Europa Club Uni Salzburg: "Macht und Märkte. EU-Strategien zur Bewältigung der Finanzkrise"

Erste Station der “Europa trifft Uni”-Reihe im neuen Jahr: Uni Salzburg!

Martina Salomon (Stv. Chefredakteurin des KURIER) diskutierte am 10.1.2012 an der Universität Salzburg mit Gertrude Tumpel-Gugerell (ehem. Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank), Sonja Puntscher Riekmann (Universität Salzburg, Fachbereich für Politikwissenschaft und Soziologie) und Hans Winner (Universität Salzburg, Fachbereich für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften).

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem KURIER und dem Salzburg Centre of European Studies.

Hauptaussagen

TUMPEL-GUGERELL:

Zu Schwierigkeiten der Währungsunion: Einige Annahmen haben sich im Nachhinein als falsch herausgestellt (z.B. Auflösung von Ungleichgewichten, zu optimistische Wachstumsannahmen). Budgetregeln wurden nicht mehr eingehalten, die Finanzmarktaufsicht wurde nicht rasch genug europäisiert.

Zur Rolle der EZB: Deutschland und Österreich stehen in der geldpolitischen Tradition, primär Preisstabilität zu gewährleisten und Staatsfinanzierung zu verbieten. Andere europäische Länder haben andere Traditionen. Der Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt war etwa für Spanien von entscheidender Bedeutung, um Reformmaßnahmen zu ermöglichen, er dient der Stabilisierung der Finanzmärkte und ist rechtlich sehr wohl zulässig. Die US-amerikanische Zentralbank FED ist in der praktischen Umsetzung der Geldpolitik nicht so weit weg vom EZB-Mandat.

Eurobonds könnten langfristig kommen, sind derzeit aber für Deutschland kein akzeptabler Weg. Die EIB verwendet ein ähnliches Instrument mit klarem Rahmen für europäische Projekte.

Griechenland kann nur aus der EU, nicht aus dem Euro austreten, aber dies wäre ein gewaltiger Rückschritt.

Eine Europäische Ratingagentur könnte kommen. Agenturen haben bei der Bewertung von Staaten an Glaubwürdigkeit eingebüßt und möglicherweise die Schuldendynamik weiter verschärft.

PUNTSCHER RIEKMANN:

Das Maß an heterogenen nationalen Wirtschaftspolitiken hat Grenzen. Die praktische Umsetzbarkeit der bisher beschlossenen Maßnahmen ist fraglich, da man sehr stark auf nationale Behörden angewiesen ist. Auch Legitimationsfragen sind zu klären.

Ungarn: Art. 7 (Verletzung von Grundrechten) könnte in Kraft gesetzt werden, aber seit den Maßnahmen gegen Österreich traut man sich nicht mehr. Das ist eine grosse Schwäche der EU. Die Signalwirkung, wenn Recht rasch zu totem Recht werden würde, wäre negativ.

Zumutbarkeit von Sparmaßnahmen: Es wird zuwenig über die Gründe für Reformen diskutiert und zuwenig über Zeitabschnitte und Bedeutung kommuniziert. „Alles ist alternativlos“ ist ein problematischer Diskurs, die Polit-Kommunikation ist über weite Strecken “katastrophal”. „Das Sparpaket mit der Vertrauensfrage zu verbinden, ist nicht ganz koscher“. Diskussion über Alternativen fehlt.

Europäische Fiskalpolitik braucht eine andere demokratiepolitische Grundlage, die auch zu einer anderen Identifikation der Menschen führt, sonst kann sie nicht funktionieren.

WINNER:

Schuldenbremse: Skepsis ist angebracht: Maastricht-Regeln sind bereits eine Schuldenbremse, werden aber nicht eingehalten. Die Frage wird sein, welche Ausnahmeregelungen beinhaltet die Schuldenbremse (z.B. USA, CH). Bei Investitionen in die Zukunft können Schulden ökonomisch vernünftig sein, Verschuldung für Konsum ist aber problematisch. Ratingagenturen lassen sich durch einen „Marketinggag“ nichts vormachen. Schuldenbremse in der Verfassung ist letztlich eine “Bankrotterklärung der Politik”.

Ratingagenturen: Regulierung der Agenturen ist wichtiger als Schaffung einer Europäischen Agentur. Die Fehlkonstruktion, dass gewinnorientierte Unternehmen Staaten raten, sollte beseitigt werden. Eine übergeordnete internationale Instanz sollte die Wirtschaftsperformance von Staaten bewerten.

Die Stärke Europas liegt nicht in einer ökonomischen Homogenität, sondern in seiner Vielfalt.