Athen ist pleite, aber das Referendum könnte einen Neustart bringen.
Trotz dieser Flucht nach vorne wird weiterverhandelt – wenn auch unter noch schwierigeren Vorzeichen.
Volksbefragungen sind grundsätzlich zu begrüßen. Aber ein Referendum mitten in der Endphase entscheidender Verhandlungen aus dem Hut zu zaubern, ist keine vertrauensbildende Maßnahme.
Das Votum wird als Verhandlungspoker instrumentalisiert. Fairer wäre es gewesen, dieses schon vor Wochen anzukündigen und nicht über schwer verständliche englische Verhandlungstexte abstimmen zu lassen. Niemand kann den Griechinnen und Griechen in wenigen Tagen erklären, worum es hier tatsächlich geht. Vor- und Nachteile sollten diskutiert werden, und das braucht vor allem Zeit. Wird nun über Einsparungen und Kürzungen oder doch über Schuldenschnitte und Wachstumsinitiativen abgestimmt? Der wirkliche Einsatz ist dabei viel höher. Auf dem Spiel stehen die Zukunft des Landes und die Glaubwürdigkeit Europas, die griechische Euro-Mitgliedschaft und das Schicksal der aktuellen griechischen Regierung, die zusätzlich in innerparteiliche Richtungsstreitigkeiten verwickelt ist.
Bitter ist aber auch, dass die Finanzminister der Eurozone nicht merken wollten, in welche Sackgasse sie sich selbst hineinmanövrierten.
Den möglichen Konsequenzen einer solchen Entwicklung wurde – Schutzschirme hin oder her – zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ebenso wenig wurde ausreichend hinterfragt, ob denn die europäische Medizin für den griechischen Patienten die einzig richtige war.
Da ist etwas gehörig schiefgelaufen, und zwar auf beiden Seiten.
Das Referendum könnte aber trotzdem eine Chance sein, das Herumlavieren zu beenden und Klarheit zu schaffen. Bei einem Nein könnte sich die Situation in Athen dramatisch zuspitzen. Neben dem Euro bräuchte das zahlungsunfähige Griechenland eine ungeliebte Zweitwährung, die rasant an Wert verlieren würde. Die Folge wären noch drastischere Reformen und Einschnitte. Europäische Finanzmittel würden, unter Bedingungen, fließen. Eine Ansteckung anderer EU-Mitglieder wäre nicht ausgeschlossen, und der europäische Zusammenhalt würde auf eine harte Probe gestellt.
Ein Ja wiederum würde den Weg zu einem europäischen Reformabkommen ebnen. Es würde Neuwahlen erzwingen – mit unsicherem politischen Ausgang. EU und EZB müssten ebenso weitere finanzielle Überbrückungshilfen bereitstellen. Andererseits könnte die nächste griechische Regierung auch an Glaubwürdigkeit gewinnen und neu durchstarten.
Vieles ist gegenwärtig im Fluss, doch eines steht fest: Um diesen Karren aus dem Sumpf zu ziehen, braucht es mehr europäische Leadership und weniger nationale Leader!