Bei der Volksabstimmung über den österreichischen EU-Beitritt im Jahr 1994 stimmten 70 Prozent der Männer, aber nur 62 Prozent der Frauen für eine Mitgliedschaft. Die Diskrepanz in der EU-Einstellung von Männern und Frauen spiegelt sich auch in Meinungsumfragen wider. Seit Beginn der EU-Mitgliedschaft hat die Gesellschaft für Europapolitik – in regelmäßigen Abständen und über fünfzig Mal – die Frage gestellt, ob Österreich Teil der EU bleiben oder wieder austreten sollte. Bei jeder einzelnen Befragung war die absolute Mehrheit sowohl der Männer als auch der Frauen für einen EU-Verbleib. Frauen waren dabei stets EU-kritischer als Männer, doch seit November 2014 hat sich dieser Trend gedreht.
Während die explizite EU-Befürwortung von Frauen über die letzten Jahre hinweg leicht gestiegen ist, befand sich jene der Männer von Ende 2013 bis Mitte 2016 im steilen Sinkflug. In der aktuellsten Umfrage vom Jänner 2017 liegt die Zustimmung der Männer nunmehr bei 64 Prozent – mehr als zehn Prozentpunkte unter dem 20-jährigen Mittel. Bei Frauen hingegen ist der jüngste Bleiben-Wert mit 70 Prozent sogar vier Prozentpunkte größer als im Durchschnitt der letzten zwei Jahrzehnte. Dezidiert aus der EU austreten will derzeit knapp jeder dritte männliche, aber nur jede fünfte weibliche Befragte. Der Austrittswunsch nimmt bei Frauen tendenziell seit 2008 ab, während er bei Männern ab 2011 steigt und ab 2014 in die Höhe schnellt.
Ein ähnlicher Meinungstrend zeigt sich beim Euro. So steigt das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung bei den Österreicherinnen, während jenes der Österreicher sinkt. Im Jänner 2017 hatte genau die Hälfte der Frauen „sehr großes“ bzw. „großes“ Vertrauen in den Euro, und damit erstmals mehr als Männer. Die Wichtigkeit des Euro, etwa für die Stellung der EU in der Weltwirtschaft, schätzen Frauen nun ebenfalls höher ein. Auch in Bezug auf den langjährigen Bestand des Euro als gemeinsame Währung sind 72 Prozent der Frauen optimistisch – gegenüber 60 Prozent der Männer.
Die Tendenz, dass Frauen mittlerweile EU-freundlicher eingestellt sind als Männer, bestätigen auch die aktuellen Umfragen der EU-Kommission: Zum ersten Mal sind mehr Frauen als Männer der Meinung, dass die EU-Mitgliedschaft „eine gute Sache“ ist.
In politisch zunehmend unsicheren Zeiten dürften Männer vermehrt auf rasche, und damit mittlerweile nationale, Lösungen setzen, Frauen sich dagegen weniger festlegen wollen. Angesichts der aktuellen Herausforderungen betrachten sie einen potenziellen EU-Austritt eher als Sprung ins kalte Wasser. Männer hingegen reagieren erratischer und sympathisieren häufiger mit emotionalen Austrittsargumenten. EU-bashing ist oft maskulin und „die EU“ muss bekanntlich als Sündenbock für alles Erdenkliche herhalten. EU-kritische bis ablehnende Parteien wurden daher auch in Österreich bisher weit mehr von Männern als von Frauen gewählt. Frauen hingegen widerstreben eher extremere Positionen.
Seit Mitte 2016 steigt die EU-Zustimmung allerdings wieder – bei beiden Geschlechtern. Gerade die Diskussion um den Brexit hat insgesamt zu einem verstärkten Bewusstsein geführt, dass ein tatsächlicher EU-Austritt und nationale Alleingänge für uns alles andere als das Gelbe vom Ei wären.
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