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„Griechischer Patient“ wird Europa verändern (Gastkommentar Paul Schmidt, Kurier)

Europa fehlt es an Emotion? Mitnichten. In den letzten Wochen haben wir einen Politkrimi erlebt, in dem neben der Zukunft Griechenlands auch gleich jene der Eurozone auf dem Spiel stand.

Endlose Verhandlungsrunden, immer neue Deadlines, ein kurzfristig angesetztes Referendum und zuletzt eine – zumindest vorläufige – Einigung zwischen den Euro-Ländern. Im Gegenzug für Reformen und Sparmaßnahmen wird mit Athen ein drittes Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro verhandelt. Fortsetzung des Krimis garantiert.
Schwachstellen
Obwohl Strukturveränderungen und Wachstumsinitiativen in Griechenland mehr als notwendig sind und ein Programm über drei Jahre die Zeit für einen Neustart bringen könnte, zeigt der Umgang mit den griechischen Problemen etliche Schwachstellen auf: Ist Hellas überhaupt in der Lage, sich selbst zu reformieren? Und muss sich nicht auch die Eurozone dringend weiterentwickeln? Die griechische Krise ist nämlich ebenso Symptom einer asymmetrischen Vergemeinschaftung der Wirtschafts- und Währungspolitik. Einer europäischen Währungspolitik stehen 28 Wirtschafts- und Finanzpolitiken gegenüber. Ohne diese zweite Säule bleibt das Euro-Fundament jedoch, gerade in Krisensituationen, instabil und brüchig.
Dass die Wirtschafts- und Währungsunion seit ihrer Gründung in unfertigem Zustand verharrt, ist kein Geheimnis. Und dass sich etliche Euro-Länder nicht vorschreiben lassen wollen, was sie eigentlich selbst beschlossen haben, erschwert europäische Lösungen. Daher mehren sich gerade jetzt wieder jene Stimmen, die sich für eine weitere Integration der Eurozone einsetzen. An Überlegungen mangelt es nicht. Sie reichen von gemeinsamem Schuldenmanagement bis zu einem eigenen Eurobudget, einem europäischen Währungsfonds und einem europäischen Finanzminister.
Neben den Veränderungen im Institutionengefüge braucht es Freiraum für wirtschaftspolitische Grundsatzdebatten. Das Europäische Parlament könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen und – noch stärker als bisher –als permanente Denkwerkstatt für die Entwicklung realistischer Strategien fungieren. Eine weiterführende wirtschafts- und finanzpolitische Integration erfordert eben auch stärkere demokratische Legitimation und Kontrolle. Daher wird der Ruf nach einem eigenen Eurozonen-Parlament, das die Eurogruppe ergänzen soll, immer lauter. Ein Euro-Sonderausschuss hätte etwa bei den festgefahrenen Verhandlungen mit Athen vermittelnd eingreifen können.
Nationale Interessen
Die Euro-Regierungschefs sollten über ihr eigenes Verhalten, ihre Denkweisen und ineffiziente europäische Verfahren reflektieren. Nationale Interessen haben in einer dezentralen Struktur zwar ihre Berechtigung, dürfen aber dem gesamteuropäischen Wohl nicht im Weg stehen. Die Griechenlandkrise hat deutlich gemacht, dass es höchste Zeit ist, diese Richtungsdebatte zu führen und Veränderungen zuzulassen. Die Hürden einer Vertragsänderung sollten uns davon nicht abhalten.