ÖGfE-Umfrage: Die EU-Mitgliedschaft als Stabilitätsfaktor in instabilen Zeiten

Einstellung zur Europäischen Union als Stimmungsbarometer politischer Entwicklungen seit 1995

Die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft Österreichs ist auch in Pandemie-Zeiten hoch. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Eine seit 1995 bestehende Zeitreihe macht deutlich, wie sich politische Entwicklungen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene im Meinungsbild zur EU widerspiegeln.

In der von 1. bis 3. Dezember 2021 durchgeführten Umfrage (online, 800 Befragte österreichweit) sprechen sich 70 Prozent der Befragten dafür aus, dass Österreich Mitglied der Europäischen Union bleibt20 Prozent plädieren für einen Austritt aus der Union. 10 Prozent antworten „weiß nicht“ oder machen keine Angabe. Seit Beginn der Corona-Krise steigt die Zahl jener, die sich einen Austritt aus der EU wünschen, von einem im Jahresvergleich niedrigen Niveau ausgehend, an: Lag sie noch kurz vor dem Ausbruch der Pandemie im Dezember 2019 bei 8 Prozent, so hat sie seither um 12 Prozentpunkte zugenommen. Andererseits ist auch die Zahl der BefürworterInnen, die bis Anfang dieses Jahres rückläufig war, aktuell wieder im Steigen begriffen.

Insgesamt 64 österreichweite ÖGfE-Befragungen seit Juni 1995 zeigen, dass die BefürworterInnen der EU-Mitgliedschaft stets in der Mehrheit waren. Im Durchschnitt lag ihre Zahl bei rund 70 Prozent, was genau dem aktuellen Wert von Dezember 2021 entspricht, die Zahl jener, die sich für den EU-Austritt aussprachen, bei knapp 22 Prozent.

Die höchste Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft fand sich im November 1999 (82 Prozent) sowie im Juni/Juli 2002 (80 Prozent), der stärkste Wunsch nach einem Austritt im Juni/Juli 2008 (33 Prozent) sowie im Juni 2015 (32 Prozent). Ein näherer Blick auf die Zeitreihe macht deutlich, dass die EU-Befürwortung in den ersten Jahren nach dem Beitritt teils unter dem Ergebnis der EU-Volksabstimmung 1994 (66,6 Prozent Ja-Stimmen, 33,4 Prozent Nein-Stimmen) lag, was auf nicht erfüllte Erwartungen, und eben auf ein Zurückfahren bzw. die Ambivalenz der Europa-Kommunikation zurückzuführen war. Bis zum Jahr 2000 stieg die Befürwortung der Mitgliedschaft jedoch stark an, durchaus bedingt auch durch die erste österreichische EU-Ratspräsidentschaft 1998. Die bilateralen Maßnahmen der EU-14 aufgrund der Regierungsbeteiligung der FPÖ führten hingegen dazu, dass die Zustimmung wieder abfiel. In Folge der Terror-Anschläge in den USA und der Diskussion und Informationsarbeit im Vorfeld der Euro-Einführung ist dann wieder ein Anstieg zu konstatieren.

Einen absoluten Tiefpunkt erreichte die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft aufgrund der Ablehnung des Vertrags von Lissabon durch die irische Bevölkerung und der folgenden Diskussion in Österreich. War die Zustimmung zur Mitgliedschaft in den Anfängen der Wirtschafts- und Finanzkrise überwiegend positiv, erhöhte sich mit dem Schnüren von komplexen Hilfs- und Rettungspaketen in weiterer Folge jedoch der Wunsch nach einem EU-Austritt auf bis zu 30 Prozent. Auch die Flucht- und Migrationsbewegungen ab 2015, die mit dem Aufschwung rechtspopulistischer und nationalistischer Parteien und aggressiver Rhetorik verbunden waren, wirkte sich dämpfend auf die Zustimmung zur Mitgliedschaft in Österreich aus. Der Ausgang des EU-Referendums im Vereinigten Königreich sowie die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten leiteten hingegen eine starke Trendwende ein, die zu Jahren hoher Zustimmungswerte führte und bis zum Beginn der Corona-Pandemie anhielt.

Hintergrund:
Die aktuelle Umfrage wurde von market (
www.market.at) vom 1. bis 3. Dezember 2021 im Auftrag der ÖGfE durchgeführt. Befragt wurden österreichweit 800 Personen online, österreichische Bevölkerung ab 16 bis 80 Jahre, repräsentativ für Alter, Geschlecht, Region und Bildung. Maximale statistische Schwankungsbreite ca. +/- 3,54 Prozent. Differenz auf 100 Prozent aufgrund gerundeter Werte.