policy Brief, 45’2015