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"Griechenland und EURO-Schutzschirm: Fragen & Antworten" – Argumentarium

Griechenland-Paket / EURO-Schutzschirm Häufig gestellte Fragen
1) Warum wurde Griechenland in die Länder der Euro-Gruppe aufgenommen, wenn man wusste, dass die Budgetzahlen des Landes nicht stimmen?
Die Entscheidung zur Aufnahme Griechenlands vom Juni 2000 wurde auf Grundlage der damals vorliegenden Zahlen gefällt. Zu diesem Zeitpunkt erfüllte Griechenland die Konvergenzkriterien zur EURO-Einführung.Die aktuelle Situation zeigt aber, dass es nicht um das kurzfristige Erfüllen vonKonvergenzkriterien geht, sondern um Nachhaltigkeit der Wirtschaftsdaten und deren genaue Überprüfung.
Daher arbeiten die EU-Staaten derzeit auch mit Hochdruck an einer deutlichen Verschärfung der Finanzkontrollen. Ziel ist es, zu mehr Transparenz und Kontrolle, konkret bei den relevanten Wirtschafts- und Budgetdaten der EU-Staaten zu kommen. Dazu soll die europäische Statistikbehörde EUROSTAT entsprechende Kontroll- und Durchgriffsrechte erhalten, um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen und ein Gegensteuern zu ermöglichen.
2) Wie viel zahlt Österreich an Griechenland und über welchen Zeitraum?
Griechenland wurde insgesamt ein Darlehensrahmen von 110 Mrd. € (80 Mrd. € durch bilaterale Kredite der EURO-Staaten; 30 Mrd. € durch den InternationalenWährungsfonds/IWF) für die nächsten 3 Jahre gewährt.Der Beitrag Österreichs beträgt 2,3 Mrd. € und ist nicht „geschenkt“, sondern ein Kredit, der bei einer Laufzeit von drei Jahren mit 4,5% verzinst ist. Gesetzliche Grundlage für die Auszahlung des Geldes durch Österreich ist das Zahlungsbilanzstabilisierungsgesetz, die Zustimmung des Nationalrates zum Paket erfolgte am 20. Mai.Das Darlehen wird – je nach Fortschritt der Umsetzung der Sparmaßnahmen und Reformen in Griechenland – in Tranchen über die nächsten drei Jahre ausbezahlt. Die Bereitstellung der Kredithilfen ist an strikte Bedingungen geknüpft, Rückzahlung und Verzinsung müssen unter Einhaltung harter Auflagen gewährleistet werden. Die Umsetzung des griechischen Sparprogramms wird vierteljährlich von EU und IWF überprüft.
3) Wie wahrscheinlich ist es, dass Griechenland das Geld nicht zurückzahlen kann?
Ziel des griechischen Spar- und Restrukturierungsprogramms ist die nachhaltige haushaltspolitische Konsolidierung des Landes sowie die Wiederherstellung des Vertrauens an den Finanzmärkten.
Österreich geht – so wie die anderen Darlehensgeber in der EU – davon aus, dass die Kredite zurückgezahlt werden können.
Dafür spricht auch, dass dem IWF, der am Griechenland-Rettungspaket maßgeblich beteiligt ist, bisher bei jedem seiner Hilfsprogramme, die von ihm vergebenen Kredite auch zurückgezahlt wurden.
Je rascher die jetzt beschlossenen Reformen in Griechenland und in anderen europäischen Staaten greifen, desto schneller wird sich die gesamteuropäische Wirtschaft stabilisieren, und das Vertrauen der Märkte zurückkehren, um den notwendigen Aufschwung – auch in Griechenland – zu bringen, sodass die Kredite erfolgreich bedient werden können.
4) Warum wurde Griechenland nicht einfach in den Staatsbankrott geschickt?
Ein Bankrott Griechenlands (ungeachtet der damit im Land einhergehenden „sozialen Kosten“ wie explodierende Arbeitslosigkeit, stark sinkende Löhne, Zusammenbruch der öffentlichen Dienstleistungen, soziale Unruhen etc.) oder eines anderen Mitgliedes der Währungsunion würde unmittelbar zu hohen Verlusten von Banken und Versicherungen und damit zu einer neuen Banken-/Finanzkrise führen – mit den damit verbundenen Folgekosten und nachteiligen Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Österreich und ganz Europa.
Ein Staatsbankrott eines Mitgliedslandes würde damit den gesamten Währungsraum massiv unter Druck setzen und die Ansteckungsgefahr für andere EURO-Länder mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten erhöhen. Es galt mit dem Hilfspaket also auch, einen „Dominoeffekt“ in Richtung anderer Länder (Spanien, Portugal etc.) zu verhindern, von denen letztlich auch Österreich betroffen sein könnte.
Das Hilfspaket war aber auch ein Signal, dass man sich in der EU im Notfall aufeinander verlassen kann. Auch Österreich war – vor dem Hintergrund seines wirtschaftlichen Engagements in den nach Ausbruch der Finanzkrise krisengeschüttelten EU-Ländern Ungarn und Rumänien – eine Zeitlang unter Druck geraten. Unsere EU-/EURO-Mitgliedschaft hat sich als Stabilitätsfaktor erwiesen, insbesondere deshalb, weil EU und IWF – auch auf Drängen Österreichs – Ungarn und Rumänien rasch Zahlungsbilanzhilfe gewährten, und dadurch eine heikle finanzpolitische Situation stabilisiert werden konnte.
Ziel der Griechenland-Hilfe war/ist es, einerseits mit den Darlehen Griechenlands Schuldendienst und staatliche Handlungsfähigkeit sicherzustellen, andererseits aber auch einen Hebel zu haben, um notwendige Sparmaßnahmen und Strukturreformen durchzuführen.
5) Ist das „Griechenland-Paket“ und auch der „EURO-Schutzschirm“ nicht ein
reines Bankenrettungspaket?

Nein, weil
– nicht nur Banken griechische Staatsanleihen halten, sondern z.B. auch Pensionsversicherungen. In Staatsanleihen zu investieren kann grundsätzlich nicht als spekulatives Investment bezeichnet werden.
– nicht nur die Banken, sondern die Wirtschaft und der Wohlstand insgesamt auf dem Spiel standen, und es darum ging, eine „Kettenreaktion“ zu vermeiden: hohe Ausfälle wichtiger Banken führen zu einer neuen Finanz-/Wirtschaftskrise, mit den damit verbundenen Folgekosten für Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Österreich und ganz Europa.
Österreichische Banken haben in Griechenland Außenstände von ca. 4,5 Mrd. € (deutlich weniger als Institute anderer Länder). Banken sind ein wesentlicher Bestandteil einer funktionierenden Marktwirtschaft. Ein Staatsbankrott in Griechenland hätte nicht nur Auswirkungen auf die heimischen Banken, sondern auf die gesamte Volkswirtschaft mit geschätzten Folgekosten von bis zu 20 Mrd. €.
Für den österreichischen Anteil am EURO-Stabilisierungs-Paket (15 Mrd. €) muss kein zusätzliches Geld in die Hand genommen werden, weil die Haftungen aus dem seinerzeitigen (österreichischen) Bankenpaket nicht ausgeschöpft wurden bzw. reduziert werden.
Gleichzeitig werden derzeit entsprechende Maßnahmen für eine effizientere Kontrolle des europäischen Bankensektors diskutiert. Mit den geplanten Maßnahmen sollte sich auch dasRisiko verringern, dass die öffentliche Hand in Zukunft Aktionen zur Rettung gescheiterter Banken unternehmen muss.
6) Wird der Euro stabil bleiben oder ist eine Abwertung zu erwarten? Was passiert, wenn in der Euro-Zone eine heftige Inflation einsetzt?
Der gesunkene Wechselkurs gegenüber dem Dollar hat auch Vorteile, er hilft z.B. der für die österreichische Volkswirtschaft so wichtigen Exportwirtschaft.
Der gegenwärtige Wechselkurs zum EURO entspricht in etwa dem Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre, und wird als „Gleichgewichtskurs“ zwischen EURO und Dollar gesehen.
Das primäre Ziel der Europäischen Zentralbank ist es, die Stabilität von Preisen zu gewährleisten (die mit nahe bei 2% Inflation definiert wird). Entscheidend ist, dass die Kaufkraft des EURO erhalten bleibt – und diese ist derzeit nicht gefährdet! Preisstabilität wurde im EURO-Raum elf Jahre lang erfolgreich gewährleistet, für eine „übermäßige“ Inflation gibt es zurzeit keine Anzeichen.
7) Kann Österreich aus der Euro-Gruppe austreten und den Schilling wieder einführen?
Ein Austritt aus der Eurozone ist im EU-Vertrag nicht vorgesehen, außerdem wäre er mit hohen wirtschaftspolitischen Kosten und einer Abkoppelung vom europäischen Binnenmarkt verbunden. Das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in den EURO ist hoch und liegt bei etwa 61 % (ÖGfE-Umfrage, Mai 2010).
Einer WIFO-Studie von Februar 2010 zufolge brachte Österreichs EU-Beitritt einen Integrationsbonus von + 0,9% des BIP sowie +19.000 Arbeitsplätze pro Jahr. Die Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Einführung der gemeinsamen Währung verstärkten diese Effekte noch.
8) Besteht die Gefahr, dass andere Staaten ähnliche Rettungspakete wie Griechenland beantragen?
Um das zu vermeiden bzw. im Notfall rasch und wirksam helfen zu können, ist der „EUROSchutzschild“ in der Höhe von 750 Mrd. € ins Leben gerufen worden. Wenn andere EULänder, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind, die Reformanstrengungen und deren Umsetzung weiter erhöhen, dann wird auch die Ansteckungsgefahr verringert.
Derzeit ist daher nicht davon auszugehen, dass weitere Staaten vergleichbare Rettungspakete wie Griechenland beantragen, obgleich die Stabilitätsrisiken einiger Länder des Euroraumes – insbesondere Spanien, Portugal, aber auch Irland und Italien – seit Ausbruch der Griechenland-Krise gestiegen sind. Griechenland bleibt jedoch aufgrund des Vertrauensbruches nach Statistikmanipulationen und der Dimension seiner Risiken ein „Sonderfall“.
Noch im Mai haben auch Spanien und Portugal, die aufgrund ihrer hohen Budgetdefizite, fehlender privater Ersparnisse, hoher Arbeitslosigkeit sowie struktureller Schwächen ebenfalls überdurchschnittlich unter Druck sind, strenge Spar- und Konsolidierungsprogramme beschlossen. Weiters haben zuletzt Irland, Italien und Großbritannien umfassende Sparpakete mit z.T. drastischen Maßnahmen zum Abbau ihrer hohen Schulden geschnürt. Dies sollte zur mittelfristigen Entspannung der Finanzmärkte beitragen.
9) Welche Schritte werden von Mitgliedstaaten gesetzt, um den EURO künftig stabil zu halten?
Die Stabilisierung des Euro ist vordringliches Anliegen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone und ihrer Finanzminister: Bei den Gipfeln am 7. und 9. Mai wurde auf Basis von Artikel 122(2) des EU-Vertrages ein „Stabilisierungsmechanismus“ mit einem Gesamtvolumen von bis zu 500 Mrd. € beschlossen, der vom IWF um weitere 250 Mrd. € aufgestockt wird:
Der österreichische Beitrag für den gesamten Rettungsschirm würde bei 12 bis 15 Mrd. € liegen. Der Großteil des Geldes wird jedoch in Form einer Garantie zur Verfügung gestellt, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht schlagend wird. Das Rettungspaket dient vor allem dazu, die Märkte zu beruhigen und Spekulationen auf den Staatsbankrott in EUMitgliedsländern entgegenzusteuern.
10) Welche Reformen müssen EU-weit vorangetrieben werden, damit sich unsere Wirtschaft und Währung nachhaltig stabilisiert?
Parallel zu den finanziellen Hilfsmaßnahmen sowie Konsolidierungsanstrengungen müssen wirksame Schritte gesetzt werden, die auf eine nachhaltige und langfristige Stabilisierung der europäischen Wirtschaft und Währung abzielen. Auf EU-Ebene wird daher mit Hochdruck an einem entsprechenden Maßnahmenpaket gearbeitet, wobei derzeit u.a. diskutiert wird über: wirksamere Kontrollen der Finanzmärkte inkl. Hedge Fonds, Verbesserung der EUFinanzmarktaufsicht, strengere Kontrollen der Ratingagenturen, bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik (ex ante-Koordinierung nationaler Budgets), strengere Überwachung der Budgetdisziplin (schärfere Sanktionen im Rahmen des Stabilitätspaktes), Ausarbeitung von konkreten Krisenmechanismen (praktische Umsetzung des EURO-Rettungsschirms), neue Eigenkapitalvorschriften für Banken, Bankenabgabe/-fonds, Finanztransaktionssteuer.

Dieses Argumentarium wurde erstellt von:

BM für europäische und internationale Angelegenheiten
Österreichische Gesellschaft für Europapolitik
Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich