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Europas Versuch, sich am Wachstum emporzuranken (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Ein besserer Mix aus Sofortmaßnahmen und mittelfristigen Wachstumsinitiativen könnte helfen.

Die EU-Kommission hat viel vor, um die europäische Wirtschaft anzukurbeln und Beschäftigung zu schaffen. Geplant sind etwa ein Europäischer Fonds für Strategische Investitionen, ein Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP), die Schaffung eines digitalen Binnenmarkts und einer Energieunion, das Schließen von Steuerschlupflöchern und die Umsetzung der Strategie Europa 2020.

Gerade dem neuen EU-Investitionsfonds kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu. Die EU-Kommission und die Europäische Investitionsbank (EIB) wollen mit 21 Milliarden Euro über drei Jahre ein privates Investitionsvolumen von 315 Milliarden Euro auslösen. Während Kritiker von einer Mogelpackung sprechen, halten renommierte Ökonomen den angestrebten Multiplikatoreffekt für durchaus realistisch. Gemäß der Internationalen Arbeitsorganisation könnte der EU-Investitionsfonds bis zum Jahr 2018 gut 2,1 Millionen Arbeitsplätze schaffen, wenn er denn rechtzeitig startet, auf faire Mittelverteilung abzielt und Maßnahmen zur Aktivierung der Arbeitsmärkte integriert. EU-weite Ungleichgewichte könnten dadurch zumindest entschärft werden.

Die anvisierten Initiativen sind alle sinnvoll. Ihre Wirkung wird jedoch bestenfalls erst mittelfristig spürbar sein, während im Süden Europas soziale Tragödien schon jetzt Realität sind. In Spanien und Griechenland ist heute jeder zweite Jugendliche arbeitslos, und jene mit Arbeit finden sich nicht selten in prekären Beschäftigungsverhältnissen wieder. Die öffentliche Gesundheitsversorgung bricht weg, Delogierungen stehen nach wie vor auf der Tagesordnung, und eine funktionierende Arbeitsmarktvermittlung gibt es nicht. Auch die aktuell positiveren Beschäftigungstrends lassen vermutlich weniger auf eine verbesserte Arbeitsmarktlage als auf eine Auswanderungswelle arbeitsloser, oft gut ausgebildeter, Jugendlicher schließen.

Vorrangig ist also die Schaffung produktiver Arbeits- und zusätzlicher Ausbildungsplätze, um vor allem der Jugend Perspektiven zu geben und Radikalisierungstendenzen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Anders als etwa bei der Umsetzung der Jugendgarantie, muss es dieses Mal gelingen, Verzögerungen zu vermeiden. Werden jedoch die unmittelbaren sozialen Probleme nicht gelöst, dann sind auch die mittelfristigen Wachstums- und Beschäftigungsziele kaum zu halten.

Um auf akute soziale Schieflagen reagieren zu können, müssen sich daher die betroffenen EU-Mitgliedstaaten haushaltspolitische Spielräume rasch erarbeiten und diese vor allem intelligent nützen. Eine Politik die auch von der EU-Kommission mit ihrer flexibleren Auslegung der geltenden Defizitregeln nunmehr unterstützt wird.

Ein ausgewogener Mix sich ergänzender kurz- und mittelfristiger Maßnahmen könnte letztlich nachhaltig wirken und auch die pessimistische Grundstimmung in der Bevölkerung verbessern. Sozial verträgliche Strukturreformen, Bildungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen brauchen Zeit. Sie sind jedoch – gemeinsam mit gezielten Sofortmaßnahmen – der richtige Weg, um der Jugend neue Chancen zu ermöglichen und einen drohenden Konflikt der Generationen zu vermeiden.