Wien (OTS) – Die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) und die Europäische Kommission bringen die Debatte über die Zukunft Europas hierzulande in Gang: Bei einem Europa Club Live erörterten heute Europaministerin Karoline Edtstadler, Umweltministerin Leonore Gewessler, Europaabgeordnete Claudia Gamon und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, welche Reformen Europa jetzt braucht.
Die heutige Debatte bildet den Auftakt zu einer Reihe von Diskussionsveranstaltungen, welche die Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich und die ÖGfE im kommenden Jahr gemeinsam in allen österreichischen Bundesländern organisieren werden. Die Ergebnisse werden in die Konferenz zur Zukunft Europas einfließen, die 2021 beginnen und bis Mitte 2022 andauern soll. Die Konferenz soll die Europäerinnen und Europäer zusammenbringen und jungen Menschen, der Zivilgesellschaft und den europäischen Institutionen als gleichberechtigten Partnern eine starke Stimme geben, wenn es um die Weiterentwicklung Europas geht.
„Die EU-Institutionen und die Mitgliedstaaten arbeiten derzeit auf Hochtouren, um die Corona-Pandemie zu überwinden. Dennoch dürfen wir die längerfristige Perspektive nicht aus den Augen verlieren: Die aktuellen Erfahrungen mit der Pandemiebekämpfung sind ein guter Anlass, uns gemeinsam besser aufzustellen, damit wir als Europäische Union Herausforderungen wie die Klimakrise, die Digitalisierung oder die Verteidigung unserer Werte und Standards in einer unsicherer gewordenen Welt besser und wirksamer meistern können“, sagte Martin Selmayr, Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich. Er moderierte den heutigen Europa Club Live gemeinsam mit ÖGfE-Generalsekretär Paul Schmidt.
„Aktuelle europäische Problemlösung und zukünftige Weichenstellungen müssen Hand in Hand gehen. Die großen Fragen unserer Zeit, von der Pandemiebekämpfung bis zum Klimaschutz, von der sozialen Gerechtigkeit und der Sicherheit bis zum internationalen Handel, warten nicht, bis wir alle internen Differenzen bis auf den letzten Beistrich ausgeräumt haben“, ergänzte Schmidt. „Grenzüberschreitende Fragen können wir nur gemeinsam lösen. Und genau das sollten wir auch tun. Nicht in dem wir Entscheidungen bis zur nächsten Krise aufschieben oder uns auf der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner verzetteln, sondern indem wir vom Reden ins Handeln kommen. Mit politischem Willen und europapolitischer Verantwortung kann beides gelingen: die EU neu aufzustellen und kommende Schwierigkeiten zu meistern“, so Schmidt.
„Aus den historischen Herausforderungen für Europa ergeben sich auch historische Chancen“, betonte Selmayr. So habe sich die Europäische Union angesichts der Corona-Krise binnen weniger Monate auf den größten EU-Haushalt aller Zeiten geeinigt. Im Zuge des mehrjährigen Finanzrahmens und des Aufbauinstruments NextGenerationEU stehen insgesamt 1,8 Billionen Euro für die kommenden sieben Jahre bereit. Erstmals wird ein wesentlicher Teil dieser Gelder durch von der Europäischen Kommission am Kapitalmarkt begebene gemeinsame EU-Anleihen finanziert.
EU beschafft gemeinsam Impfstoffe
Zudem bündeln die EU-Mitgliedstaaten ihre Kräfte im Gesundheitsbereich: Sie haben die Kommission damit betraut, Verträge im Namen aller EU-Staaten abzuschließen, um rasch und effizient Impfstoffe gegen das Coronavirus zu finden und herzustellen, die zügig allen Bürgerinnen und Bürgern in Europa und in Partnerstaaten zur Verfügung gestellt werden können. Die Kommission hat bereits bis zu zwei Milliarden Dosen an potenziellen Impfstoffen gesichert. „Europa hat in der Corona-Pandemie nach einigen Anlaufschwierigkeiten gezeigt, dass es durchaus handlungsfähig ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Als Europäische Union können wir weit mehr erreichen, als wenn jeder Mitgliedstaat für sich alleine handelt. Auch im Großen ist das ‚Wir‘ stärker als das ‚Ich‘. Es ist wichtig, dass wir uns diesen richtigen Grundansatz erhalten und jetzt unser gemeinsames Europa stärken“, sagte Selmayr.
Ein globaler Rundumblick zeige ebenfalls, dass jetzt der perfekte Zeitpunkt sei, Europa besser aufzustellen. Zum einen kündigt sich durch die Wahl von Joe Biden zum nächsten US-Präsidenten ein transatlantisches Tauwetter und eine neue Ära der Zusammenarbeit mit den USA an. „Aber wir dürfen auch nicht naiv sein“, ergänzte Selmayr. „Kein US-Präsident wird mehr den Job für Europa machen. Wir müssen unser Schicksal ein Stück weit selbst in die Hand nehmen.“ Zudem verändere sich die Geopolitik durch das wirtschaftliche Aufstreben Chinas und das Erstarken autoritärer Mächte in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas. „Das verlangt von der Europäischen Union ein stärkeres, robusteres Handeln in ihren Außenbeziehungen, wenn sie ihre Werte und Interessen in einer unsicherer gewordenen Welt verteidigen möchte.“
„Frag, was Du für ein besseres Europa tun kannst“
Aus Selmayrs Sicht ist es für ein starkes Europa zentral, dass die Mitgliedstaaten nicht nur Forderungen stellen, sondern zunehmend überlegen, was sie zum Wohle der Union einbringen können. „Frag nicht nur, was Europa für Dich tun kann. Frag, was Du für ein besseres Europa tun kannst.“
Der EU-Kommissionsvertreter betonte, dass EU-Vorschriften nicht auf fernen Planeten namens Brüssel und Straßburg entstehen. Die nationalen Regierungen sitzen bei EU-Entscheidungen am Tisch und bestimmen mit. Zudem gestalten demokratisch gewählte Europaabgeordnete alle EU-Gesetze maßgeblich mit. Es sei auch Aufgabe nationaler Politiker, das zu kommunizieren. „Wer die EU jahrelang zum Sündenbock stempelt und die nationalen Gestaltungsmöglichkeiten in der EU-Politik kleinredet, begibt sich auf gefährliches Terrain. Frag nach in London“, unterstrich Selmayr. „Jeder, ob jung oder alt, kann einen Beitrag dazu leisten, Europa jeden Tag ein Stückchen besser zu machen. Wir brauchen ein ideelles Crowdfunding für Europa. Die bevorstehende Konferenz über die Zukunft Europas ist eine sehr gute Gelegenheit, um auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene darüber zu beraten, wie wir alle zu einem besseren, stärkeren und faireren Europa beitragen können. Wir haben keine Zeit zu verlieren – die Welt wartet nicht auf Europa.“