Die jüngsten Zahlen des Eurobarometers sprechen Bände. Aber die vergleichsweise negative Einstellung ist ein Spiegelbild des politischen Diskurses
“Um Europa schmackhafter zu machen, wäre es schon die halbe Miete, einmal auf Polarisierung und schnelle Schlagzeilen zu verzichten”, schreibt Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichische Gesellschaft für Europapolitik, in seinem Gastkommentar.
Die aktuelle Eurobarometer-Umfrage der Europäischen Kommission sorgt einmal mehr für gehörig Aufregung. Österreich findet sich im Vergleich der Mitgliedsländer abermals am unteren Ende der Skala wieder, wenn es gilt, die EU und einzelne Politikbereiche zu bewerten. Wie europaskeptisch sind wir aber wirklich? Und was könnte gegen EU-Frust getan werden?
Österreich steht im EU-Ranking an drittletzter Stelle bei jenen, die die EU positiv sehen – gerade noch vor Griechenland und Frankreich. Allerdings sind es nur 30 Prozent, die sich explizit negativ äußern, je ein Drittel sieht die EU positiv beziehungsweise neutral. Fragt man die Bevölkerung, ob unser Land nun EU-Mitglied bleiben soll, wie es in unseren Umfragen geschieht, ist die Antwort klar: Seit 1995 ist eine stabile Mehrheit von durchschnittlich 70 Prozent für den Verbleib, die Zahl der Austrittsbefürworter liegt bei einem guten Fünftel. Vergangenen April waren 68 Prozent für die EU-Mitgliedschaft, 25 Prozent für einen Austritt.
Obwohl das offizielle Österreich sich stets für die EU-Erweiterung um die Westbalkanstaaten ausspricht, sieht dies eine Mehrheit der Bevölkerung – schon traditionell – anders. Die Perspektive, auch die Ukraine, Moldau und Georgien aufzunehmen, wird angesichts der aktuellen Umstände die Erweiterungsskepsis nicht verringern. Österreich war und ist aufgrund seiner geografischen Lage besonders stark von EU-Erweiterungsrunden betroffen. Konkurrenzsorgen im Niedriglohnsektor, Sozialdumping und Zuwanderung in den Arbeitsmarkt waren bereits bei früheren Erweiterungen die großen thematischen Aufreger, die sich nun nahtlos fortsetzen. Und warum sollte man einer Vergrößerung der EU zustimmen, wenn stets kritisiert wird, wie sie schon aktuell funktioniert?
Fragwürdige Partner
Die vergleichsweise negative Einstellung ist ein Spiegelbild des politischen Diskurses, der sich selten durch Motiverklärung, dafür oftmals durch Ablehnung auszeichnet: von Klimaschutzmaßnahmen bis Mercosur, Schengen, EU-Budget und Fiskalregeln. Die heimische Europa-Erzählung verunsichert, Optimismus und Perspektiven finden wenig Platz. Zu sagen, das System ist kaputt, und symbolkräftig, etwa beim Thema Migration, auf fragwürdige Partner zu setzen ist nicht das beste Rezept, um das EU-Meinungsbild zu verbessern.
Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es auch heraus. Steht die europapolitische Kommunikation auf der Bremse und die Kritik im Vordergrund, bleibt auch die EU-Skepsis auf hohem Niveau. Um Europa schmackhafter zu machen, wäre es schon die halbe Miete, einmal auf Polarisierung und schnelle Schlagzeilen zu verzichten. Darüber hinaus sollte – im Hinblick auf die bevorstehenden Europawahlen – verstärkt das direkte Gespräch gesucht, Zusammenhänge erklärt und mit konstruktiven Vorschlägen Europa weiterentwickelt werden. Gut, dass die Diskussion über die EU lebendig ist, über Für und Wider gestritten wird.
Am Ende sollte aber das Gemeinsame, nicht das Trennende stehen. Das ehrliche Ziel müsste sein, vor allem das indifferente Drittel in der Bevölkerung zu erreichen und sich dabei auf die drängendsten Sorgen zu konzentrieren. Etwa auf die hohen Lebenshaltungskosten und die Inflation, die 61 Prozent der Befragten als größte Herausforderung sehen. Dass dies die Einwanderung wäre, sagen dagegen lediglich 21 Prozent. Und: Verlieren wir uns nicht in Schwarzmalerei. Schließlich zeigen die Eurobarometer-Daten auch, dass wir deutlich optimistischer in die Zukunft blicken, als dies im europäischen Durchschnitt der Fall ist. (Paul Schmidt, 12.7.2023)