Die Schuldenkrise vertieft gesellschaftliche Gräben. Gerade die Jugend wurde von dieser Krise überproportional getroffen. – Gastkommentar Paul Schmidt, Die Presse, 23.09.2011
Die beruflichen Aussichten eines Jugendlichen in Europa variieren von Land zu Land, aber rosig sind sie derzeit nirgendwo: In der gesamten EU haben bereits fünf Millionen unter 25-Jährige keine Arbeit (21 Prozent). Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen hat sich in den meisten EU-Ländern durch die Wirtschaftskrise seit 2008 stark erhöht, in einigen sogar verdoppelt.
Am stärksten trifft es Spanien, wo fast jeder zweite Jugendliche ohne Job ist (45 Prozent). Auch Griechenland (38,5 Prozent) und die Slowakei (33,4 Prozent) kämpfen mit massiver Jugendarbeitslosigkeit. In Österreich waren Mitte 2011 8,7 Prozent der Jugendlichen ohne Arbeit, nur in den Niederlanden ist dieser Wert geringer (sieben Prozent).
Eine Quote für Jungpolitiker?
Dabei ist gerade auch die Jugend von sogenannten „atypischen Beschäftigungsverhältnissen“ wie Praktika ohne Bezahlung, Zeitarbeit oder befristete Jobs besonders betroffen – Arbeitsverhältnisse, die in Krisenzeiten zuallererst aufgelöst werden.
Von der gegenwärtigen Politik fühlt sich Europas Jugend bestenfalls beschränkt vertreten. Politisches Desinteresse wirft man ihr vor – aber wirklich mitgestalten lässt man sie auch nicht. Über ihre Zukunft entscheiden andere.
Der Jugend, die als heterogene gesellschaftliche Gruppe keine einheitliche Interessenvertretung vorweist, vermehrt Perspektiven und Partizipationsmöglichkeiten anzubieten, wäre Aufgabe der Politik. Die Stimmgewichtung zwischen den Generationen ist so ungleich verteilt, dass eine Quotenregelung für Junge, etwa in transnationalen Gremien und Parlamenten, in unserem alternden Europa durchaus diskutiert werden sollte.
Trotzdem – die Jugend läuft nicht automatisch nationalistischen Gruppierungen in die Arme. Ganz im Gegenteil: 79 Prozent der österreichischen Jugend sprechen sich, gemäß unseren Umfrageergebnissen, für einen Verbleib in der EU aus. Die junge Generation steht einem zusammenwachsenden Europa in vielen Bereichen weitaus aufgeschlossener gegenüber als ältere Befragte.
Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung befürworten junge Menschen deutlich häufiger weitere europäische Integrationsschritte wie etwa die Öffnung der Arbeitsmärkte und die Erweiterung der Schengengrenzen. Auf globale Herausforderungen wie Migration, Wirtschaftskrisen, internationale Kriminalität und Klimawandel erwarten sie sich europäische Antworten.
Das Berliner Beispiel
Mehr Europa ist also gefragt. Aber auch ein anderes Europa: Ein integriertes, weniger egoistisches und bürokratisches, dafür effizienteres und dynamisches, ein faireres, ein demokratischeres und transparenteres Europa.
Es mangelt Europas Jugend nicht am Gestaltungswillen, sondern an der Chancengleichheit bei politischer Partizipation. Nimmt sich niemand dieser Herausforderung an, werden vielleicht „europäische Jungpiraten“ – dem Berliner Beispiel folgend – bald frischen Wind in die etablierte Europapolitik bringen. Wer könnte es ihnen verdenken.