Die Bereitschaft, an der diesjährigen Europawahl teilzunehmen, ist in Österreich groß, auch wenn das Stimmungsbild zur EU alles andere als eindeutig ist. Was die unmittelbare Zukunft betrifft, wünschen sich die Befragten jedenfalls, dass sich die EU den Asyl- und Migrationsfragen annimmt, sich verstärkt darum kümmert, die Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern und sich den sicherheitspolitischen Herausforderungen widmet. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, die im Zeitraum April bis Mai 2024 unter 5400 Befragten österreichweit durchgeführt wurde.
71 Prozent der Befragten geben in der Umfrage an, „sicher“ (50 Prozent) oder „eher schon“ (21 Prozent) ihre Stimme bei der Europawahl abgeben zu wollen. 21 Prozent sagen hingegen, dass sie „eher“ (13 Prozent) oder „sicher nicht“ (8 Prozent) am 9. Juni ins Wahllokal gehen werden. 7 Prozent äußern sich nicht dazu. Die Wahlabsicht steigt mit höherem Alter und höherem schulischen Ausbildungsgrad. Männer zeigen sich eher bereit, ihre Stimme abzugeben als Frauen. Im Bundesländervergleich ist die Wahlbereitschaft in den bevölkerungsstärksten Ländern Niederösterreich und Wien am größten, während sie in Salzburg am geringsten ausfällt.
Rund drei Viertel der Österreicher:innen (73 Prozent) sagen, dass sie am europapolitischen Geschehen interessiert sind. Etwa ein Viertel (26 Prozent) hat weniger oder gar kein Interesse. Im Bundesländervergleich zeigen sich die Wiener:innen besonders interessiert, schwächer ist das Interesse demgegenüber bei Niederösterreicher:innen und Salzburger:innen .
Eine knappe Mehrheit von 52 Prozent fühlt sich „eher schlecht“ (37 Prozent) bzw. „sehr schlecht“ (15 Prozent) über die Arbeit und Aufgaben des Europäischen Parlaments informiert. Insgesamt 43 Prozent sehen sich auf einem „sehr guten“ (9 Prozent) bzw. „eher guten“ (34 Prozent) Informationsstand.
38 Prozent sind überzeugt, dass die EU-Mitgliedschaft Österreichs für das eigene Bundesland vor allem Vorteile gebracht hat. 31 Prozent sehen dagegen die Nachteile überwiegen. Ebenso viele sagen, dass es keinen Unterschied für ihr Bundesland macht, ob Österreich Mitglied der EU ist oder nicht. Im Ländervergleich bemerken Vorarlberger:innen am häufigsten explizit Positives durch die EU-Mitgliedschaft, gefolgt von Menschen aus Wien, Oberösterreich und Tirol. Am Ende der Skala stehen hier Niederösterreich und Salzburg.
44 Prozent sind der Ansicht, dass es mehr gemeinsames Handeln auf europäischer Ebene braucht, ebenso 44 Prozent wünschen sich hingegen eine stärkere Stimme der Nationalstaaten, während sich 13 Prozent in dieser Frage nicht sicher sind.
Befragte mit dem höchsten schulischen Ausbildungsgrad sprechen sich besonders für ein Mehr an gemeinsamen Entscheidungen aus. Menschen über 50 und Personen mit Lehrabschluss sind dagegen am häufigsten für eine größere Selbstbestimmung der Nationalstaaten.
Auf Bundesländerebene sind etwa die Hälfte der Befragten aus Wien, Vorarlberg und Tirol für „mehr Europa“, etwa die Hälfte der Befragten aus Kärnten, Niederösterreich und dem Burgenland favorisieren wiederum nationalstaatliche Entscheidungen.
Eine einheitliche EU-Asyl- und Migrationspolitik und eine Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich stehen bei den Österreicher:innen auf der Liste jener Themen, denen sich die EU vorrangig annehmen soll, praktisch gleichauf an erster Stelle – für 56 Prozent bzw. 55 Prozent der Befragten sollten diese Bereiche mit „hoher Priorität“ behandelt werden. Es folgen – recht knapp beieinander – die Stärkung der Zusammenarbeit in Sicherheit und Verteidigung (47 Prozent), der Klima- und Umweltschutz (45 Prozent) und eine Reform der EU (44 Prozent).
Am Ende der Skala gewünschter EU-Prioritäten findet sich die Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland (25 Prozent) sowie das Forcieren der EU-Erweiterung, welches nur für 10 Prozent hohe Priorität besitzt.
Eine einheitliche Asyl- und Migrationspolitik wird insbesondere von Menschen über 50 Jahre als hohe Priorität gesehen, am wenigsten von den 16 bis 29-Jährigen. Vor allem Menschen aus Oberösterreich und Wien drängen hier auf mehr EU-Engagement.
Die Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich ist Befragten aus Oberösterreich und Vorarlberg besonders wichtig.
Eine stärkere Zusammenarbeit bei Sicherheit und Verteidigung wird mit zunehmendem Alter und höherem schulischen Ausbildungsgrad häufiger gefordert und ist etwa im Burgenland die Top-Priorität.
Der Klima- und Umweltschutz wird häufiger von Personen mit hohem schulischen Ausbildungsgrad als Priorität gesehen und ist Frauen wichtiger als Männern. Befragte aus der Steiermark sehen das Thema auf der Prioritätenskala weiter oben, in Kärnten, Niederösterreich und im Burgenland ist dies weniger der Fall.
Hintergrund:
Im Zeitraum 11. April bis 14. Mai 2024 wurden von market (www.market.at) im Auftrag der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) 9 Bundesländerumfragen durchgeführt. Bei jeder Einzelumfrage wurden online 600 Personen pro Bundesland befragt – repräsentativ für die Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes nach Alter (16 bis 80 Jahre), Geschlecht, Region und Bildung (maximale statistische Schwankungsbreite +/- 4,1 Prozent).
Für die gesamtösterreichische Auswertung wurden die Ergebnisse der Bundesländerumfragen kumuliert (Sample 5400 Befragte). Sie sind repräsentativ für die österreichische Bevölkerung nach Alter (16 bis 80 Jahre), Geschlecht, Region und Bildung (maximale statistische Schwankungsbreite +/- 1,36 Prozent).
Die Umfragen sind Teil einer EU-Bundesländertour der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik im Vorfeld der Europawahlen, bei der sowohl aktuelle bundesländerspezifische Umfragedaten in den Landeshauptstädten präsentiert als auch in Europa Club-Veranstaltungen – in Kooperation mit den ORF-Landesstudios – mit EU-Kandidat:innen und EU-Expert:innen und einem jungen Publikum über die Europawahl diskutiert wird.