1. Richtigstellung zum Vertrag von Lissabon
Behauptet wird:
Der Vertrag von Lissabon zwingt uns zu Militäreinsätzen und unterwandert Österreichs Neutralität
Richtig ist:
Alle Entscheidungen, die militärische Fragen betreffen, müssen nach wie vor einstimmig getroffen werden. Jeder Mitgliedsstaat entscheidet selbst, ob und wieweit er sich an EU-Einsätzen beteiligen will. Österreichs Neutralität wird zudem in zahlreichen Einzelbestimmungen im Vertrag gesondert berücksichtigt.
Neu im Vertrag von Lissabon ist die Solidaritätsklausel, die die gegenseitige Hilfe der Mitgliedsstaaten im Falle von Katastrophen und Terroranschlägen garantiert. Die Solidaritätsklausel wird nur auf Ersuchen des betroffenen Landes wirksam. Ob die Hilfe mit zivilen oder militärischen Mitteln geleistet wird, bleibt jedem Mitgliedsland selbst überlassen. Österreich kann sich immer für die zivile Hilfeleistung entscheiden!
Auch die ebenfalls neu eingeführte militärische Beistandsklausel schafft keine neutralitätswidrigen Verpflichtungen für Österreich. Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich zwar, sich im Falle eines bewaffneten Angriffs auf einen Mitgliedsstaat gegenseitig zu helfen und zu unterstützen, die neutralen und bündnisfreien EU-Staaten können aber von Fall zu Fall über Art und Umfang der Hilfeleistung selbst entscheiden. Eine Hilfeleistung muss keinesfalls militärischer Art sein.
Behauptet wird:
Der Vertrag von Lissabon beinhaltet eine Verpflichtung zur permanenten Aufrüstung. Damit ist die EU kein Friedensprojekt mehr.
Richtig ist:
Gefordert wird zwar eine „schrittweise Verbesserung“ militärischer Fähigkeiten, damit ist aber keine Aufrüstung gemeint: Es geht nicht um ein „Mehr“ an Rüstung, sondern um eine Verbesserung und Anpassung der militärischen Kapazitäten. Der Vertrag enthält zudem keinerlei verbindliche Mindeststandards.
Behauptet wird:
Der Vertrag von Lissabon fördert Atomenergie. Auch Österreich muss in Zukunft Atomenergie erzeugen.
Richtig ist:
Der Vertrag von Lissabon hält ausdrücklich fest, dass die Mitgliedsstaaten selbst über die Nutzung und Erzeugung ihrer Energie entscheiden. Niemand kann Österreich zur Erzeugung von Atomenergie zwingen. Die Entwicklung neuer und erneuerbarer Energiequellen wird ausdrücklich gefördert.
Der Euratom-Vertrag wird durch den Vertrag von Lissabon in keiner Weise verändert.
Euratom ist schon seit 50 Jahren rechtsverbindlich verankert, kann aber bei Bedarf weiterhin angepasst und verbessert werden. Auch im geltenden Euratom-Vertrag wird die Atomenergie nicht anderen Energieformen vorgezogen.
Behauptet wird:
Der Vertrag von Lissabon ist undemokratisch, da es in Österreich keine Volksabstimmung über ihn gegeben hat.
Richtig ist:
Die Ratifizierung des Vertrags von Lissabon erfolgt in jedem Land nach seiner innerstaatlichen Verfassung. Österreich hat eine repräsentative Demokratie, dabei ist grundsätzlich eine parlamentarische Ratifizierung vorgesehen. Nur bei Änderungen der „Grundprinzipien“ der Bundesverfassung wäre zwingend eine Volksabstimmung erforderlich.
Da der Vertrag von Lissabon diese Grundprinzipien aber nicht ändert, ist eine Volksabstimmung rechtlich nicht vorgesehen. Dass es in Österreich keine Volksabstimmung gegeben hat, liegt also nicht an dem Vertrag von Lissabon, sondern an der österreichischen Bundesverfassung.
Behauptet wird:
Der Vertrag von Lissabon verankert den Neoliberalismus in der EU
Richtig ist:
Durch den Vertrag von Lissabon wird die Grundrechtecharta rechtsverbindlich. Sie enthält auch soziale Grundrechte wie das Recht auf Kollektivverhandlungen, Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung und gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen.
Als wirtschaftliche Ziele formuliert der Vertrag eine soziale Marktwirtschaft, die Schaffung eines Binnenmarktes mit ausgewogenem Wirtschaftswachstum, Preisstabilität und Vollbeschäftigung. Auch die Solidarität zwischen den Generationen und der Schutz der Rechte der Kinder werden als neue Ziele der EU genannt. Außerdem verfolgt die EU wie bisher die Ziele der Gleichstellung von Mann und Frau, die soziale Gerechtigkeit und die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung und Diskriminierung.
Die Sozialpartnerschaft wird durch den Vertrag von Lissabon anerkannt und gestärkt. Es wird nun auch auf europäischer Ebene eine Mitsprachemöglichkeit der Sozialpartner geben. Das ist gerade für Österreich mit seinem sozialpartnerschaftlichen System sehr wichtig.
Behauptet wird:
Der Vertrag von Lissabon überträgt große Entscheidungsmacht an demokratisch nicht mehr kontrollierbare Instanzen (Kommission, Rat, Ratspräsident, Hoher Beauftragter für Außenpolitik).
Richtig ist:
Das Europäische Parlament, welches direkt von den BürgerInnen gewählt wird, hat durch den Vertrag von Lissabon deutlich mehr Rechte und Zuständigkeiten bekommen. Bei der Gesetzgebung entscheidet das Parlament nun in fast allen Fällen mit und ist damit dem Rat (Organ der Mitgliedsstaaten) praktisch gleichgestellt. Es wählt zudem den Kommissionspräsidenten und stimmt der Ernennung der Kommission zu. Auch beim Beschluss des EU-Budgets hat das Parlament nun mehr Einfluss.
Auch die nationalen Parlamente haben durch den Vertrag von Lissabon mehr Einfluss auf die Gesetzgebung der EU. Wenn die Kommission ihre Zuständigkeit überschreitet, können die nationalen Parlamente eingreifen und die „gelbe Karte“ ziehen. Die Kommission muss ihren Vorschlag dann überprüfen und rechtfertigen, Rat und Parlament müssen die Positionen mitberücksichtigen. Das kann bis zum Abbruch der Gesetzgebungsinitiative führen.
Erstmals gibt es durch den Vertrag von Lissabon nun auch auf europäischer Ebene Elemente der direkten Demokratie. Mit dem europäischen Volksbegehren können eine Million BürgerInnen eine Gesetzesinitiative bei der Kommission anregen.
Die Demokratie wird auf EU-Ebene durch den Vertrag von Lissabon also in mehrfacher Weise gestärkt und nicht geschwächt.
Behauptet wird:
Der Vertrag von Lissabon macht Brüssel zu einem Superstaat, in dem Österreich nichts mehr zu sagen hat.
Richtig ist:
Die Übertragung von Zuständigkeitsbereichen an die EU erfolgt nur durch einstimmigen Beschluss aller Mitgliedsstaaten. Der Vertrag von Lissabon ermöglicht eine klare Abgrenzung und Klarstellung der Zuständigkeiten. Auch eine Rückübertragung von Zuständigkeiten auf die Staaten ist durch den Vertrag von Lissabon möglich.
Bei national besonders sensiblen Themen (Steuerpolitik, soziale Sicherheit, Außen- und Sicherheitspolitik) hat jeder Mitgliedsstaat ein nationales Vetorecht. Österreich hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass auch bei der Wahl der Energieform, bei der EU-Erweiterung und den Bodenressourcen Einstimmigkeit erforderlich ist. Es gibt also keinen Zwang zur Atomenergie und keinen Ausverkauf unseres Wassers.
Auch bei Entscheidungen, die nicht in Wien sondern, in Brüssel gefällt werden, hat Österreich immer eine garantierte Mitentscheidung: Im Rat der EU sitzt auch ein Vertreter der österreichischen Regierung. Im Europäischen Parlament sitzen 19 österreichische Abgeordnete (zwei mehr als bisher), die direkt von den österreichischen BürgerInnen gewählt werden. Ohne diese beiden Institutionen passiert in der EU nichts.
2. Vertrag von Lissabon – Was bedeutet das für Sie?
Die EU wird demokratischer!
Stärkung der Bürgerrechte durch erstmalige Möglichkeit eines europäischen Volksbegehrens mit nur einer Million Unterschriften aus mehreren Mitgliedstaaten.
Stärkung der nationalen Parlamente durch mehr Mitwirkungs- und Kontrollrechte.
Wenn die Kommission ihre Zuständigkeiten überschreitet, können die nationalen Parlamente eingreifen. Brüssel darf nur dann tätig werden, wenn die Nationalstaaten die Aufgaben nicht alleine bewältigen können.
Stärkung des Europäischen Parlaments durch mehr Rechte und Zuständigkeiten. Das Parlament entscheidet bei 95% der EU-Gesetzgebung mit, darunter wichtige Bereiche wie die Gemeinsame Agrarpolitik, die Handelspolitik und der Bereich Justiz und Inneres. Auch beim Beschluss des EU-Budgets hat es in Zukunft mehr Einfluss. Der Kommissionspräsident wird künftig auch vom Europäischen Parlament gewählt, außerdem bestätigen die Abgeordneten das Kommissionskollegium und können auch einen Misstrauensantrag gegen die Europäische Kommission stellen.
Die EU wird sozialer!
- Stärkung der sozialen Grundrechte durch die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtecharta. Sie beinhaltet auch das Recht auf Kollektivverhandlungen, Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung und gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen. Die BürgerInnen können in Zukunft beim Europäischen Gerichtshof klagen, wenn sie sich durch einen europäischen Rechtsakt in ihren Grundrechten verletzt fühlen.
- Stärkung der Sozialpartnerschaft durch die Gewährung einer Mitsprachemöglichkeit der Sozialpartner auf europäischer Ebene. Bei Fragen im Bereich Sozialpolitik gibt es vor Unterbreitung von Vorschlägen durch die Kommission eine Anhörung der Sozialpartner. Die Sozialpartner haben auch die Möglichkeit, Stellungnahmen und gegebenenfalls Empfehlungen zu Gesetzesinitiativen zu übermitteln.
Die Anerkennung der Sozialpartner ist gerade für Österreich mit seinem gewachsenen sozialpartnerschaftlichen System sehr wichtig. - Stärkung der sozialen Marktwirtschaft durch die vertragliche Verankerung als Ziel der Europäischen Union. Angestrebt wird eine nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und Preisstabilität sowie eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt.
Die EU wird solidarischer, Österreichs Neutralität bleibt gewahrt!
- Stärkung des Zusammenhalts durch eine Solidaritätsklausel gegenüber terroristischen Bedrohungen und Naturkatastrophen. Das bedeutet ein Mehr an Sicherheit für jeden Mitgliedsstaat. Jedes Land entscheidet selbst, welche Art von Hilfe es leistet – militärische Unterstützung ist nicht verpflichtend.
- Wahrung der Neutralität trotz neu eingeführter militärischer Beistandspflicht. Der Vertrag hält ausdrücklich fest, dass der „besondere Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten unberührt“ bleibt. Österreich bleibt also weiterhin neutral.
Die EU wird stärker im globalen Geschehen
Stärkung des internationalen Gewichts durch das neue Amt des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik, der für fünf Jahre ernannt wird. Er vertritt die EU nach außen und leitet die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Alle Entscheidungen bleiben aber Sache der Mitgliedsstaaten, sie formulieren sie einstimmig.
Der Hohe Vertreter wird als Chefdiplomat einem eigenen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) vorstehen. Gerade kleine Staaten, die nicht überall eine eigene Vertretung haben, können davon profitieren.
Die EU wird kein „Superstaat Brüssel“
Eindeutig begrenzte Zuständigkeitsbereiche der EU durch einstimmigen Beschluss aller Mitgliedsstaaten bei der Übertragung von Souveränität an die EU. Durch den Vertrag von Lissabon erfolgt damit eine klarere Abgrenzung und Klarstellung der Zuständigkeiten. Auch eine Rückübertragung von Zuständigkeiten auf die Staaten ist möglich.
Die EU darf nur aktiv werden, wenn die Nationalstaaten die Aufgaben nicht alleine bewältigen können!
Nationales Vetorecht bei national besonders sensiblen Bereichen (Steuerpolitik, soziale Sicherheit, Außen- und Sicherheitspolitik, Finanzierungsfragen). Einstimmigkeit ist auch erforderlich bei der Wahl der Energieform (Atomenergie), Bodenressourcen (Wasser) und EU-Erweiterung. Es gibt also keinen Zwang zur Atomenergie und kein Ausverkauf unseres Wassers!
Garantierte Mitentscheidung Österreichs, auch auf EU Ebene. Im Rat der EU sitzt auch ein Vertreter der österreichischen Regierung, der genau so viel Stimmrecht hat, wie jeder Vertreter eines anderen Landes. Im Parlament sitzen 19 österreichische Abgeordnete (zwei mehr als bisher), die direkt von den österreichischen BürgerInnen gewählt wurden und deren Interessen vertreten.
Die EU wird kein Zwangsverein
Freiwillige Möglichkeit des EU-Austritts durch erstmalige Regelung einer Austrittsklausel im Vertrag von Lissabon.