Bei der “Europäischen Politischen Gemeinschaft” ist letztlich alles eine Frage der Umsetzung.
Diese Woche wurde die “Europäische Politische Gemeinschaft” aus der Taufe gehoben. Staats- und Regierungschefs aus 44 Ländern trafen sich erstmals in neuem Format, womit die am 9. Mai vom französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron lancierte Idee einer verstärkten Zusammenarbeit von EU-Mitgliedern und Nicht-EU-Ländern Form annimmt.
Die dabei demonstrierte Einigkeit gegen Russland hatte in der Tat starke Symbolik. Aber kann sich diese so unterschiedliche Gruppe von Staaten tatsächlich zu einer institutionalisierten Gemeinschaft weiterentwickeln? Oder bleibt es doch bei einem weiteren zwischenstaatlichen Forum, in dessen Rahmen sich die politischen Spitzen lediglich informell austauschen?
Weitergedacht, und mit ausreichend politischem Willen versehen, wäre die “Europäische Politische Gemeinschaft” jedenfalls eine Chance. Die EU und ihre Mitgliedstaaten könnten die Kooperation mit den europäischen Nachbarn vertiefen und sich in Bereichen wie Energiepolitik, Sicherheitsfragen, Klimaschutz, Infrastruktur, Mobilität und Migration enger abstimmen. Zu besprechen gäbe es viel, und es wäre jedenfalls im Interesse der EU-27, auch über diese Schiene, die geopolitische Rolle ihrer Union weiter zu stärken, die russische Einflussnahme in Europa zurückzudrängen, die Energieversorgung sicherzustellen und etwaige Umgehungen europäischer Sanktionen zu verhindern.
Für manche Länder, die der EU nicht beitreten wollen beziehungsweise ihre Beitrittskriterien nicht erfüllen, könnte die “Europäische Politische Gemeinschaft” zu einer Plattform der intergouvernementalen Zusammenarbeit in Europa werden. Großbritannien hat sein klares Interesse bekundet, die Türkei – ein wichtiger geopolitischer Faktor – ist ebenfalls an Bord. Für andere, wie die Länder des Westbalkans, die Ukraine oder Moldau, wäre es wiederum – optimistisch gedacht – eine Möglichkeit, ihre Beitrittsambitionen zu stärken, indem die politische Kooperation in einschlägigen Bereichen schon jetzt, parallel zum technisch aufgesetzten Beitrittsprozess, forciert wird.
Letztlich ist alles eine Frage der Umsetzung: Ein weiteres Dialogforum, wie es der britischen Regierung vorschwebt, wäre wenig hilfreich, und institutionelle Doppelgleisigkeiten und Kompetenzwirrwarr sollten tunlichst vermieden werden. Der Mehrwert dieser neuen Gemeinschaft wird aber auch von der ihr zugrunde liegenden Architektur abhängen. Soll sie einen Unterschied machen, müsste es gelingen, sich zumindest auf ein Gründungsdokument, einen Wertekatalog, ein Mandat zu einigen und eine schlanke Arbeitsstruktur aufzubauen.
Obwohl noch mit viel Unklarheit behaftet, trifft die neue Idee übrigens auch in Österreich durchaus auf Interesse, wie unsere aktuellen Daten zeigen. Damit sich dieser Trend verfestigt, sollte die “Europäische Politische Gemeinschaft” jedenfalls mehr werden als eine Ansammlung bilateraler Treffen mit Fototerminen. Sonst könnte ihr Beitrag zu einem zusammenwachsenden Europa doch eher bescheiden ausfallen und sie lediglich zu einer weiteren Fußnote der Geschichte verkommen.