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Gestrandet in Griechenland: Aus den Augen, aus dem Sinn? (Gastkommentar Paul Schmidt, derStandard.at)

Der EU-Deal mit der Türkei kann eine solidarische Aufteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas nicht ersetzen Alleine vergangenes Jahr sind 880.000 Personen via Griechenland und Italien in die EU gekommen. Beide Länder liegen an der Schengen-Außengrenze und stehen unter besonders großem Migrationsdruck. Um zu helfen, hat die EU-Kommission schon im Mai 2015 erste Vorschläge zur Umsiedlung von Flüchtlingen, die internationalen Schutz beantragt haben, präsentiert. Im September beschlossen die EU-Innenminister, 160.000 Personen aus den am stärksten von der Flüchtlingswelle betroffenen EU-Ländern umzusiedeln. Darüber hinaus sollten 22.500 Personen direkt aus den Krisengebieten nach Europa geholt werden.
Bis Mitte März 2016 wurden – gemäß EU-Kommission – aus Griechenland und Italien jedoch lediglich 937 Personen umgesiedelt sowie 4.555 aus Krisengebieten in der EU neu angesiedelt. De facto funktioniert die Umsetzung der EU-Beschlüsse also nicht.
Rückstau in Griechenland Von dem Rückstau sind alleine in Griechenland etwa jene rund 50.000 Personen betroffen, die nach dem Schließen der Westbalkanroute am 25. Februar, aber noch vor dem Inkrafttreten der EU-Vereinbarung mit der Türkei am 20. März irregulär eingereist waren. Jene, die danach nach Griechenland kamen, werden auf Basis dieser Übereinkunft wieder in die Türkei zurückgeführt.
Darüber hinaus hat der Deal mit der Türkei den Flüchtlingszustrom nach Griechenland deutlich verringert. Derzeit erreichen rund 100 Migranten pro Tag die griechischen Inseln, vor der Vereinbarung waren es etwa 4.000 pro Tag. Für jeden von den Ägäis-Inseln in die Türkei rückgeführten Syrer soll ein anderer Syrer aus der Türkei in der EU neu angesiedelt werden. Vorrang erhalten dabei Migranten, die vorher noch nicht illegal in die EU kamen. Neben den noch rund 18.000 freien Plätzen sollen auf freiwilliger Basis weitere Neuansiedlungen bis zu einer Grenze von 54.000 zusätzlichen Personen erfolgen. Für jede Neuansiedlungsverpflichtung sollen jedoch auch die im Rahmen des Umsiedlungsbeschlusses bisher nicht vergebenen Plätze entsprechend verringert werden.
Schuldzuweisung statt Solidarität Damit stecken die 50.000 Personen auf dem griechischen Festland, in Idomeni, Piräus und anderen Orten fest. Die von der EU-Kommission anvisierte Umsiedlung von 6.000 Personen pro Monat findet nicht statt. Während etwa Schweden und Österreich aufgrund des massiven Flüchtlingszustroms eine befristete Aussetzung ihrer zugeteilten Quote erwirkt haben, Großbritannien nicht mithilft und die Visegrád-Länder sich grundsätzlich weigern, blockieren auch andere EU-Länder nach wie vor die aliquote Übernahme der Migranten. Mitte März boten 18 EU-Länder gerade einmal 3.723 der 160.000 Plätze an. Die von ihnen gestellten Bedingungen, zusätzliche Sicherheitsüberprüfungen und definierte Präferenzen hinsichtlich des Flüchtlingsprofils führen zu massiven Verzögerungen und Differenzen bei der vereinbarten Umsiedlung dieser Menschen. Weniger gegenseitige Schuldzuweisung, mehr Solidarität und europäisches Problemlösungsbewusstsein wären jetzt notwendig. Auch was die Flüchtlingsfrage betrifft, ist Werner Schneyder durchaus zustimmen: “Europa besteht aus Staaten, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, was sie selbst beschlossen haben.”