Mit Ceta in die politische Sackgasse? (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Ceta, das geplante Wirtschafts- und Handelsabkommen der EU mit Kanada, wird besonders in Österreich kritisiert. In unseren Umfragen sehen drei Viertel die Vereinbarung skeptisch und fühlen sich über die Inhalte des Vertrags schlecht informiert. Jeder Zweite steht mittlerweile auch Freihandel insgesamt kritisch gegenüber. Keine gute Ausgangslage, um die Stimmung mit Nachbesserungen noch zu drehen.
Die Skepsis gegenüber Ceta hat eine Vielzahl an Ursachen. Gemeinsam ist ihnen ein insbesondere krisenbedingter Vertrauensverlust in die europäische Problemlösungskapazität. Ursache und Folge sind ein zunehmender Trend zur Renationalisierung, verbunden mit gegenseitiger Blockadehaltung und aufgeheizter gesellschaftlicher Debatte.
Die Politik hat lange gezögert, einen klaren Diskurs auch in Freihandelsfragen zu führen und etwaige Vor- und Nachteile zu erklären. Die Themenführerschaft wurde weitgehend an NGOs und Boulevardmedien ausgelagert. Das politische Informationsvakuum förderte ein diffuses Gefühl des Unbehagens. Die starke Emotionalisierung der Kampagnen führte zu verfestigten Standpunkten und reduzierter öffentlicher Kompromissbereitschaft. Im Windschatten der TTIP-Debatten wuchs das Misstrauen gegenüber dem weiter entwickelteren Ceta-Abkommen mit, wenig nachvollziehbare Kosten-Nutzen-Analysen vermochten die Stimmung nicht zu verbessern.
Dabei gibt es durchaus sachliche Gründe, Ceta mit einem kritischen Auge zu bewerten: Österreich mit seinem hochentwickelten Sozial- und Wohlfahrtssystem tut gut daran, auf die Einhaltung seiner Standards zu beharren. Die Notwendigkeit historisch gewachsener internationaler Schiedsgerichte wirft die Frage auf, warum selbst zwischen der EU und Kanada das Vertrauen in die jeweilige nationale Gerichtsbarkeit nicht ausreichend vorhanden ist.

Klar ist aber auch, dass uns der reflexartige Versuch, uns ins nationale Schneckenhaus zurückzuziehen, keinen Wohlstand sichern wird. Man kann Ceta rechtzeitig verbessern wollen, aber Freihandel insgesamt abzulehnen, ergibt wenig Sinn. Die EU – und gerade Österreich als kleine, in hohem Grad vom Export profitierende, Volkswirtschaft – wird auf freien – und fairen – Handel nicht verzichten können. In der ganzen Diskussion bleibt zudem auch unser gesellschaftliches Selbstbewusstsein auf der Strecke. Eigentlich unbegründet: Schließlich kann sich unsere Leistungsbilanz gegenüber Kanada durchaus sehen lassen.

Wir konzentrieren uns immer mehr auf Innenschau und Konsolidierung, auf eine Absicherung des bisher Erreichten. Sicherheit ist das neue Zauberwort und der kleinste gemeinsame Nenner.
Diese Ausrichtung mag zwar nachvollziehbar sein, aber entziehen können wir uns den internationalen Entwicklungen nicht. Wir sollten sie besser mitgestalten, indem wir einen europäischen Ausgleich suchen zwischen wirtschaftlicher Verflechtung und berechtigten Anliegen in den Bereichen Konsumenten- und Umweltschutz, Arbeitnehmerrechte und Soziales. Es braucht eine europaweite Debatte, wie dieser Spagat gemeinsam gelingen kann, sowie eine konstruktive und ehrliche Gegenerzählung zur kontinentalen Untergangsstimmung.