Am 8. Juli startet die Amtszeit des zukünftigen Bundespräsidenten der Republik Österreich. Eine Funktion, die so mancher Kritiker fälschlicherweise als „Händeschüttler“ und „Formalitäten-Abwickler“ abtut. Noch stärker angezweifelt wird die europäische Rolle des Bundespräsidenten. Zu Unrecht. Denn auch wenn sich die Forderung Thomas Klestils im Zuge des EU-Beitritts, Österreich als Bundespräsident im Europäischen Rat zu vertreten, schlussendlichen nicht durchsetzen konnte, sollten die zahlreichen Möglichkeiten die europäische und internationale Politik zu beeinflussen nicht leichtfertig unterschätzt werden.
Aktive Nutzung
Der Bundespräsident hat das Recht auf „Vertretung der Republik nach außen“. Sie beinhaltet den Abschluss von Staatsverträgen sowie die Pflege der Beziehung zu anderen Staaten und deren Staatsoberhäuptern. Dieses Recht muss auch zukünftig aktiv genutzt werden, um außen- und europapolitisch Stellung zu beziehen und grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu fördern. Ein intensiverer Dialog mit unseren Nachbarstaaten könnte in der derzeitigen Flüchtlingsfrage und Solidaritätskrise beispielsweise dazu beitragen, das Verständnis füreinander zu verbessern und neue, gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln.
Im Rahmen der Ernennung der Bundesregierung könnte es ebenfalls notwendig werden, auch in Zukunft europapolitische Akzente zu setzen. Klestil hatte etwa vor der Angelobung der schwarz-blauen Regierung von den Koalitionspartnern die Unterzeichnung einer Präambel zur Festschreibung europäischer Werte durchgesetzt. Eine Aktion, die auch im Bericht der drei Weisen zu den bilateralen Maßnahmen gegen Österreich Erwähnung fand.
Moralische Instanz
Letztlich ist es aber vor allem die Rolle als „moralische Instanz“, die es dem Bundespräsidenten ermöglicht, die Entwicklung des Landes und die europäische Haltung Österreichs zu prägen. Er nimmt Einfluss auf die Stimmung in der Bevölkerung, kann Missverständnisse aufklären und Fehltritte zurechtrücken. Heinz Fischer etwa nützte diese Rolle aktiv, indem er zur Teilnahme an den EU-Wahlen aufrief und das 20-jährige Jubiläum der Mitgliedschaft Österreichs bei der EU als Anlass nahm, um die historische und aktuelle Rolle Österreichs in der EU zu bewerten. Und er wird auch heute nicht müde zu betonen, dass die aktuellen Herausforderungen jedenfalls nicht einzelstaatlich, sondern nur in einer gemeinsamen europäischen bzw. internationalen Anstrengung gelöst werden können.
Jede/r Kandidat/in für das Amt des Bundespräsidenten sollte sich bewusst sein: Selbst wenn der Bundespräsident in die Tagespolitik nicht eingreift, kann und soll er auch in Zukunft zu europapolitischen und internationalen Grundsatzfragen verstärkt Stellung nehmen. Gerade für ein kleines und offenes Land wie Österreich kann die außen- und europapolitische Rolle des Bundespräsidenten von entscheidender Bedeutung sein.
Paul Schmidt – Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, 29.02.2016
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