Eine Replik auf den Gastkommentar von Barbara Kolm in der “Wiener Zeitung” vom Mittwoch, 17. Juli 2013
Als EU-Mitglied kommt Österreich für etwa zwei Prozent des EU-Budgets auf. Damit finanzieren wir gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedern eine nicht sehr große, aber ziemlich effiziente EU-Verwaltung.
In Wirklichkeit entspricht die Beamtenschaft jener einer mittelgroßen europäischen Stadt, wobei sie teils direkt für mehr als 500 Millionen Europäer verantwortlich ist. Die Verwaltungsausgaben dafür sind mit rund sechs Prozent (gut drei Prozent Personalkosten) des EU-Jahresbudgets überschaubar.
Keine Frage: Die historisch gewachsenen EU-Strukturen gehören reformiert. Trotzdem: Kritik an Strukturen und Beamten mag medial ankommen, greift aber zu kurz. Wichtig wäre es, sich mit den grenzüberschreitenden Auswirkungen nationalstaatlicher Politik auseinanderzusetzen.
Die “EU versus wir” gibt es nicht, ebenso wenig ist ein “fernes Wesen EU” auf “Irrwegen”. Unsere national gewählten Politiker sind für die europapolitische Richtung verantwortlich. Die Vielzahl national geprägter Interessenslagen erschwert jedoch eine gemeinsame Politik. Deshalb treten die wirklich “wichtigsten” Think Tanks für vertiefte Integration ein und nicht für eine Reduzierung auf den EU-Binnenmarkt.
Es gibt eine Vielzahl von anschaulichen Beispielen – von Banker-Boni bis Roaming-Gebühren – mit positiven europäischen Lenkungseffekten. Nicht jede Regulierung führt zur Harmonisierung. Aber eine fehlende europäische Steuerkoordinierung im Unternehmensbereich führt zu einem Steuerwettbewerb nach unten, entzieht dem Staat Einnahmen und schadet so tatsächlich der Allgemeinheit. Das Ziel sind Rahmenbedingungen für einen “effizienzfördernden Wettbewerb”.
Die Frage, welche politische Ebene wofür zuständig sein soll, ist legitim. Es gibt Argumente für Kompetenzverlagerungen in beide Richtungen. “Freie” Märkte sind jedoch kein Selbstzweck und tendieren teils zu Übertreibungen. Gerade die unzureichend kontrollierten Finanzmärkte haben ja die Grundlage für die aktuelle Krise geschaffen. Lösungsstrategien wurden nicht von den Märkten, sondern von europäischer Politik und Europäischer Zentralbank entwickelt. Ohne die ordnungspolitischen Regulierungsmaßnahmen wäre die europäische Finanzwirtschaft noch stärker beschädigt worden.
Auch wenn es Friedrich Hayek vielleicht nicht gepasst hätte: Die EU strebt im Vertrag über die Europäische Union eine “in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt” an. Sie “bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz”. Sie “fördert den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten”.
An diesen gemeinsamen Zielsetzungen sollte sich die europäische Politik – gerade in schwierigen Zeiten – ganz besonders orientieren.