Arbeitnehmerfreizügigkeit: Kroaten, bitte warten?

Handlungsempfehlungen

  1. Aufgrund des zu erwartenden Zuzugs sollte die österreichische Bundesregierung in Erwägung ziehen die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für KroatInnen noch um weitere 2 Jahre bis 1. Juli 2020 zu verschieben. Denn der Abbau der vergleichsweise noch immer hohen Arbeitslosigkeit in Österreich verdient Priorität.
  2. Gleichzeitig sollte gemeinsam mit den Sozialpartnern geprüft werden, ob nicht noch zusätzliche, detaillierte Ausnahmen gegenüber Kroatien für unseren Arbeitsmarkt verträglich und sinnvoll sind.
  3. So könnte man zum Beispiel für Kroatien ein eigenes Saisonnier-Kontingent für den Tourismus vorsehen und auch die gegenwärtige Ausnahmeliste für den Fachkräftezuzug um zusätzliche Berufe erweitern.

Zusammenfassung

Die Österreichische Bundesregierung hat in den nächsten Monaten die Entscheidung zu treffen, ob Österreich auch die letzte Übergangsfrist zur Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für Kroatien in Anspruch nimmt oder nicht. Der weitaus größte Teil der EU-Länder hält den Arbeitsmarkt für Kroatien bereits seit Jahren offen. Auch die Möglichkeit eines demonstrativen Bekenntnisses Österreichs zur europäischen Solidarität spricht dafür, die Beschränkung gegenüber Kroatien jetzt auslaufen zu lassen. Dennoch gibt es einige Gründe, die eine weitere Verzögerung um 2 Jahre, nahelegen.

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Arbeitnehmerfreizügigkeit: Kroaten, bitte warten?

Ob die Arbeitslosigkeit in einem Land oder einer Region sinkt oder steigt, hängt keineswegs nur von der wirtschaftlichen Entwicklung und der damit meist verbundenen Frage ab, ob mehr oder weniger Jobs angeboten werden, sondern in hohem Maße auch davon, wie viele Personen in der betreffenden Region überhaupt für eine unselbstständige Arbeit zur Verfügung stehen. Wir nennen die Summe aus unselbstständig beschäftigten und arbeitslosen Personen in Österreich das Arbeitskräftepotential[1]. Aktuell sind das beinahe 4 Mio. Menschen.

Dass der oft vermutete Zusammenhang “mehr Jobs = weniger arbeitslose Personen” bzw. “weniger Jobs = mehr arbeitslose Personen” keineswegs immer richtig ist, lässt sich durch zahlreiche Beispiele in beide Richtungen belegen.

Dass der oft vermutete Zusammenhang “mehr Jobs = weniger arbeitslose Personen” bzw. “weniger Jobs = mehr arbeitslose Personen” keineswegs immer richtig ist, lässt sich durch zahlreiche Beispiele in beide Richtungen belegen. Denn während die Arbeitslosigkeit in Österreich etwa in den Jahren 2012–2016 trotz alljährlich neuem Beschäftigungsrekord deutlich stieg, konnte sich zum Beispiel Rumänien 2016 über einen Rückgang der Arbeitslosigkeit um fast 100.000 Personen gegenüber 2015 freuen, obwohl dort die registrierte Beschäftigtenzahl 2016 um 69.000 Personen sank (Quelle: EUROSTAT).

In beiden Ländern stellten Wanderungsbewegungen die Hauptursache für die beschriebene Entwicklung dar. Im Falle von Österreich Zuwanderung, im Falle von Rumänien Abwanderung.

Das Arbeitskräftepotential kann sich aber natürlich auch durch andere Faktoren verändern, etwa durch die demographische Entwicklung einer Bevölkerung, durch ein geändertes Pensionsantrittsalter, durch eine veränderte Dauer des Verbleibs im Bildungssystem, oder etwa durch eine veränderte Erwerbsneigung von Frauen, etwa durch verbesserte Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Somit sind politische Entscheidungen für die Entwicklung des Arbeitskräftepotentials durchaus relevant — wie auch jetzt bezüglich der Übergangsfristen zu Kroatien.

Die konjunkturelle Situation wiederum entscheidet nicht nur über die Frage, wieviel eines zusätzlichen Arbeitskräfteangebots in Beschäftigung und wie viel in Arbeitslosigkeit sichtbar wird, sondern gestaltet selbst auch die Höhe des Arbeitskräfteangebots mit. So hat zum Beispiel die Krise des Jahres 2009 — bei der wir zuletzt ein rückläufiges Arbeitskräfteangebot hatten— nicht nur zu einer reduzierten Zuwanderung geführt, sondern auch dazu, dass Menschen früher in Pension gingen, länger bei den Kindern zuhause oder länger im Ausbildungssystem geblieben sind.

Arbeitskräftepotential in Österreich im Zeitverlauf mit Vorjahresveränderung; Daten: AMS Österreich

Seit 2010 gibt es deutlich mehr Arbeitskräfte in Österreich

Nach der Krise 2009 ist das Arbeitskräftepotential in Österreich stark gestiegen, seit 2010 bis heute um fast 400.000 Personen! Dieser Umstand hat den österreichischen Arbeitsmarkt vor allem in den wachstumsschwachen Jahren 2012–2015 mit einem BIP- Wachstum von unter 1% pro Jahr damals und auch noch 2016 stark belastet. Damit hat Österreich seine Position als Land mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit der EU verloren und belegt derzeit nur den 10. Rang. Eine der Ursachen dafür war, dass wir auch Verdrängung am Arbeitsmarkt beobachten mussten. So haben zum Beispiel gut qualifizierte Arbeitsuchende aus Ungarn — vor allem in Ostösterreich — merkbar schwächer qualifizierte Bewerber/innen aus dem Inland, oftmals mit Migrationshintergrund, etwa aus Ex-Jugo
slawien und der Türkei, verdrängt.

Durch diese Zuwanderung in den Arbeitsmarkt haben aber auch viele österreichische Unternehmen dringend benötigte, qualifizierte Arbeitskräfte gefunden, die im Inland nicht verfügbar waren. Der österreichische Tourismus etwa ist ohne seine Arbeitnehmer/innen aus der EU heute kaum vorstellbar.

Die Ausdehnung des Arbeitskräftepotentials hat Österreichs demografische Situation massiv verbessert, ein Umstand, von dem wir im internationalen Standortwettbewerb langfristig nur profitieren können.

War es also gut, oder war es schlecht?
Es war vor allem eines: Realität. Realität für ein Land, das sich zu seinen Werten, zu Europa und zur EU bekennt. Doch, dass sich auch über Realitäten diskutieren lässt, politisch korrekt ebenso wie politisch missbräuchlich, das ist ebenfalls Realität. Aus der Sicht auf Österreichs Arbeitsmarkt steht aber fest: Die Ausdehnung des Arbeitskräftepotentials hat Österreichs demografische Situation massiv verbessert, ein Umstand, von dem wir im internationalen Standortwettbewerb langfristig nur profitieren können.

Woher kamen die vielen zusätzlichen Menschen auf unserem Arbeitsmarkt?

Die folgende überaus informative aber auf den ersten Blick auch recht komplexe Grafik zeigt auf eindrucksvolle Weise die Veränderung des Arbeitskräftepotentials (also das Plus jeweils gegenüber dem Vorjahr) in den letzten Jahren, und zwar zerlegt nach den jeweiligen Nationalitäten und dann übereinander geschichtet an[2].

Veränderung des Arbeitskräftepotentials nach Nationalitäten in Österreich[3]; Daten: AMS Österreich

Interpretation

Die unterste, dunkelgraue Fläche zeigt ihren höchsten Punkt deutlich im Jahr 2012, erreicht durch den Zuzug aus den zehn Ländern der EU-Erweiterung im Jahr 2004[4]: Im Mai 2011 lief nämlich die 7-jährige Übergangsfrist zur Arbeitnehmerfreizügigkeit aus diesen Ländern aus, sodass danach der intensive Zustrom zum österreichischen Arbeitsmarkt begann. Gleiches geschah entsprechend der hellgrauen Fläche im Jahr 2014, als für Rumänien und Bulgarien, die Beitrittsländer aus dem Jahr 2007, die 7-jährige Übergangsfrist endete. Deshalb ist in der hellgrauen Fläche die stärkste Steigerung im Jahr 2014 ersichtlich.

Die beiden grauen Flächen entsprechen also den beiden EU-Erweiterungen und zeigen deutlich, dass der stärkste Anstieg des Arbeitskräftepotentials jeweils im 1. Jahr nach der vollständigen Öffnung unseres Arbeitsmarktes erfolgte und in Folge deutlich abflachte.

Die beiden grauen Flächen entsprechen also den beiden EU-Erweiterungen und zeigen deutlich, dass der stärkste Anstieg des Arbeitskräftepotentials jeweils im 1. Jahr nach der vollständigen Öffnung unseres Arbeitsmarktes erfolgte und in Folge deutlich abflachte. Die spätere Entwicklung ist naturgemäß dann auch von der Konjunktur abhängig, sowohl in Österreich als auch im Herkunftsland selbst.

Exkurs: Was die Grafik noch zeigt

Oberhalb des roten Bereichs zeigt das hellblaue Feld der obigen Grafik den kontinuierlichen Zuzug an Arbeitskräften aus Deutschland zur mittlerweile größten Gruppe an ausländischen Arbeitskräften in Österreich. Etwas dunkler in blau und in der Entwicklung erstaunlich konstant der Anstieg von Personen aus den übrigen der EU-15 Ländern (ohne DE und AT). Oberhalb deutlich stärker, im mittelblauen Grafikfeld, zeigt sich der laufende und merkbare Anstieg an Arbeitskräften aus allen nicht EU-Ländern (Drittstaaten). Der Verlauf dieser Kurve weist vor allem auf vermehrte Familienzusammenführungen und seit 2015 auch auf die zunehmende Zahl von Asyl- oder Subsidiär-Schutzberechtigten hin.

Ganz oben, im dunkelblauen Feld, ist das doch deutlich schwankende, zusätzliche Arbeitskräfteangebot durch inländische Personen dargestellt. Den stärksten Anstieg weist hier das Jahr 2015 auf. Nach einer ersten, kurzen Analyse bin ich der Meinung, dass dieser Akzent auf eine Kombination aus der demografischen Entwicklung und dem Auslaufen der alten “Hacklerregelung” Ende 2013 zurückzuführen ist, die bis dahin bei Männern eine Alterspension ab dem 60. Lebensjahr und bei Frauen ab dem 55. Lebensjahr ermöglicht hatte.

Die rote Kurve der Grafik: Der Zuzug aus Kroatien und die Regelung zur Übergangsfrist

Doch nun zu Kroatien, oben rot markiert. Auch diese Beitrittsverträge aus dem Jahr 2013 sehen, wie schon bei den bei den beschriebenen EU-Erweiterungen 2004 und 2007, eine maximal 7-jährige Übergangsfrist zur Arbeitnehmerfreizügigkeit vor, und zwar wiederum durch die sogenannte “2+3+2 Regelung“ nach dem gleichen System gestaffelt. Das heißt, dass in den ersten beiden Jahren die Mitgliedstaaten ihre bisherigen Regelungen zum Arbeitsmarktzugang von Kroatinnen und Kroaten einfach beibehalten durften. Danach konnte der EU-Kommission mittels Brief formlos mitgeteilt werden, weitere 3 Jahre, also vom 1.7.2015 bis 30.6.2018, die ursprünglichen Einschränkungen weiterhin in Anspruch zu nehmen, was nur mehr die fünf EU-Länder Malta, die Niederlande, Slowenien, das Vereinigte Königreich und Österreich taten. Alle anderen EU-Mitgliedstaaten öffneten ihren Arbeitsmarkt für Kroatien bereits zu Gänze.

In der dritten und letzten Phase dürfen nun die fünf angeführten Mitgliedstaaten Beschränkungen nur mehr bei einer “schwerwiegenden Störung ihres Arbeitsmarkts oder der Gefahr derartiger Störungen” anwenden. Es ist dies mittels Brief an die EU-Kommission detailliert zu begründen. Und genau um die Frage, ob Österreich diesen Brief mit detaillierter Argumentation nach Brüssel schickten soll, geht es jetzt.

Das Contra und das Pro

Dazu die Fakten:

  • Im Jahresdurchschnitt 2017 arbeiteten rund 28.000 unselbständig Beschäftigte aus Kroatien in Österreich. Obwohl wir die oben dargestellten Übergangsfristen gegenüber Kroatien bisher in Anspruch genommen haben, ist schon jetzt ein jährlicher Anstieg von etwa 2.000 -3.000 Arbeitskräften aus Kroatien erkennbar. Grund dafür sind Familienzusammenführungen sowie ein erleichterter Arbeitsmarktzugang für qualifizierte Personen. So können Unternehmen sinnvollerweise schon jetzt für Hochqualifizierte und für Personen in über 60 Fachkräfteberufen Beschäftigungsbewilligungen erhalten.[5]
  • Trotz dieses auf qualifizierte Beschäftigte beschränkten Arbeitsmarktzugangs, ist die Arbeitsmarktsituation für viele Kroatinnen und Kroaten in Österreich aber eher unerfreulich. Denn neben den oben genannten rund 28.000 kroatischen Beschäftigten, gab es 2017 im Jahresdurchschnitt noch rund 4.800 arbeitslose Menschen aus diesem Land in Österreich. Das entspricht einer Registerarbeitslosenquote von 14,6%, wodurch die österreichische Gesamtarbeitslosenquote von 8,5% wesentlich überstiegen wird.[6]
  • Der Staat Kroatien selbst weist aktuell (November 2017) — diesmal entsprechend EUROSTAT — eine Arbeitslosenquote von 10,4% auf, liegt mit dieser Zahl fast doppelt so hoch wie Österreich (5,4%) und auch deutlich über dem EU-Durchschnitt von 7,3% — ein Umstand, der sicher darauf zurückzuführ
    en ist, dass sich Kroatien von 2009 bis 2014 in einer echten Rezession befand und erst ab 2015 wieder ein Wirtschaftswachstum vermelden konnte.
  • Die schlechte Arbeitsmarktsituation in Kroatien würde also, verbunden mit der geografischen sowie kulturellen Nähe und den vielen “Ankerpersonen” in Österreich, zu einem deutlichen Anstieg des Arbeitskräfteangebots von Kroatinnen und Kroaten in Österreich führen, sodass vermutlich im 1. Jahr nach der vollständigen Öffnung mit einem Anstieg des kroatischen Arbeitskräftepotentials in Österreich um meines Erachtens bis zu 10.000 Personen zu rechnen ist.[7]
  • Österreichs Arbeitsmarkt dagegen kann zwar seit dem Frühling 2017 Monat für Monat starke Rückgänge der Arbeitslosigkeit vermelden, weist aber im rückblickenden Vergleich immer noch eine sehr hohe Arbeitslosigkeit auf: Im Jahr 2017 waren durchschnittlich immer noch 410.000 Menschen in unserem Land arbeitslos oder in AMS-Schulung gemeldet.

Bezüglich der möglichen Schlüsse aus all diesen Zahlen ist nun jedoch nochmals darauf hinzuweisen, dass nicht die Frage zur Disposition steht, ob Österreich prinzipiell den Arbeitsmarkt für kroatische Arbeitskräfte unbehindert öffnen soll oder nicht, sondern dass nur mehr der Zeitpunkt dieser Maßnahme überlegt werden kann: Ist diese Öffnung unter den oben dargelegten Fakten bereits ab 1. Juli 2018 empfehlenswert oder sind zwei weitere (die letzten zwei Jahre) der beschränkten Zuwanderung aus Kroatien für Österreichs Arbeitsmarkt sinnvoller?

Einerseits hält der weitaus größte Teil der EU-Länder ihren Arbeitsmarkt für Kroatien bereits seit Jahren offen und auch die Möglichkeit eines demonstrativen Bekenntnisses Österreichs zur europäischen Solidarität sprechen dafür, die Beschränkung gegenüber Kroatien jetzt auslaufen zu lassen. Weiters ist auch die aktuelle wirtschaftliche Situation unseres Landes als Argument anzuführen: Bei einem Wirtschaftswachstum von 3% (laut WIFO) im heurigen Jahr und bei guten Aussichten auf mehr als 2% Wachstum im Jahr 2019 wäre derzeit eine zusätzliche Ausdehnung des Arbeitskräftepotentials wohl „verkraftbar” und würde aus heutiger Sicht zu keinem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Öffnen wir jedoch unseren Arbeitsmarkt gegenüber Kroatien erst Mitte 2020, so wissen wir noch nicht, ob dann unsere wirtschaftliche Situation nicht vielleicht prekärer ist als heute.

Und dennoch meine ich, dass wir Kroatien — bei allem, was uns mit diesem Land verbindet — um weitere 2 Jahre Geduld bitten sollten.

Und dennoch meine ich, dass wir Kroatien — bei allem, was uns mit diesem Land verbindet — um weitere 2 Jahre Geduld bitten sollten. Denn der Abbau der vergleichsweise noch immer hohen Arbeitslosigkeit in- und ausländischer Kundinnen und Kunden des österreichischen AMS verdient Priorität: Mehr als 400.000 Menschen suchen hier in Österreich derzeit nach Arbeit, und wir alle, die positiv denken wollen, hoffen, dass es in 2 Jahren deutlich weniger sein werden. Aber auch auf Kroatiens Arbeitsmarkt hoffen wir: darauf, dass die angesagte, weitere, positive Wirtschaftsentwicklung dort möglichst viele neue Arbeitsplätze schafft und somit möglichst viele Arbeitssuchende zufrieden in ihrer Heimat behält.

Gleichzeitig aber empfehle ich, gemeinsam mit den Sozialpartnern in den kommenden Monaten zu prüfen, ob nicht noch zusätzliche, detaillierte Ausnahmen gegenüber Kroatien für unseren Arbeitsmarkt verträglich und sinnvoll sind.

Gleichzeitig aber empfehle ich, gemeinsam mit den Sozialpartnern in den kommenden Monaten zu prüfen, ob nicht noch zusätzliche, detaillierte Ausnahmen gegenüber Kroatien für unseren Arbeitsmarkt verträglich und sinnvoll sind. So könnte man zum Beispiel für Kroatien ein eigenes Saisonnier-Kontingent für den Tourismus vorsehen und auch die gegenwärtige Ausnahmeliste für den Fachkräftezuzug um zusätzliche Berufe erweitern.

Wir wissen: Mehr als 20 EU-Länder haben bereits vor mehreren Jahren dem unbehinderten Arbeitskräftezuzug aus Kroatien zugestimmt, wir aber wollen nun in Brüssel eine für unser Land dadurch verursachte „schwerwiegende Störung unseres Arbeitsmarkts oder die Gefahr derartiger Störungen” vorbringen.

Es steht zu befürchten, dass uns die zuständige EU-Behörde und auch Kroatien nach dem Erhalt dieses Schreibens nicht zusätzlich schätzen wird. Aber wir werden um größtmögliches Verständnis werben — und wissen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung unseres Antrags in Brüssel relativ gering ist. Denn zum einen wurde einem solchen Ansuchen bisher auch bei niedrigeren Arbeitslosenzahlen nicht widersprochen, zum anderen würde ein dadurch verursachtes Prüfverfahren wohl längere Zeit in Anspruch nehmen, sodass der Sinn eines solchen Verfahrens kaum mehr gegeben wäre, da ja dann von den letzten zwei Jahren der Übergangsfrist ohnedies nicht mehr viel übrig wäre.

Anhang Daten:

Veränderung des Arbeitskräftepotentials nach Nationalitäten in Österreich; Daten: AMS Österreich

[1] In Deutschland wird der Begriff “Erwerbspersonen” verwendet, der weitere Begriff “Erwerbspersonenpotential” hingegen erfasst neben den Erwerbstätigen und den Erwerbslosen auch noch die sogenannte “Stille Reserve“.

[2] Übereinander geschichtet bedeutet, dass die oberste Linie damit gleichzeitig die Gesamtsumme aus allen genannten Ländern zeigt.

[3] Eine Tabelle mit den genauen Zahlen zur Veränderung des Arbeitskräftepotentials nach Nationalitäten findet sich am Ende des Artikels.

[4] Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.

[5] Eine vollständige Auflistung dieser Berufe findet sich hier: http://www.ams.at/_docs/001_Fachkraefte-Zulassungen_08.pdf.

[6] Die selektive Öffnung unseres Arbeitsmarktes für Qualifizierte dürfte dabei aber trotzdem “funktionieren” und kaum zu Arbeitslosigkeit führen, denn von den 4.800 arbeitslosen Personen sind mehr als 80% solche, die schon vor dem EU Beitritt Kroatiens 2013 in Österreich sozialversichert waren, d.h. schon länger im Land sind.

[7] Wobei aber sicher auch ein gewisser Subsitutionseffekt gegenüber sonstiger Zuwanderung “gegengerechnet” werden könnte.

ISSN 2305-2635

Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE oder jenen der Organisation, für die der Autor arbeitet, überein.

Zitation

Kopf, J. (2018). Arbeitnehmerfreizügigkeit: Kroaten, bitte warten? Wien. ÖGfE Policy Brief, 02’2018

Dr. Johannes Kopf

Dr. Johannes Kopf ist seit 2006 Vorstandsmitglied des AMS Österreich. Der 1973 geborene Jurist und Absolvent des Europarecht-Postgraduate-Lehrgangs der Donau-Universität Krems arbeitete zuvor für die Industriellenvereinigung sowie im Kabinett von Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Martin Bartenstein. 2001 bis 2002 war er Österreichs Arbeitgebervertreter in Brüssel im Sozialen Dialog.