Die Situation eskaliert. Seitdem die Unabhängigkeitsbefürworter in regulären Wahlen keine Mehrheit für die Loslösung Kataloniens bekamen, setzt die Regionalregierung auf Zuspitzung und eine – aus ihrer Sicht legitime – Volksabstimmung. Ein Vorhaben, das der spanische Verfassungsgerichtshof allerdings für illegal erklärte. Die spanische Regierung wird als Außenfeind in Szene gesetzt, die Auseinandersetzung als Match zwischen einem „Post-Franco-Regime“ und den „Verteidigern der Demokratie“ hochstilisiert. International positioniert sich die katalanische Regierung als Opfer, während zu Hause Gegenmeinungen und Rechtsstaat – mit Blick auf die gewünschte Selbstbestimmung – beiseitegeschoben werden.
Die „take back control“-Argumente der Nationalisten erinnern dabei an die Brexit-Debatte. Die vorgegaukelte glorreiche Zukunft als unabhängiger Kleinstaat hält keinem Realitätscheck stand. Der neu gegründete Staat würde international nicht anerkannt werden und die EU-Mitgliedschaft verlieren – mit allen ökonomischen Konsequenzen. Neben Spanien würden auch Frankreich, Belgien und Italien, ohne zu zwinkern, einen neuerlichen Beitrittsantrag ablehnen, allein aufgrund der eigenen separatistisch gesinnten Regionen. Zum Streiten gehören jedoch zwei. Die spanische Regierung hat nicht durch ausgeprägte Dialog- und Kompromissbereitschaft geglänzt. Man hat es nicht verstanden – anders als Belgien, die Schweiz und Kanada -, der Region ein Angebot zu machen. Vielmehr wurde 2010 das auch in Katalonien begrüßte Autonomiestatut aufgehoben.
Madrid hat es verabsäumt, rechtzeitig Brücken zu bauen. Während die spanische Politik – mit dem Ende der Franco-Diktatur – ihren Weg aus dem kastellanischen Nationalismus und – mit dem Ende des ETA-Terrorismus – aus dem baskischen Nationalismus gefunden hat, ist es bis heute nicht gelungen, eine mehrheitsfähige Antwort auf den katalanischen Nationalismus zu formulieren. Ein Scherbenhaufen, der nicht auf der Straße, sondern letztlich nur am Verhandlungstisch wieder aufgeräumt werden kann.