Europa Club Uni Graz: "Ist die EU-Erweiterung in der Krise? Perspektiven für den westlichen Balkan"

Europa Club Uni zu Besuch an der Universität Graz – Diskussion über EU-Erweiterung mit Busek, Bozinovic und Kühnel

Hauptaussagen

Dr. Erhard Busek:

  • Die EU-Erweiterungsdynamik auch im Hinblick auf Südosteuropa wird unterschätzt. Erweiterungsschritte sind langwierige Prozesse, die mit dem rechtlichen EU-Beitritt eines Landes noch lange nicht abgeschlossen sind.
  • Der Beschluss von Thessaloniki 2003 gilt nach wie vor: Alle Balkanländer haben eine Beitrittsperspektive. Durch den Beitrittsprozess ist der Balkan zu einer stabilen Region geworden.
  • „Österreichs Selbstbetrug“: Österreichs Wohlstand ist auch auf die Erweiterung zurückzuführen, da die Unternehmen davon enorm profitieren. Darüber wird jedoch nicht gesprochen. Als Schwäche sieht Busek auch, dass es zu wenig europäische Öffentlichkeit gibt.
  • Bosnien: Das Dayton-Abkommen war wichtig für den Waffenstillstand, hätte aber weiterentwickelt werden müssen. Bosnische Politiker müssen ihr eigenes Land endlich wollen, das fehlt bisher.
  • Kosovo: Die Anerkennung ist ein längerer Prozess. Der Kosovo leidet darunter, als politisches Versatzstück verwendet zu werden.
  • Eine sinnvolle Kompetenzverteilung zwischen EU und Nationalstaaten muss diskutiert werden (Energiepolitik, Bildung etc.). Bei der Herausbildung einer europäischen Identität ist vor allem die Zivilgesellschaft stärker gefordert.

Botschafter Milan Bozinovic:

  • Der EU-Beitritt Serbiens ist eine politische Selbstverständlichkeit und wird von (fast) allen Parteien unterstützt. Die Qualität der Diskussion über den EU-Beitritt Serbiens ist gestiegen und rationaler als früher. Die serbische Öffentlichkeit ist für den Beitritt, weil sie die Gesellschaft nach dem Modell der EU reformieren will. Es geht nicht nur um eine bloße Mitgliedschaft, sondern darum, Werte in die Praxis umzusetzen. Gute Vorbereitung ist jedoch notwendig.
  • Die Krise wurde jedenfalls nicht durch die Erweiterung verursacht.
  • Das Kosovo-Problem ist lösbar. In der serbischen Öffentlichkeit rangiert der Kosovo erst an der 8. Stelle der wichtigsten Probleme.
  • Südosteuropas Bürger sollen sich in der EU erwünscht fühlen, aber wichtiger sind Fortschritte im eigenen Staat, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung.

Mag. Richard Kühnel:

  • Die EU-Erweiterung ist nach wie vor die stärkste Transformations- und Reformkraft in Europa.
  • Die „neuen“ Mitgliedstaaten sind nicht Teil des Problems, sondern der Lösung (zB Wirtschaftswachstum in Polen).
  • Kroatiens Beitritt darf nicht kleingeredet werden, trotz Krise schafft es die EU, Verhandlungen positiv abzuschließen.
  • Die Erfüllung der Beitrittskriterien wird immer schwieriger, da nicht nur der Aqui communautaire übernommen werden, sondern auch die Umsetzung der Reformen nachgewiesen werden muss.
  • Staaten, die der EU beitreten wollen, sollen ungelöste Probleme wie Grenzstreitigkeiten bereits im Vorfeld klären.

Die Veranstaltung wurde von Dr. Margaretha Kopeinig moderiert und in Kooperation mit Univ.-Prof. Dr. Florian Bieber (Zentrum für Südosteuropastudien) und dem KURIER durchgeführt.