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Europa – und was jetzt? (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Es ist notwendig, der Bevölkerung zu vermitteln, worum es bei den EU-Wahlen im Jahr 2014 tatsächlich gehen wird.

Zwei Drittel der Europäer – und Österreicher – sind der Meinung, dass ihre Stimme in der EU nicht zählt. Seit dem Frühjahr 2009 ist der entsprechende Wert europaweit um 14 (in Österreich um 8) Prozentpunkte gestiegen. Diese aktuell veröffentlichten Eurobarometer-Zahlen sollten – auch im Hinblick auf die EU-Wahlen im Mai nächstes Jahr – zu denken geben.

Derzeit hat die Bevölkerung das Gefühl, ihre Interessen werden zu wenig stark vertreten. Umso notwendiger wird es sein zu vermitteln, worum es bei den EU-Wahlen im Jahr 2014 tatsächlich gehen wird: Zum einen, die einzig direkt gewählte Institution auf EU-Ebene – das Europäische Parlament – durch eine hohe Wahlbeteiligung zu stärken und dadurch den Wunsch nach mehr demokratischer Mitbestimmung klar zu demonstrieren; zum anderen muss erklärt werden, dass es bei den anstehenden EU-Wahlen darum geht, mitzuentscheiden, in welche politische Richtung EUropa künftig gehen soll.

Eine Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik vom April lässt darauf schließen, dass die Österreicher hier durchaus mitreden wollen: Rund 80 Prozent können sich zumindest vorstellen, an den kommenden EU-Wahlen teilzunehmen. Ein Jahr vor den letzten EU-Wahlen war dieser Wert noch um 10 Prozentpunkte niedriger.

Das Vertrauen der Menschen in die EU lässt zu wünschen übrig. Mehr Transparenz und Mitsprache können helfen, es wieder aufzubauen. Wer daher heute beispielsweise noch überlegt, ob der Kommissionspräsident nun auch gewählt oder doch lieber hinter verschlossenen Türen in undurchschaubaren politischen Deals ausgehandelt werden soll, der hat den Ernst der Lage nicht verstanden. 74 Prozent der Österreicher sind im Großen und Ganzen zufrieden, wie die Demokratie in Österreich funktioniert. Was die Demokratie in der EU betrifft, so sind es lediglich 45 Prozent.

Mangelndes Vertrauen in politische Akteure ist aber auch auf nationaler Ebene ein vordringliches Problem. Dieser Vertrauensschwund, bedingt insbesondere auch durch teils dramatische wirtschaftliche Situationen in einzelnen EU-Ländern, wirkt sich direkt auf die Imagewerte der EU aus. Die EU muss auf diese Entwicklung mit neuen Rezepten reagieren. Das kann sie aber nur, wenn die Mitgliedsstaaten es ihr auch ermöglichen und klar und deutlich sagen, in welche Richtung sich dieses Europa entwickeln soll. Wohin geht die Reise? Wo werden europapolitische Leitplanken gesetzt?

Eng definierte, nationale Interessenslagen sind gerade in Krisenzeiten kontraproduktive Spaltpilze. Ein kleinster gemeinsamer europäischer Nenner, das zeigen die aktuellen Umfragewerte ganz deutlich, ist der Bevölkerung längst zu wenig. So sagen drei Viertel der Österreicher, dass die Länder der Europäischen Union infolge der Krise stärker zusammenarbeiten sollen. Höchste Zeit, die nationalen Brillen beiseite zu legen. Nicht politische Selbstverzwergung, sondern gemeinsame Lösungen sind jetzt gefragt.