Image Placeholder

Europa braucht eine gemeinsame Zukunftsvision (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

20 Jahre EU-Mitgliedschaft: Österreich, Schweden und Finnland sind im Stimmungswandel skeptisch bis proeuropäisch.

In diesen Tagen vor 20 Jahren konnten die Menschen in Österreich, Finnland und Schweden bereits eine Kurzbilanz über die ersten Monate EU-Mitgliedschaft ihres Landes ziehen. Nach dem Ja bei den Volksabstimmungen – mit 52 Prozent in Schweden, 57 Prozent in Finnland und 67 Prozent in Österreich – war die positive Erwartungshaltung bald einer nüchterneren Sicht gewichen. Der Start in die Europäische Union wurde vor allem in Schweden skeptisch bewertet: Gemäß Eurobarometer-Umfrage vom Frühjahr 1995 meinte dort nur jeder Fünfte, dass das eigene Land explizit profitiert hätte. In Finnland zogen 36 Prozent eine positive Bilanz, in Österreich waren es 44 Prozent.

Heute hat sich dieses Bild gedreht. Die Europäische Union ruft in Schweden mit 40 Prozent im Vergleich zu den beiden anderen Staaten ein positiveres Bild hervor, das Vertrauen in die EU ist wiederum in Finnland mit 54 Prozent am höchsten. Österreich liegt bei beiden Fragen auf Platz drei.

Insgesamt 20 Eurobarometer-Umfragen seit Herbst 2003 belegen, dass die EU-Mitgliedschaft hierzulande stärker mit negativen Assoziationen verbunden wird als in den beiden skandinavischen Ländern. Mehr Kriminalität und Verlust der kulturellen Identität werden im Durchschnitt doppelt so oft mit der EU assoziiert, im Punkt Arbeitslosigkeit sogar dreimal so oft. Deutlich höher ist die heimische Skepsis auch bezüglich der Kontrollen der Außengrenzen. Andererseits verbinden die Österreicher die EU über die vergangenen 20 Jahre hinweg auch doppelt so häufig mit wirtschaftlichem Wohlstand und sozialer Absicherung.

An der unterschiedlichen subjektiven Lebenszufriedenheit liegt diese divergierende Beurteilung der EU-Mitgliedschaft jedenfalls nicht. Alle drei Länder sind in diesem Bereich EU-Spitze. Jedes EU-Land hat aber seine eigene spezifische Integrationsgeschichte, die sich im öffentlichen Meinungsbild widerspiegelt. Im Falle Schwedens ist das zum Beispiel die Nichtteilnahme am Euro, in Finnland die komplizierte Nachbarschaft mit Russland, in Österreich die Nähe zu Ost- und Südosteuropa, die paradoxerweise oft als Risiko statt als Chance wahrgenommen wird. Und auch die Art und Weise der öffentlichen und medialen Diskussion beeinflusst die Sichtweise auf die Europäische Union. Eine Herausforderung – gerade auch in Österreich.

Trotzdem ist die Identifikation mit dem Konzept Europa in diesen zwei Jahrzehnten gestiegen. Die Zahl jener Österreicher, die sich in den Umfragen “auch als Europäer” fühlen, hat sich von 46 auf 60 Prozent erhöht, in Schweden von 43 auf 62, in Finnland immerhin noch von 52 auf 56 Prozent. Und auch die Zufriedenheit damit, wie die Demokratie in der EU funktioniert, ist gewachsen. Heute liegt sie in allen drei Ländern bei etwa 50 Prozent, vor zwei Jahrzehnten sah dies in Österreich und Finnland nur jeder Dritte, in Schweden sogar nur jeder Vierte positiv.

Angesichts der Geschwindigkeit der Integration und ihrer aktuellen Herausforderungen bleiben wir also vorerst skeptisch, wenn auch proeuropäisch. Eine klare, gemeinsame Antwort auf die Frage, wie es mit der Europäischen Union – die nächsten 20 Jahre – weitergehen soll, würde helfen.