EU-ropa als Vorreiter der Klimapolitik? (Gastkommentar Paul Schmidt, KURIER)

Der Klimawandel gilt zu Recht als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Seit nunmehr einer Woche verhandelt die internationale Staatengemeinschaft in Paris, mit dem Ziel, den weltweiten Temperaturanstieg nach 2020 auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen. Bleibt die Europäische Union ihren umweltpolitischen Ansprüchen treu, muss sie versuchen, ein verbindliches und ehrliches Abkommen zu erzielen. Ein erfolgreiches Verhandlungsergebnis könnte aber nicht nur unser Klima gut brauchen. Nur jeder Dritte sieht hierzulande – gemäß einer Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik – die EU als Vorreiter der internationalen Klimapolitik.
Im Verhältnis zur Tragweite des Klimawandels ist die öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema momentan eher bescheiden. Neben der aktuellen Flüchtlingswelle und der europäischen Wirtschafts- und Beschäftigungslage wird über Dauerthemen wie Klima- und Umweltentwicklung meist nur bei Katastrophen berichtet. Vor der Flüchtlingsproblematik und der Wirtschaftskrise sah das noch (gänzlich) anders aus. Mehr mediales Interesse für eine Entwicklung, die von immerhin zwei Drittel der ÖsterreicherInnen als “akute Gefahr” betrachtet wird, wäre daher willkommen. Dabei ist klar, dass die Klimafrage nicht nationalstaatlich, sondern nur gemeinsam gelöst werden kann. Eigentlich eine Chance für die EU, auch in Krisenzeiten eine Führungsrolle für sich zu reklamieren. Nicht umsonst hat sie in den vergangenen Jahren ihr Engagement in Klima- und Umweltfragen neu ausgerichtet. Neben den 2020- und 2030-Zielen wurden Initiativen wie das Emissionshandelssystem, die Regulierung des CO2-Ausstoßes im Verkehrssektor oder die Reduktion von Plastiksäcken gesetzt. Die EU-Kommission hat sich zudem zu einer zentralen Stütze insbesondere gegenüber säumigen EU-Mitgliedstaaten entwickelt.
“Zeit zum Handeln”
Um ihre internationale Position zu stärken, muss die EU in Paris vollen Einsatz zeigen. Sie hat sich bereit erklärt, bis 2030 ihre Emissionen um 40 Prozent ausgehend vom Jahr 1990 zu reduzieren. Mit diesem Signal sollen nicht nur andere Länder dazu ermutigt werden nachzuziehen, es ist auch ein Zeichen an die eigene Zivilgesellschaft.
Aber kann die EU diesen Anforderungen auch gerecht werden? Seit dem Minimalkonsens von Kopenhagen im Jahr 2009 wird bemängelt, dass sie zu sehr vom wissenschaftlichen Diskurs geprägt sei und eine zu strenge internationale Verpflichtung verfolge. Gleichzeitig werden von NGO-Seite weitere Auflagen gefordert und kritisiert, dass Wirtschaftsinteressen oft Vorrang gegeben wird – zum Nachteil der Entwicklungsländer.
Paris ist jedenfalls eine entscheidende Etappe, über die auch die EuropäerInnen eingehend informiert werden müssen. Die Flüchtlingskrise hat berechtigterweise medial Priorität, doch kümmert das den Klimawandel wenig. Zeit zum Handeln, ansonsten werden auch bald Klimaflüchtlinge an die Tore Europas klopfen.