EU-Zukunftsdebatte – nicht ohne die Jugend! (Gastkommentar, Wiener Zeitung)

Es ist höchste Zeit, jungen Menschen wieder eine klare Perspektive zu geben.

 

Die Situation der Jugend erweist sich in einem von der Corona-Pandemie gebeutelten Europa als besonders prekär. Nicht nur, dass sie seit mittlerweile mehr als einem Jahr ihre sozialen Kontakte einschränken und auf Sport, Konzerte und Reisen verzichten muss, befindet sich die Generation Corona auch in einem zermürbenden Hin und Her zwischen Homeschooling und Präsenzunterricht mit Maskenpflicht, manch eine oder einer wartet seit Monaten auf den erwünschten Praktikums- oder Ausbildungsplatz oder hofft auf einen regulären Start in die Uni-Saison beziehungsweise die Arbeitswelt. Nachdem durch die nun großflächig anlaufenden Impfungen auch die Hoffnung auf die Rückkehr in ein normales Leben gestiegen ist, ist es auch höchste Zeit, jungen Menschen wieder eine klare Perspektive zu geben.

Mit der am Europatag (9. Mai) startenden Debatte zur Zukunft der Europäischen Union bietet sich diese Gelegenheit ganz konkret – wenn sie denn genutzt wird. Europa hat es jetzt in der Hand, zu zeigen, dass es in der Lage ist, in Verbindung mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau auch die Lebens- und Arbeitsmarktchancen junger Menschen wieder zu verbessern. Dazu ist es aber auch notwendig, die junge Generation in die Zukunftsdiskussion prominent einzubinden, sie mitentschieden und ihre Anliegen nicht in der Schublade verschwinden zu lassen.

Eine starke Stimme der Jugend würde sich bezahlt machen, denn die europäische Integration stößt bei ihnen auf offene Ohren. Dies zeigen Umfragen der Gesellschaft für Europapolitik im Zeitraum 2014 bis 2020, bei denen insgesamt mehr als 15.000 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrlinge an 267 Schulen in ganz Österreich befragt wurden.

Die aggregierten Ergebnisse über sechs Jahre hinweg machen deutlich, dass die EU-Mitgliedschaft Österreichs überwiegend positiv gesehen wird, und das mit steigender Tendenz. Im Vorjahr sahen acht von zehn Befragten die EU-Mitgliedschaft als gute Sache, ebenso viele fühlten sich als EU-Bürgerinnen und EU-Bürger. Sieben von zehn wünschten sich auch mehr gemeinsame Entscheidungen auf europäischer Ebene. Gleichzeitig wird aber die Union mit großer Mehrheit als kompliziert empfunden, und auch beim Interesse an Europapolitik gibt es noch Spielraum nach oben.

Die Zukunftsdebatte sollte dies zum Anlass nehmen, die Jungen ins Boot zu holen, und jene Themen besprechen, die ihnen besonders am Herzen liegen: an erster Stelle den Klima- und Umweltschutz, gefolgt von der Überwindung der Kluft zwischen Arm und Reich, einem stärkeren Einsatz für die Menschenrechte, einem gemeinsamen europäischen Ansatz bei Asyl und Migration sowie dem Wunsch, den digitalen Wandel zu gestalten.

Viele dieser thematischen Schwerpunkte stehen schon jetzt als zentrale Wegweiser für eine neue Europäische Union nach Corona in der öffentlichen Debatte. Jetzt gilt es aber, nicht vor der eigenen Courage zurückzuschrecken und konkrete, nachhaltige Schritte zu setzen. Dabei sind mehr denn je auch Perspektiven und Ideen der jungen Europäer gefragt. Der Neustart der EU kann und soll daher nicht ohne ihren Beitrag gelingen. Es geht ja um ihre Zukunft.

 

Paul Schmidt