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Die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft ist hoch, jetzt muss das Zeitfenster für Reformen genützt werden

Seit der Brexit-Abstimmung und den Wahlen in den USA ist die Zustimmung der Österreicherinnen und Österreicher zur EU-Mitgliedschaft deutlich gestiegen. In einer aktuellen ÖGfE-Umfrage sprechen sich 77 Prozent der Befragten dafür aus, dass unser Land Mitglied der EU bleibt. 15 Prozent plädieren für einen Austritt aus der Union. 8 Prozent beziehen keine Stellung.
Die Österreicher stehen der EU ambivalent bis pragmatisch gegenüber. Vieles wird – oft auch zurecht – kritisiert. Man schätzt es trotzdem, Teil der europäischen Familie zu sein – insbesondere wenn sich das internationale Umfeld als zunehmend instabil erweist. Seit der Hofburg-Wahl hat sich der Europa-Diskurs hierzulande in eine eindeutige Richtung entwickelt – ein etwaiger Austritt aus der Union ist kein Thema.
Seit April 2016 ist die Zahl der Mitgliedschaftsbefürworter kontinuierlich – um 17 Prozentpunkte – gestiegen. Gleichzeitig hat sich die Zahl jener, die einen EU-Austritt befürworten, um die Hälfte verringert.
Insgesamt 55 österreichweite ÖGfE-Befragungen seit Juni 1995 zeigen, dass – trotz Schwankungen – die BefürworterInnen der EU-Mitgliedschaft stets in der Mehrheit waren. Im Durchschnitt lag ihre Zahl bei rund 70 Prozent, die Zahl jener, die sich für den EU-Austritt aussprachen, dagegen bei 23 Prozent. Die höchste Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft fand sich im Juni/Juli 2002 (80 Prozent), der stärkste Wunsch nach einem Austritt im Juni/Juli 2008 (33 Prozent).
Gründe für die deutlich höhere Zustimmung der Österreicher zur Mitgliedschaft in der EU gibt es viele. Die Wirtschaftsprognosen sind so positiv wie schon lange nicht mehr, die Migrationsthematik ist – zumindest derzeit – weitgehend unter Kontrolle. Das britische Brexit-Chaos und die zunehmende Unberechenbarkeit der USA sowie der Aufschwung autoritärer Regime wie in Russland oder der Türkei lassen die EU in den Augen der Österreicher als eindeutig bessere Alternative erscheinen.
Und doch sind die Herausforderungen weiterhin groß. Die Performance auf europäischer Ebene lässt in vielen Bereichen zu wünschen übrig. Darauf deuten auch die neuesten Eurobarometer-Daten hin, wonach nur 38 Prozent der Österreicher der Union ihr Vertrauen aussprechen – ein Wert, der etwa im europäischen Durchschnitt liegt.
Nach den Reformvorstößen von Jean-Claude Juncker und Emmanuel Macron ist es nun Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen, um das kurze Zeitfenster für eine positive Neuausrichtung der Union zu nützen. Österreich sollte sich gerade vor dem Hintergrund des kommenden EU-Ratsvorsitzes auch inhaltlich, proaktiv und konstruktiv einbringen.
Paul Schmidt
Hintergrund:
Die Umfrage wurde von der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft vom 16. November bis 5. Dezember 2017 im Auftrag der ÖGfE durchgeführt (Tel SWS 268). Befragt wurden österreichweit 512 Personen per Telefon (repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 18 Jahre/Gewichtung nach Geschlecht, Alter und Bildung). Maximale Schwankungsbreite ca. +/- 4,3 Prozent. * Rest auf 100 Prozent = „weiß nicht/Keine Angabe“.
Die Umfrage wurde als Teil des Projekts Anti EU-rhetoric versus own national interests? National populism and its reception in Central Europe” im Rahmen des Europa für Bürgerinnen und Bürger Programms der Europäischen Union durchgeführt.