“Der Euro wird überleben” sind sich Nowotny, Breuss und Potacs einig.
Am 5.12.2011 fand im Festsaal der Wirtschaftsuniversität Wien die dritte Veranstaltung unserer Diskussionsreihe Europa Club Uni statt. Mit Dr. Margaretha Kopeinig (KURIER) diskutierten OeNB-Gouverneur Dr. Ewald Nowotny, Univ.-Prof. Dr. Fritz Breuss (WIFO) und Univ.-Prof. Dr. Michael Potacs (WU Wien).
Hauptaussagen
Nowotny: „Europa muss selbst imstande sein, seine Probleme zu lösen.“
- „Merkozy“-Vorschläge: Die geplante Schuldenbremse ist ein richtiger Schritt, um die Abhängigkeit von ausländischen Finanzquellen zu reduzieren und Marktvertrauen zu stärken.
- Der EFSF ist einsatzfähig und soll als Überbrückung helfen. Es besteht aber berechtigte Sorge, dass Maßnahmen nicht rechtzeitig umgesetzt werden. Einige EU-Mitgliedsstaaten wie Italien werden bereits im ersten Quartal 2012 massiven Refinanzierungsbedarf haben.
- Die derzeitige „mediale Lust am Untergang“ beschreibt nicht die Realität: Der Euro als Währung funktioniert sowohl als Zahlungsmittel als auch in seiner Funktion der Wertaufbewahrung. Aber es existiert das Problem einzelner Staatsbudgets.
- Über ökonomische Kooperation soll es sukzessive zu einer stärkeren politischen Zusammenarbeit in Europa kommen. Der Euro ist ein ökonomisches Gebilde mit politischen Zielsetzungen, die Zeit brauchen (vergleichbar mit der historischen Entwicklung der USA).
- Es besteht ein Konnex zwischen dem Sozial- und dem Finanzsystem, der bei den derzeitigen europäischen Maßnahmen stärker Erwähnung finden sollte.
Breuss: „Vorübergehender Austritt aus der Eurozone wäre wünschenswert. Die Politik scheint überfordert zu sein, Monti und Papademos stimmen jedoch hoffnungsvoll.“
- Die prinzipielle Fehlkonstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion muss korrigiert werden. Die Vorschläge, die derzeit am Tisch liegen, sind zu wenig und können als „window dressing“ bezeichnet werden, denn sie sind bereits Teil des Stabilitäts- und Wachstumspaktes beziehungsweise werden sie von den Märkten nicht angenommen.
- Eine Vertragsänderung ist nicht notwendig und würde lange Zeit brauchen. Der geltende Vertrag sollte lieber ausgedehnt werden. Bei einer Änderung der Verträge wäre ein Artikel 50a erstrebenswert: Die Möglichkeit zu einem vorübergehenden Austritt aus der Eurozone.
- Wünschenswerte Ziele: Errichtung eines Bundesstaats, die Funktionen der Europäischen Zentralbank (EZB) an jene der US-Notenbank angleichen, verstärkte Anleihenkäufe durch die EZB, ein einheitlicher europäischer Aktienmarkt. Eurobonds sind Teil einer Endphase, zuerst müssen die Zinsspreads der Staatsanleihen durch vertrauensbildende Maßnahmen reduziert werden.
Potacs: „Regeln sollen nicht nur aufgestellt, sondern auch eingehalten werden.“
- Die Steuerungsfunktion des Rechts hat in letzter Zeit stark eingebüßt: Bereits existierende strenge Regeln werden in der Realität nicht eingehalten.
- Kommt die Schuldenbremse in die Verfassung, ist das Recht beim Verfassungsgerichtshof einklagbar und wäre somit aus juristischer Sicht ein stärkeres Machtinstrument.
- Automatismus: Ein umgekehrtes Mehrheitsprinzip gilt bereits jetzt. In der Realität wurden Defizitverfahren jedoch vorzeitig eingestellt. Maßnahmen des Eurosystems sind vielleicht ökonomisch richtig, aber juristisch bedenklich, weil sie eventuell öffentlicher Finanzierung gleichkommen.
Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem KURIER