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Europa braucht einen Plan! (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Ein Wiederaufbauprogramm für Syrien könnte mittelfristig zur Lösung der Flüchtlingsfrage beitragen.

Ein Ende im syrischen Bürgerkrieg ist nicht in Sicht – und damit letztlich auch kein Ende der Flüchtlingsbewegung in Richtung Europa. Mit beginnendem Winter wird der Flüchtlingsdruck womöglich nachlassen. An der unmittelbaren Bedrohung des eigenen Lebens, der Not und Perspektivlosigkeit in den Flüchtlingslagern und der vermeintlichen Zuflucht in Europa wird sich so schnell jedoch nichts ändern. Europa sucht nach einer gemeinsamen Linie und präsentiert sich – verschärft durch Terrorangst und Wirtschaftslage – zunehmend zerstritten und überfordert.

Während die Europäische Kommission versucht, alle Mitgliedstaaten der EU in die Pflicht zu nehmen, agieren Letztere nach wie vor mit nationalen Reflexen – auf Kosten ihrer jeweiligen Nachbarn und der europäischen Solidarität. Unterschiedliche nationale Interessenlagen und Betroffenheit blockieren gemeinsame Entscheidungen.

Die verfahrene Situation resultiert aber auch aus mangelhafter europäischer Analysekapazität internationaler Entwicklungen und der geringen politischen Bereitschaft, effizient auf Krisenszenarien zu reagieren. An den Ursachen der Probleme änderten ad-hoc akkordierte Notmaßnahmen einiger Ländergruppen bisher wenig.

Unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen muss es trotzdem gelingen, den anhaltenden Flüchtlingsstrom in geordnete Bahnen zu lenken, ansonsten ist diese Belastungsprobe nicht zu bestehen. Mut, Entschlossenheit und ein Perspektivenwechsel wären jetzt gefragt. Letztlich kann eben nur ein europäischer Lösungsansatz nachhaltig wirken. Und die Union hat – trotz aller Kritik – das Potenzial, einen solchen zu entwickeln.

Neben geregelten Flüchtlingsströmen durch Einreisekontingente und Frieden schaffenden Maßnahmen sollte parallel bereits jetzt an den Perspektiven für die umkämpfte Region nach einem Waffenstillstand gearbeitet werden. Ein internationales Wiederaufbauprogramm könnte als Bindeglied fungieren. Von den 28 EU-Staaten organisiert und ko-finanziert, hätte dieses sowohl für die vom Krieg stark getroffene Region wie auch für uns selbst in Europa konkrete Vorteile: Flüchtlingen würde die Chance eröffnet, mittelfristig in ihre Heimatregion zurückzukehren und sich am Wiederaufbau der staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen zu beteiligen. Den Sorgen und Ängsten in Europa, alle Asylberechtigte auf Dauer in Gesellschaft und Arbeitsmarkt integrieren zu müssen, könnte entgegengewirkt werden. Und der Bevölkerung würde klar signalisiert, dass man beherzt handelt statt zuzusehen und konkrete Schritte für eine nachhaltige Lösung der Flüchtlingsfrage, des Bürgerkriegs und den Wiederaufbau Syriens setzt.

Gerade Österreich, das sich als Gastgeber der jüngsten Iran-Verhandlungen und Syrien-Gespräche positiv präsentiert hat, könnte hier aktiv werden. Die Unterstützung dafür wäre vorhanden: 58 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher begrüßen laut einer aktuellen Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik ein solches Programm. Ebenso viele treten dafür ein, dass sich unser Land noch stärker engagieren soll.

Die EU braucht Haltung und Handlungsfähigkeit. Dafür müssen etliche Entscheidungsträger aber über ihre nationalen Schatten springen und sich den aktuellen Herausforderungen rechtzeitig und gemeinsam stellen.