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Österreich und die Atomkraft – David gegen Goliath? (Gastkommentar Paul Schmidt, Der Standard)

Im Verfahren gegen Hinkley Point entscheidet sich, ob Atomenergie in der EU als zukünftige Energiequelle unterstützt wird – oder auf das Abstellgleis kommt

Die österreichische Bundesregierung klagt gegen die staatliche Förderung des Ausbaus und Betriebs des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C beim Europäischen Gerichtshof. Der Ausgang dieser Nichtigkeitsklage wird zeigen, ob die Atomenergie in der EU eine Renaissance erlebt und weitere AKWs gefördert werden.
Warum bekämpft Österreich die Förderung von Hinkley Point? Jedem Staat ist die Wahl und Förderung seiner Energiequelle grundsätzlich selbst überlassen. Allerdings unterliegt die geförderte Energiegewinnung europäischen Regeln, die seit der Eingliederung des Euratom-Vertrags in den Lissabon-Vertrag auch für die Atomenergie gelten.

Keine Wettbewerbsverzerrung

Seit dem Vertrag von Lissabon dürfen staatliche Förderungen den Wettbewerb nicht verzerren. Im Fall von Hinkley Point C hat die EU-Kommission im Oktober 2014 grünes Licht für britische Fördermittel gegeben. Zusätzlich legitimiert die britische Regierung ihre Entscheidung mit notwendiger Versorgungssicherheit und einer besseren CO2-Bilanz. Der AKW-Ausbau sei somit auch eine klimawandelrelevante Investition und im Einklang mit den EU2020- und EU2030-Zielen.
Österreich lehnt allerdings Atomenergie und deren Förderung als “alternative Energiequelle” klar ab. Daher wird die Zusage der EU-Kommission als Fehlinterpretation gültigen EU-Rechts gewertet. Gemäß Lissabon-Vertrag, dürfen direkte Förderungen im Energiebereich an private oder teilprivate Unternehmen nur dann erfolgen, wenn diese “alternative” beziehungsweise “erneuerbare” Energie anbieten. Aus heimischer Sicht fällt Atomenergie eben nicht unter diese Kategorie. In Österreich, das knapp 80 Prozent seiner Energie aus erneuerbaren Quellen herstellt, gilt Atomenergie als rückständig, gefährlich und teuer.
Seit der Volksabstimmung über das Atomsperrgesetz von 1978 ist “Österreich gegen Atom”. Dieser Vorsatz hat sich mit dem Reaktorunfall in Tschernobyl 1986 in das politische Verständnis der Österreicherinnen und Österreicher eingebrannt und wurde 2009 zum Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich in den Verfassungsrang gehoben. Die Atomenergie ist hierzulande ein Politikfeld “non grata”. Österreich importierte zwar 2013 noch geschätzte 2,55 Prozent Atomenergie aus Graustromimporten, diese Importe sollen jedoch mit der gesetzlichen Kennzeichnungspflicht bis Ende 2015 auf null fallen.

Weitere Kläger

Mit seiner Position steht Österreich in Europa übrigens nicht ganz alleine da. Mittlerweile haben sich auch Luxemburg sowie einige private Stromerzeuger in Österreich und Deutschland der Klage beim Europäischen Gerichtshof angeschlossen. Ein Blick auf Europas Landkarte zeigt, dass bis auf Großbritannien, Tschechien, Slowakei, Frankreich, Finnland und Schweden kein Land eine langfristige Energieversorgung durch Atomkraft anstrebt.
Mit einem ersten Urteil durch den Europäischen Gerichtshof ist frühestens im Herbst 2016 zu rechnen. Aber sollte Österreich das Verfahren verlieren, werden vermutlich auch Tschechien und die Slowakei ihre AKWs rasch neu aufrüsten. Der Europäische Gerichtshof entscheidet letztlich darüber, ob die Atomenergie in der EU als zukünftige Energiequelle unterstützt oder ähnlich wie Kohle auf das Abstellgleis gestellt wird.