Liebes Großbritannien: Hinein oder hinaus aus Europa? (Artikel für EU-Infothek.com)

Mit seinem einsamen Veto gegen eine EU-Vertragsänderung zur Einführung strengerer Haushaltskontrollen hat der britische Premier Cameron den Weg zu einem neuen zwischenstaatlichen EU-Vertrag geebnet. Einem Fiskalpakt zwischen 26 EU-Ländern – aber ohne britische Mitsprachemöglichkeit.

Auch wenn die Entscheidung Camerons innenpolitisch gefeiert wird: Den britischen Interessen in Europa wurde damit ein Bärendienst erwiesen. London verzichtet aus freien Stücken auf die Mitgestaltung einer europäischen Fiskalunion – mit erheblichen Konsequenzen für die Rolle Großbritanniens in der EU als Ganzes und für London als Finanzplatz im Besonderen. Das Königreich könnte damit auf Dauer an europäischen Einfluss verlieren.
Der Premierminister hat aber auch eine Chance verpasst, antieuropäischen Reflexen und Vorurteilen gegenüber Kontinentaleuropa mit sachlichen Argumenten entgegenzutreten. Die britischen Commonwealth-Nostalgiker wittern Morgenluft; ein Referendum über einen Verbleib in der EU scheint im Bereich des Möglichen.
Auch wenn Großbritannien Entscheidungen auf europäischer Ebene oft torpediert und als schwieriger Verhandlungspartner gilt. Auch wenn die Beziehungen zwischen Brüssel und London von Ausnahmeregelungen, wie etwa den Euro und Schengen, gezeichnet sind. So nimmt die drittgrößte europäische Volkswirtschaft eine doch zentrale Rolle im Europäischen Integrationsprojekt ein:

  • -Eine europäische Außen- und Sicherheitspolitik ist ohne die außenpolitische Kompetenz und militärische Präsenz der Briten nur schwer vorstellbar. Speziell für das Verhältnis der Europäer zu den USA ist Großbritannien von Bedeutung.
  • -Der Binnenmarkt in seiner heutigen Ausgestaltung wäre ohne den britischen Beitrag nicht möglich geworden. Die Eurozone ist übrigens der weitaus wichtigste britische Handelspartner.
  • -Kaum ein EU-Land setzt europäische Richtlinien so konsequent um.
  • -Der ökonomische Sachverstand und die Finanzmarktkompetenz der Briten könnten – bei aller Kritik – den Kontinentaleuropäern zur Bewältigung der Krise noch hilfreich sein.

Kontinentaleuropa braucht ein konstruktives Großbritannien. Gerade in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise, die auch das britische Königreich schwer getroffen hat, sollte es sich seiner historischen Rolle erinnern. Wenn London den weiteren europäischen Integrationsweg fördert, hilft dies dem europäischen Projekt. Ein Großbritannien, das Entscheidungen aus politischer Taktik hintertreibt und alle anderen EU-Mitgliedsländer bremst, ist jedoch verzichtbar.
Also liebes Großbritannien: Entscheide dich für oder gegen Europa, aber entscheide dich.
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