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Wie halten Sie es eigentlich mit Europa? (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Norbert Hofer vs. Alexander Van der Bellen. Die bevorstehende Hofburg-Stichwahl sollte ein Anlass sein, auch die grundsätzlichen europapolitischen Positionen des nächsten Bundespräsidenten – anhand öffentlicher Aussagen – nochmals zu verdeutlichen:

Hofer argumentiert, die EU “funktioniere nicht” und sei “undemokratisch”, daher müssten die EU-Mitgliedsländer Kernkompetenzen von europäischer Ebene zurückholen. Ziel wäre es, ein Europa der Vaterländer zu schaffen.

Van der Bellen hält die EU für “sicher nicht perfekt”, plädiert aber gerade deshalb für die Weiterentwicklung und Vertiefung der europäischen Integration, um grenzüberschreitende Herausforderungen auch gemeinsam lösen zu können.

Zwei Denkschulen stehen einander gegenüber: auf der einen Seite die Ansicht, ein übermächtiger Zentralstaat EU entmündige die Nationalstaaten und mache sie zu “Befehlsempfängern”. Hofer möchte zwar aktuell nicht aus der EU austreten, würde aber – sofern sich die Beitrittsfrage nochmals stelle – gegen einen Beitritt stimmen.

Auf der anderen Seite der Standpunkt Van der Bellens, dass Kleinstaaterei und die fehlende Bereitschaft der Mitgliedstaaten, an einem Strang zu ziehen, die aktuelle Handlungsunfähigkeit der EU gerade erst hervorriefen. Es wäre daher “der schlimmste Fehler”, aus der EU auszutreten.

Die EU fungiert somit im einen Fall vornehmlich als Problembeschreibung, im anderen als Lösungsansatz. Entsprechend unterschiedlich sind auch die weiteren Perspektiven: Hier eine EU, in der vermehrt nationale Volksabstimmungen – etwa über den Verbleib beim Euro – abgehalten, Zuständigkeiten in Bezug auf Immigration und Finanzen nationalisiert und eine engere Partnerschaft Europas mit Russland angestrebt werden.

Dort die Vision einer EU, die ihre Kräfte bündelt und die Aktionsfähigkeit in den großen europäischen Fragen wie Migration, Umweltverschmutzung, Terrorismusbekämpfung und Wirtschaftsentwicklung verbessert, langfristig die EU-Kommission zur Regierung Europas aufwertet und das Vetorecht der EU-Mitgliedstaaten im Europäischen Rat einschränkt. Statt 28 nationale brauche die EU einen EU-Finanzminister sowie ein eigenes Budget, das diesen Namen auch verdiene.

Fazit: Beide Kandidaten streben nach einer anderen EU: Hofer nach einer Renationalisierung europäischer Zuständigkeiten, Van der Bellen nach mehr Integration. Vor diesem Hintergrund sollten auch die Aussagen der Kandidaten zu aktuellen europapolitischen Fragen – von A wie Asyl bis Z wie Zentralisierung – betrachtet werden.

Welchen dieser beiden Ansätze sollte der österreichische Bundespräsident zukünftig vertreten? Welche Positionen tragen besser dazu bei, dass sich Österreich in Zukunft behaupten kann? Auch darüber entscheiden die Österreicher bei der Bundespräsidenten-Stichwahl am 22. Mai.

Dabei steht eines fest: Die Europäische Union ist weder Problem noch Lösung. Sie ist einfach das, was man – und damit auch das offizielle Österreich – aus ihr macht. Und da gibt es noch merklich Verbesserungspotenzial.