Handfeste Aktionen statt netter Worte

Die Coronapandemie hält Europa nach wie vor fest im Griff. Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus betreffen zwar die gesamte Bevölkerung, aber die wiederkehrenden Reise- und Ausgangsbeschränkungen, die Schließung von Bildungseinrichtungen, Sportvereinen, des Handels und der Gastronomie beeinträchtigen insbesondere Alltag und Zukunftsperspektiven der Jugend.

Gerade hierzulande wäre das Potenzial dafür vorhanden. Es müsste nur gehoben werden. Österreichs Jugend ist – das zeigen unsere Daten – der EU und auch der europäischen Zukunftsdiskussion gegenüber durchaus positiv eingestellt. Jeder und jede Dritte würde sich auf jeden Fall an der EU-Zukunftsdebatte beteiligen, lediglich acht Prozent schließen eine Teilnahme kategorisch aus. Und immerhin drei von fünf Jugendlichen bewerten die EU-Mitgliedschaft im Kontext der Pandemie als vorteilhaft für unser Land. Gute Voraussetzungen eigentlich, um in die Gänge zu kommen und auch das Europäische Jahr der Jugend zu einem Erfolg werden zu lassen: Dafür müssen allerdings jugendlicher Elan und demokratischer Gestaltungswille in handfeste Aktionen übersetzt werden. Schließlich geht es nicht darum, nett zu plaudern, sondern vom Reden ins Handeln zu kommen.

Jungen Menschen verbesserte politische Mitbestimmungsmöglichkeiten einzuräumen wäre ein erster Schritt. So könnte – nach österreichischem Vorbild – eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 auch in anderen EU-Ländern proaktiv zur Diskussion gestellt werden. Auch die Einführung von „Jugendquoten“ könnte ihrer Stimme mehr politisches Gewicht verleihen. Das Durchschnittsalter der 705 EU-Abgeordneten – ident jenem der Mandatare im österreichischen Nationalrat – liegt derzeit bei 49,5 Jahren. Da gäbe es noch reichlich Spielraum nach unten.

Demokratie erlebbar machen

Das Vorhaben der Bundesregierung, alle 15- bis 20-Jährigen einmal während ihrer Ausbildung nach Brüssel zu den EU-Institutionen reisen zu lassen, wartet ebenso auf seine Umsetzung. Indem europäische Demokratie hautnah erlebbar gemacht wird, könnte es viel dazu beitragen, das Interesse an Europa zu steigern und das Bewusstsein für europäische Zusammenhänge zu schärfen. Gelingt es, dieses ambitionierte Bildungsprojekt auf Schiene zu bringen – die ÖBB-Nachtzüge nach Brüssel und Straßburg wären für dessen Durchführung eigentlich prädestiniert –, könnte es europaweit Schule machen.

In Pandemiezeiten steigen das Frustrationspotenzial und das Misstrauen in die Politik. Damit gerade junge Menschen nicht weiter desillusioniert werden und sich aus dem politischen Gestaltungsprozess zurückziehen, muss das Jahr der Jugend nachhaltig wirken und mehr sein als nur ein Versprechen. Wir sollten nichts unversucht lassen, um den jungen Europäerinnen und Europäern ihre Lebenschancen zurückzugeben, und ihnen alle Möglichkeiten geben, ihre Zukunft selbst ein Stück weit in die Hand zu nehmen. „A little less talk, a little more action“ wäre doch ein angemessener Vorsatz für 2022.

Paul Schmidt