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EU-Kommission neu. Die Chancen (Gastkommentar Paul Schmidt, KURIER)

Die neue EU-Kommission steht. Aufgrund der  Anhörungen der designierten KommissarInnen im EU-Parlament könnte es zwar noch zu der einen oder anderen personellen Verschiebung kommen, bevor Junckers Team seine Arbeit aufnimmt. Mit Blick auf die Kommission unter Barroso zeichnen sich aber schon jetzt große Unterschiede ab: Jean-Claude Juncker ist durch seine indirekte Wahl stärker legitimiert, weiß die Unterstützung des EU-Parlaments hinter sich und ist damit unabhängiger gegenüber nationalen Regierungen. Zudem hat er eine Vielzahl nationaler EntscheidungsträgerInnen direkt aus dem Europäischen Rat an seine Seite geholt. Sieben VizepräsidentInnen sind für je ein Kernprojekt zuständig und koordinieren die Arbeit der weiteren KommissarInnen. Sie wollen nicht verwalten, sondern gestalten. Es wird spannend zu sehen, ob diese neue Struktur die politische  Durchschlagskraft der Kommission letztlich verbessern kann.

Direktwahl

Entwickelt sie sich damit stufenweise zu einer quasi europäischen Regierung? Könnte am Ende dieses Prozesses die Direktwahl ihres Präsidenten stehen? Gemäß Eurobarometer-Umfrage vom Juni 2013 sprechen sich 70 Prozent der Befragten für eine Direktwahl aus. Sie würde die EU insgesamt demokratischer machen und die Kommission weiter stärken. Letztlich könnte dadurch auch das öffentliche Interesse an der EU steigen.
Klingt überzeugend, aber Anspruch und Wirklichkeit klaffen hier auseinander.  Unabhängig von der Person, die die Kommission leitet: zu einer europäischen Regierung kann sie sich nur dann entwickeln, wenn auch ihre Kompetenzen ausgeweitet werden. Direktwahl und Kompetenzverschiebungen setzen wiederum eine Vertragsänderung voraus – eine komplexe und langwierige Angelegenheit. Sie erfordert neben der schwierigen Einstimmigkeit im Europäischen Rat auch einige nationale Referenden mit höchst unsicherem Ausgang. Zudem ist das derzeitige Verständnis der Bevölkerung, sich mit institutionellen Spitzfindigkeiten und nationalen Egoismen zu beschäftigen, ohne aber die tatsächlichen Herausforderungen Europas auch nur annähernd gemeistert zu haben, wohl enden wollend. Und weiteren Souveränitätsabgaben stehen die EuropäerInnen mehrheitlich ebenso skeptisch gegenüber.

Gestaltungsraum

Eine Sackgasse also? Nein. Realistischer scheint erstmals die Konsolidierung des Status quo – die indirekte Wahl des Kommissionspräsidenten. Dieser ist damit zwar weniger stark demokratisch legitimiert, aber die indirekte Wahl ermöglicht dem EU-Parlament, sich weiterhin mehr Gestaltungsraum und  Mitsprache zu erstreiten. Bis 2019 sollte sich auch das öffentliche Wissen um die Verknüpfung der EU-Wahl mit der Bestellung des Kommissionspräsidenten verbessern. In den kommenden fünf Jahren muss es jedenfalls gelingen, die Kommission durch Ausweitung ihrer Kompetenzen zu stärken und den Mehrwert ihrer Arbeit für die Bevölkerung zu verdeutlichen.