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Zur aktuellen Diskussion über die Roma-Ausweisungen aus Frankreich – Hintergrund

Zur aktuellen Diskussion über die Roma-Ausweisungen aus Frankreich – Hintergrund
Begründung der Europäischen Kommission für Vertragsverletzungsverfahren
Laut Viviane Reding, Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, verstößt Frankreich in der Frage der Ausweisungen von Roma gegen geltendes EU-Recht. Bereits am 25. August hatte Reding darauf verwiesen, dass:

  • jede/r Unionsbürger/-in das Recht hat, sich innerhalb der Union frei zu bewegen und aufzuhalten (Konsolidierte Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Artikel 21)
  • dieses Recht jedoch auch bestimmten Bedingungen unterliege:
  • Teilnahme am Arbeitsprozess, Krankenversicherung, Fähigkeit, sich selbst zu erhalten (Richtlinie 2004/38/EC, siehe Artikel 7, 27)

Das Aufenthaltsrecht kann aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränkt werden. Allerdings muss hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Von einer Ausweisung Betroffene müssten schriftlich über die Gründe der Ausweisung informiert werden (Artikel 30), hätten im Regelfall zumindest 1 Monat Zeit zum Verlassen des Landes und hätten die Möglichkeit, die Entscheidung bei einem nationalen Gericht anzufechten (Artikel 31).
Reding begründet ein mögliches Verfahren gegen Frankreich wie folgt (Statement vom 14.September):

  • Diskriminierende Anwendung der „Richtlinie 2004/38/EC“
  • Missachtung von Verfahrensgarantien im Rahmen der erwähnten Richtlinie

Zudem sei Diskriminierung, die auf der ethnischen Zugehörigkeit basiere, nicht mit jenen Grundwerten vereinbar, auf welchen die EU errichtet sei. Sie verstoße zudem gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (siehe auch: Artikel 21, 45)5.
Reaktion des Europäischen Parlaments
Am 9. September 2010 hat das Europäische Parlament in einer nicht namentlichen Abstimmung einen Entschließungsantrag angenommen (Ja: 345 / Nein: 245 / Enthaltungen: 51 Stimmen), in dem das EP die EK, den Rat und die Mitgliedstaaten auffordert, das Recht auf Freizügigkeit und das Gebot der Nichtdiskriminierung ethnischer Gruppen durchzusetzen. Das EP macht auch Bedenken gegen die Vorgangsweise Frankreichs (und anderer Mitgliedstaaten) geltend und fordert, alle Ausweisungen von Roma unverzüglich auszusetzen. Die EK wird aufgefordert, mit einer umfassenden Untersuchung der Frage zu reagieren.
In einer Reaktion auf die Entschließung des EP hält Eric Besson, Minister für Integration, u.a. fest, dass:

  • Frankreich keine spezifisch gegen Roma gerichteten Maßnahmen ergriffen hat
  • die Evakuierung illegaler Siedlungen französischem Recht entspricht
  • Frankreich keine „kollektiven Ausweisungen“ durchführe und jede Entscheidung

individuell geprüft werde und aus freiem Willen der Betroffenen – ohne polizeiliche Begleitung – geschehe.
Hintergrund
Seit Jahresbeginn haben Frankreichs Sicherheitsbehörden mehr als 8000 nicht-französische Roma des Landes verwiesen. Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass diese Menschen nach drei Monaten Aufenthalt in Frankreich weder einen Wohnsitz noch eine feste Arbeit hätten und daher nicht selbständig für ihren Lebensunterhalt sorgen könnten
(Siehe u. a. Presse-Kommuniqué vom 31. August 2010).