Die deutsch-österreichische Strompreiszone

Das europäische Paradebeispiel für die Integration von nationalen Energiemärkten steht vor dem Aus

Handlungsempfehlungen

  1. Die Österreichische Politik ist gefordert sich für den Erhalt der deutsch-österreichischen Strompreiszone einzusetzen und die Vorteile eines gemeinsamen Marktgebietes aufzuzeigen.
  2. Allfällige Netzengpässe sind durch bewährte kosteneffiziente und EU-rechtskonforme Lösungen zu lösen – notwendige Netzausbaumaßnahmen, insbesondere innerhalb Deutschlands, Polens und der Tschechischen Republik, sind zu forcieren.
  3. Die Integrationsbestrebungen im Energiebereich mit dem Ziel der Etablierung eines freien, unbeschränkten europäischen Energiebinnenmarktes sind fortzuführen und aktiv zu verfolgen.

Zusammenfassung

Seit 2002 steht die deutsch-österreichisch-luxemburgische Strompreiszone für einen freien, unbeschränkten und grenzüberschreitenden Stromhandel in der Mitte Europas. Mit der kürzlich veröffentlichten ACER-Stellungnahme steht das Erfolgsbeispiel eines europäischen Energiebinnenmarktes auf dem Prüfstand. Nationale Interessen spielen dabei genauso eine Rolle wie die Frage, wie europäisch es in Energieangelegenheiten zukünftig zugehen soll.

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Die deutsch-österreichische Strompreiszone – das europäische Paradebeispiel für die Integration von nationalen Energiemärkten steht vor dem Aus

Bedeutung und Konsequenzen einer Auftrennung in zwei Preiszonen

Einleitung:

Ein Paradebeispiel für die Marktintegration von nationalen Energiemärkten stellt das seit dem Jahr 2002 etablierte deutsch-österreichisch-luxemburgische Marktgebiet dar. Gekennzeichnet durch einheitliche Großhandelspreise und gut ausgebaute, grenzüberschreitende Übertragungskapazitäten bildet es die größte zusammenhängende Strompreiszone[1] innerhalb Europas. Damit trägt es, so die deutsche Monopolkommission, wesentlich zur Versorgungssicherheit zwischen den „elektrischen Nachbarn“ bei[2]. Zudem ermöglicht es einen effektiven Ausgleich bei der Einspeisung dargebotsabhängiger erneuerbarer Energieträger und fördert die Entstehung eines wettbewerblichen Erzeugermarktes[3]. Im europäischen Kontext stellt es jenes Erfolgsbeispiel eines freien, unbeschränkten Energiebinnenmarktes dar, wie es die Europäische Kommission mit ihrer Zielsetzung einer gesamteuropäischen, solidarischen Energie-Union vorsieht[4].

Die „Energiewende“ führt zu einer Diskussion um den Erhalt der Strompreiszone

Im Zuge des Ausbaus von dezentralen, erneuerbaren Energieträgern sind die Anforderungen an die leitungsgebundene Netzinfrastruktur in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Vor allem das innerdeutsche Gefälle zwischen den Erzeugungszentren im Norden und Nordosten Deutschlands und den Lastschwerpunkten mit den Verbrauchszentren in Süddeutschland stellt die Transportkapazitäten verstärkt auf die Probe. Dabei stößt das innerdeutsche Stromnetz immer öfter an seine kapazitätsmäßigen Grenzen da bestehende Netzverbindungen überlastet und geplante Transportkapazitäten fehlen bzw. deren Ausbau stockt. So wurden von jenen im deutschen Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG 2009) als vordringlich eingestuften 23 Vorhaben mit einer Gesamtlänge von 1.876 Kilometern bis Ende 2015 nur 558 Leitungskilometer oder 29 Prozent gebaut[5]. Zusätzlich stocken die im deutschen Netzentwicklungsplan Strom auf 3.050 Kilometern vorgesehenen Optimierungs- und Verstärkungsmaßnahmen auf Bestandstrassen. Zeitgleich verzögern sich die auf 2.750 Kilometern geplanten Neubaumaßnahmen aufgrund eines oftmals noch ungeklärten Trassenverlaufs[6], dem Widerstand von Bürgerinitiativen und einer gesetzlich vereinbarten Vorrangregelung für Erdkabel[7].

Ein großer Teil des in Österreich gekauften und aus Deutschland importierten Stroms gelangt physikalisch nicht mehr über das deutsche Übertragungsnetz nach Österreich, sondern über das polnische und tschechische Übertragungsnetz.

Die Konsequenz daraus sind regelmäßig auftretende Kapazitätsengpässe im deutschen Stromnetz und ungewollte Lastflüsse über die Übertragungsnetze von Nachbarstaaten beim Stromtransport innerhalb der deutsch-österreichisch-luxemburgischen Preiszone. Anders gesagt: Ein großer Teil des in Österreich gekauften und aus Deutschland importierten Stroms gelangt physikalisch nicht mehr über das deutsche Übertragungsnetz nach Österreich, sondern über das polnische und tschechische Übertragungsnetz. Physikalische und handelsseitige Stromflüsse klaffen – auch aufgrund der bedingten Steuerbarkeit von elektrischer Energie – auseinander.  Diese „Ringflüsse“ (englisch: „loop-flows“), gefährden aus Sicht osteuropäischer Netzbetreiber mittlerweile den sicheren Systembetrieb und erfordern eine Beschränkung.

Die Rechtmäßigkeit der deutsch-österreichisch-luxemburgischen Preiszone auf dem Prüfstand

Vor diesem Hintergrund stellte die polnische Energieregulierungsbehörde URE im Dezember 2014 einen Antrag bei der europäischen Energieregulierungsbehörde ACER[8] auf Überprüfung der Konformität der Allokationsregeln an der deutsch-österreichischen Grenze mit der EU-Verordnung (EG) 714/2009[9]. Konkret ging es dabei um die Frage ob die fehlende Bewirtschaftung der Netzkapazitäten für die „Ringflüsse“, also ungeplante Stromflüsse über Polen und Tschechien nach Österreich, verantwortlich sind.
Am 23. September 2015 veröffentlichte ACER eine rechtlich unverbindliche Stellungnahme[10], in welcher die Existenz von „strukturellen Engpässen“ an der deutsch-polnischen, deutsch-tschechischen und tschechisch-österreichischen Grenze sowie innerhalb Deutschlands bescheinigt wird. Damit kommt die Agentur zu dem Schluss, dass die Verbindungen zwischen den nationalen Übertragungsnetzen dieser Staaten wegen unzureichender Kapazitäten der Verbindungsleitungen und/oder der betroffenen nationalen Übertragungsnetze nicht alle Stromflüsse im Rahmen des von den Marktteilnehmern gewünschten stattfindenden Stromhandels bewältigen können.

Bestehende und bewährte Abhilfemaßnahmen wie der „Redispatch“ von Kraftwerken sind nach ACER-Ansicht unzureichend und durch eine ständige Kapazitätsallokation an der deutsch-österreichischen Grenze zu ersetzen.

Bestehende und bewährte Abhilfemaßnahmen wie der „Redispatch“ von Kraftwerken sind nach ACER-Ansicht unzureichend und durch eine ständige Kapazitätsallokation an der deutsch-österreichischen Grenze zu ersetzen. Die Agentur unterstützt damit die Ansicht der polnischen Energieregulierungsbehörde, dass die bestehenden Allokationsregeln im deutsch-österreichisch-luxemburgischen Marktgebiet der EU-Verordnung (EG) 714/2009 widersprechen.
Die Energieregulierungsbehörden der betroffenen Staaten – konkret aus Deutschland, Polen, der Tschechischen Republik und Österreich sowie deren Übertragungsnetzbetreiber – sind nun aufgefordert, binnen vier Monaten einen Umsetzungsplan für die Einführung einer Kapazitätsallokation auszuarbeiten und ACER vorzulegen.

Welche Auswirkungen sind durch eine Teilung des Marktgebietes zu erwarten?

Eine erste Konsequenz aus der Feststellung und Einführung eines technischen Engpasses wäre, dass die zur Verfügung stehenden, grenzüberschreitenden Netzkapazitäten im Zuge eines Allokationsverfahren zu vergeben wären. Strom könnte nicht wie bisher unbegrenzt im deutsch-österreichisch-luxemburgischen Marktgebiet gehandelt und transportiert werden. Der grenzüberschreitende Stromtransport würde nur bis zu einer vorab festgelegten Handelsobergrenze zwischen Deutschland und Österreich möglich sein.

In Folge dieser Unsicherheit wären Energiehändler gezwungen ein solches Risiko in ihre Konditionen einzupreisen. Gleichzeitig würde eine Engpassbewirtschaftung zu einer Vielzahl von beiderseitigen Folgewirkungen wie einer reduzierten Marktliquidität, der Gefahr von strategischem Bieterverhalten und der Ausübung von Marktmacht führen.

Energiehändler müssten im Zuge von Kapazitätsauktionen Handelskapazitäten ersteigern und hätten keine Sicherheit, dass sie bei Kapazitätsvergaben zum Zuge kommen würden. In Folge dieser Unsicherheit wären Energiehändler gezwungen ein solches Risiko in ihre Konditionen einzupreisen.
Gleichzeitig würde eine Engpassbewirtschaftung zu einer Vielzahl von beiderseitigen Folgewirkungen wie einer reduzierten Marktliquidität, der Gefahr von strategischem Bieterverhalten und der Ausübung von Marktmacht führen[11]. Ebenso würde die Geschäftsgrundlage von Pumpspeicherkraftwerken sowie von getätigten Infrastrukturinvestitionen in Frage gestellt werden. Selbiges gilt für bestehende Netzdienstleistungsverträge von Deutschland mit Kraftwerken in Tirol und Vorarlberg, welche bei Einführung einer Kapazitätsallokation, nicht mehr bedient werden könnten. In Folge würde sich die bereits angespannte Versorgungssicherheitslage in Süddeutschland zusätzlich verschärfen.
Das Resultat dieser Folgewirkungen wären unterschiedlich hohe Großhandelspreise für Strom zwischen Deutschland und Österreich und deutlich höhere Energiepreise, mit allen damit verbundenen standortpolitischen Nachteilen. „Angesichts der gegenwärtigen Großhandelspreise wären das Mehrkosten von etwa 4,5 Euro je Megawattstunde“, so Verbund-Vorstand Wolfgang Anzengruber[12].  Dies entspricht einer Verteuerung von 15 Prozent.[13] Mehrere internationale Studien gehen von jährlichen Mehrkosten für österreichische Stromkunden von bis zu 300 Millionen Euro aus[14].
Eine massive Benachteiligung des Wirtschaftsstandortes Österreich sowie Wettbewerbsnachteile für heimische – aber auch in Österreich ansässige ausländische – Unternehmen und Zulieferbetriebe wäre die Folge.

Engpass oder nicht? – ein Faktencheck

Die EU-Energieagentur ACER begründet ihre Empfehlung zur Engpassbewirtschaftung der deutsch-österreichischen Grenze mit der Existenz eines strukturellen Engpasses. Im Sinne der EU-Verordnung (EU) 2015/1222[15] liegt ein struktureller Engpass vor wenn dieser eindeutig feststellbar, vorhersehbar, über einen längeren Zeitraum geografisch stabil und häufig wiederholt auftritt. Im Fall der deutsch-österreichischen Verbindungsleitungen ist diese Feststellung in mehrfacher Hinsicht problematisch und die ACER-Empfehlung zu hinterfragen.
So stützt sich die Agentur bei ihrer Entscheidung auf historisches Datenmaterial aus dem Jahr 2012; unterlässt aber gleichzeitig eine Analyse und Berechnung zukünftiger grenzüberschreitender Lastflüsse, die eine Vorhersehbarkeit ermöglichen würden. Detaillierte Simulationsrechnungen wie sie gemeinsam von den betroffenen deutschen und österreichischen Übertragungsnetzbetreibern für den Zeitraum bis 2019/20 durchgeführt wurden, fehlen und wurden nicht durchgeführt.
Entgegen der ACER-Empfehlung kommen die Übertragungsnetzbetreiber aus Deutschland und Österreich in ihrer Analyse zu dem Ergebnis, dass physische Netzengpässe auch zukünftig vorwiegend innerhalb von Deutschland auftreten werden und eine „Redispatch-Lösung“ technisch ausreichend ist, um die Netze stabil zu halten. Letzteres ist insofern interessant, da ACER eine Überprüfung von möglicherweise kostengünstigeren und weniger binnenmarktschädlicheren Alternativlösungen unterlassen hat und von der in der EU-Verordnung (EU) 714/2009 festgelegten Maßnahmen-rangfolge im Falle eines festgestellten Netzengpasses, aus sachlich nicht nachvollziehbaren Gründen, abgewichen ist.
Auch bei einer ausgeweiteten technischen Betrachtung des Netzverbundes im deutsch-österreichisch-luxemburgischen Markgebiet zeigt sich, dass engpassbehaftete Netzelemente allenfalls innerhalb Deutschlands und/oder an der deutsch-polnischen Grenze existieren. In Folge steht die Empfehlung der Agentur nicht im Einklang mit der bereits erwähnten EU-Verordnung (EU) 714/2009, welche die Verlagerung eines innerstaatlichen Kapazitätsengpasses an die Regelzonengrenze untersagt.
Engpasssituationen an den technischen Leitungskapazitäten an der deutsch-österreichischen Grenze treten – so urteilt die Analyse deutscher und österreichischer Übertragungsnetzbetreiber – nachweislich nur in etwa 700 Stunden, dies entspricht rund 8 Prozent des Jahres, auf[16]. Entgegen den Ausführungen von ACER handelt es sich daher nicht um einen Engpass, der vorhersehbar, über einen längeren Zeitraum geografisch stabil und häufig wiederholend auftritt.
Von der Diskussion weitestgehend unbeachtet bleiben zahlreiche Stellungnahmen und Studien von Wirtschaftsinstituten, Think-Tanks, Fachexperten, Sozialpartnern sowie von Industrie- und Energieunternehmen, die in einer Aufspaltung der gemeinsamen Strompreiszone mehrheitlich keinen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der aktuellen Netzsituation sehen und von einer Auftrennung abraten.
So urteilt die Beratungsgesellschaft Consentec, dass „Preiszonen zu verkleinern nicht wirtschaftlich sinnvoll ist, weil es dadurch zu einem Eingriff in den freien Strommarkt kommt“[17]. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt zu dem Schluss, dass getrennte Preiszonen grundsätzlich abzulehnen sind, da sie keinen „wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Netznutzung“ leisten und letztlich zu einer „geringeren Marktliquidität“ führen[18]. So sind von einer Aufspaltung der Strompreiszone nur geringfügige Entlastungseffekte für die betroffenen Übertragungsnetze zu erwarten, die nicht über das grundlegende Problem von fehlenden innerdeutschen Übertragungsnetzen hinwegtäuschen können.

Vor allem aufgrund des standortpolitischen und volkswirtschaftlichen Nachteils für Österreich sowie den signifikanten wohlfahrtsökonomischen Verlusten für Deutschland und Österreich wird von einer Kontingentierung der grenzüberschreitenden Handelskapazitäten abgeraten.

Vor allem aufgrund des standortpolitischen und volkswirtschaftlichen Nachteils für Österreich sowie den signifikanten wohlfahrtsökonomischen Verlusten für Deutschland und Österreich wird von einer Kontingentierung der grenzüberschreitenden Handelskapazitäten abgeraten[19].

Welche Interessen verfolgen die beteiligten Mitgliedstaaten?

Während auf Basis rein technischer Grundlagen eine Teilung der deutsch-österreichisch-luxemburgischen Strompreiszone allenfalls innerhalb Deutschlands diskutiert werden müsste, zeigen bisherige Äußerungen, dass die Einführung einer Kapazitätsallokation an der deutsch-österreichischen Staatsgrenze von der deutschen Politik klar bevorzugt wird.
Abseits der dafür vordergründig angeführten energiewirtschaftlichen Argumente, spielen vor allem grundlegende energiepolitische Interessen der Mitgliedstaaten eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Aus deutscher Sicht geht es vor allem um das Gelingen und um die Wahrung der öffentlichen Akzeptanz für die nationale Energiewende.

Aus deutscher Sicht geht es vor allem um das Gelingen und um die Wahrung der öffentlichen Akzeptanz für die nationale Energiewende. Um den stetigen Kostenanstieg für systemstabilisierende Leistungen wie Redispatch-Maßnahmen und Reservekraftwerke sowie für Freileitungen und Erdverkabelungen in den Griff zu bekommen und den wiederkehrenden Vorwurf aus der Öffentlichkeit zu entkräften, dass Nachbarstaaten von stark subventioniertem Ökostrom profitieren, wird eine Trennung des Marktgebietes in Kauf genommen. So würde eine innerdeutsche Aufteilung des Strommarktes, Norddeutschland mit seiner Überproduktion an Strom aus on- und offshore Windkraftanlagen auf einen Schlag zu einer Billig-Energiezone machen; Bayern und Baden-Württemberg wären hingegen zukünftige Hochpreis-Energiezonen. Für Politik und Wirtschaft gilt diese sachgemäße Alternative als nicht durchsetzbar – eine Trennung entlang der deutsch-österreichischen Staatsgrenze stellt hier das kleinere Übel und die präferierte Lösung dar[20].
Gänzlich außer Acht gelassen wird, dass eine Aufspaltung entlang der deutsch-österreichischen Grenze sachlich nicht zu begründen ist und eine Lösung der eigentlichen Ursache, nämlich einer im nationalen Alleingang beschlossenen – oftmals unkoordinierten – Energiewende, nicht zuträglich ist.

Für Polen geht es in der Diskussion vor allem um den Schutz und Fortbestand der nationalen Kohleindustrie an der knapp 100.000 Arbeitsplätze hängen und die mit rund 10 Milliarden US-Dollar knapp 10 Prozent des polnischen Staatshaushaltes erwirtschaftet.

Für Polen geht es in der Diskussion vor allem um den Schutz und Fortbestand der nationalen Kohleindustrie an der knapp 100.000 Arbeitsplätze hängen und die mit rund 10 Milliarden US-Dollar knapp 10 Prozent des polnischen Staatshaushaltes erwirtschaftet[21]. So bremst Polen seit Jahren ehrgeizigere Klima- und Energieziele in der Europäischen Union aus und versucht durch eine Unterlassung von Investitionen in Stromleitungen eine Abschottung des heimischen Stromsektors und einen Erhalt der Geschäftsgrundlage für heimische (Kohle)kraftwerke zu erreichen. Im Gegensatz zu den westlichen Nachbarstaaten Deutschland sowie Österreich, die auf die Veränderungen in der Energieerzeugung zeitgerecht reagierten und viel in Wartung, Modernisierung und Ausbau von Stromnetzen investierten, wurden in den östlichen Nachbarstaaten Investitionen unterlassen.

Aus Sicht der Tschechischen Republik wiederum stehen der Schutz und die Wahrung der Geschäftsgrundlage für tschechische Atomkraftwerke im Vordergrund.

Aus Sicht der Tschechischen Republik wiederum stehen der Schutz und die Wahrung der Geschäftsgrundlage für tschechische Atomkraftwerke im Vordergrund. Durch die Auftrennung der deutsch-österreichisch-luxemburgischen Preiszone und den daraus resultierenden höheren Strompreisen in Österreich sollen tschechischen Atomkraftwerken neue Markt- und Absatzmöglichkeiten eröffnet werden.

Beibehaltung der deutsch-österreichischen Preiszone im Interesse von Verbrauchern

Aus Sicht der E-Control ist der Erhalt der engpassfreien Preiszone zwischen Deutschland und Österreich klar im Interesse deutscher und österreichischer Verbraucher. Ein großflächiges, liquides Marktgebiet mit, im europäischen Vergleich, niedrigen Energieerzeugungspreisen, einer hohen Versorgungs- und Netzbetriebssicherheit sowie mannigfaltigen Markt- und Absatzmöglichkeiten für Energieunternehmen stellt ein Erfolgsbeispiel für das Zusammenwachsen nationaler Energiemärkte dar. Die Einführung künstlicher Handelsbeschränkungen steht dabei im klaren Widerspruch zu den politischen Zielen eines EU-Energiebinnenmarktes und einer gemeinschaftlichen, europäischen Energie-Union. Die ACER-Stellungnahme stellt insofern einen bedauernswerten Rückschritt dar, da nationalen Interessen der Vorzug vor gesamteuropäischen Zielsetzungen gegeben wird. Dabei stützt sich die Agentur auf technisch fragliche und wenig stichhaltige Daten, die einer genauen inhaltlichen Prüfung nicht standhalten. Neben sachlicher und prozeduraler Mängel wie einem intransparenten Entscheidungsprozess, einer fehlenden Berücksichtigung zukünftiger Lastflüsse und einer mangelhaften Prüfung alternativer Lösungsoptionen widerspricht die Agentur in ihrer Stellungnahme geltender europäischer Rechtsprechung. So steht die Stellungnahme weder im Einklang mit der EU-Verordnung zur Feststellung eines strukturellen Engpasses (EU VO 2015/1222) noch mit der EU-Verordnung zur Rangfolge für Engpassmanagementmaßnahmen (EU VO 714/2009). Durch die Verlagerung eines allenfalls innerstaatlich existierenden Netzengpasses widerspricht die Stellungnahme zudem geltender EU-Rechtsprechung (EU VO 714/2009) und möglicherweise auch EU-Wettbewerbsrecht.
Entgegen der ACER-Empfehlung erscheinen bewährte kosteneffiziente und EU-rechtskonforme Lösungen wie die gezielte Steuerung von Kraftwerken zur Entschärfung von Engpasssituationen zielführender, weniger marktinvasiv und effektiver. Aus Sicht der E-Control gilt es, an den europäischen Integrationsbestrebungen im Energiebereich festzuhalten und durch Forcierung notwendiger Netzausbaumaßnahmen etwaige auftretende Netzengpässe zu mitigieren.
Gleichzeitig gilt es, nicht zweckdienliche und rechtlich fragwürdige monetäre Mehrbelastung für Stromverbraucher abzuwenden. Die E-Control hat sich daher im November 2015 entschlossen, gegen die ACER-Stellungnahme durch Einbringung einer Nichtigkeitsklage beim Gericht der Europäischen Union (EuG) gemäß Art. 263 AEUV sowie einer Beschwerde beim ACER-Beschwerdeausschuss gemäß Art 19 ACER-VO vorzugehen. Mit einer Stellungnahme seitens des ACER-Beschwerdeausschuss ist binnen zwei Monaten, also bis Anfang 2016, zu rechnen. Eine Entscheidung des EuG wird voraussichtlich nicht vor 2017 vorliegen.

[1] In der Fachsprache wird von „Gebotszone“ gesprochen.
[2] BMWi (2015): „Energie der Zukunft: Vierter Monitoring-Bericht zur Energiewende“, S. 63.
[3] BMWi (2015): „Energie der Zukunft: Vierter Monitoring-Bericht zur Energiewende“, S. 63.
[4] Energie Allianz Austria (2015): „Der Kampf um den gemeinsamen Strommarkt“, S. 14.
[5] Bundesnetzagentur (2015): Dpa-Interview mit dem Präsidenten der Bundesnetzagentur Jochen Homann vom 29.12.2015
[6] Der Netzentwicklungsplan Strom in Deutschland legt nur Anfangs- und Endpunkte aber keinen konkreten Trassenverlauf fest.
[7] Beschluss des deutschen Bundeskabinetts vom 07.10.2015
[8] Agency for the Cooperation of Energy Regulators (ACER)
[9] Verordnung (EG) Nr. 714/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1228/2003.
[10] Opinion of the Agency for the Cooperation of European Energy Regulators No 09/2015 (23.09.2015), on the compliance of national regulatory authorities’ decisions approving the methods of allocation of cross-border transmission capacity in the central-east Europe region with regulation (EC) No 714/2009 and the guidelines on the management and allocation of available transfer capacity of interconnections between national systems contained in annex I thereto.
[11] Vgl Consentec, 09/2014; Consentec, 02/2015; Frontier Economics und Consentec (2014)
[12] Vgl Die Welt Nr. 224 (25.09.2015): „Wohin bloß mit dem vielen Ökostrom“, S. 15.
[13] Vgl Die Welt Nr. 224 (25.09.2015): „Wohin bloß mit dem vielen Ökostrom“, S. 15.
[14] Vgl Consentec, 09/2014; Consentec, 02/2015; Frontier Economics und Consentec (2014)
[15] Verordnung (EU) 2015/1222 der Kommission vom 24.07.2015 zur Festlegung einer Leitlinie für die Kapazitätsvergabe und das Engpassmanagement (Capacity Allocation and Congestion Management, CACM)
[16] Energie-Control Austria (23.10.2015): „Analyse DE-AT zum Engpassmanagement“
[17] vgl. Dr. Ing, Christian Zimmer, Senior Consultant, Consentec, in Energie Allianz Austria (11/2015), S. 14.
[18] Vgl. Prof. Dr. Christian von Hirschhausen, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Energie Allianz Austria (11/2015), S. 15.
[19] Vgl Consentec, 09/2014; Consentec, 02/2015; Frontier Economics und Consentec (2014)
[20] Vgl Die Welt Nr. 224 (25.09.2015): „Wohin bloß mit dem vielen Ökostrom“, S. 15.
[21] Die Zeit Nr. 45 (05-11-2015): „Wir armen Länder..“, S 32.

  • Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), 11/2015: „Energie der Zukunft: Vierter Monitoring-Bericht zur Energiewende“.
  • Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), 2014: „Ein Strommarkt für die Energiewende – Diskussionspapier des Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Grünbuch)“.
  • Consentec GmbH, 02/2015: „An Economic Efficiency Analysis of Introducing Smaller Bidding Zones“ (im Auftrag der European Energy Exchange AG und der European Power Exchange Spot).
  • Consentec GmbH, 09/2014: „Untersuchung verschiedener Szenarien der Marktkopplung zwischen Österreich, Deutschland“ (im Auftrag der Energie-Control Austria, E-Control).
  • Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Wochenbericht 09/2015: „Energiewende und Strommarktdesign: Zwei Preiszonen für Deutschland sind keine Lösung“.
  • Energie-Allianz Austria, 11/2015: „Der Kampf um den gemeinsamen Strommarkt“.
  • Frontier Economics Ltd. & Consentec GmbH, 10/2012: „Bedeutung von etablierten nationalen Gebotszonen für die Integration des europäischen Stromhandels – ein Ansatz zur wohlfahrtsorientierten Beurteilung“ (im Auftrag der Bundesnetzagentur, Bundesnetzagentur, BNetzA).

ISSN 2305-2635
Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die die Autoren arbeiten, überein.
Zitation
Graf, M., Irschik, P. (2016). Die deutsch-österreichische Strompreiszone – das europäische Paradebeispiel für die grenzüberschreitende Integration von nationalen Energiemärkten steht vor dem Aus. Wien. ÖGfE Policy Brief, 7’2016

Mag. Philipp Irschik, MIM

Mag. Philipp Irschik, MIM ist Assistent des Vorstandes der österreichischen Regulierungsbehörde für die Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft, Energie-Control Austria (E-Control). Auf Ebene der europäischen Energieregulierungsbehörden steht er verschiedenen Arbeitsgruppen vor und berät die Europäische Kommission zu energiepolitischen Inhalten. Im Jahr 2015 wurde er vom Weltenergierat als Future Energy Leader identifiziert.