Die Zustimmung zur EU sinkt wieder. Handeln ist nötig!
Krieg, Inflation und die aktuellen politischen Entwicklungen auf internationaler wie heimischer Ebene drücken auch der EU-Stimmung in Österreich ihren Stempel auf. Zwar steht eine deutliche Mehrheit, fast zwei Drittel, weiter hinter der EU-Mitgliedschaft, aber die Zahl jener, die über einen Austritt aus der Union nachdenkt, ist im Steigen begriffen und liegt aktuell, nach Umfragen der Gesellschaft für Europapolitik, bei 27 Prozent. Kurz vor dem Pandemieausbruch war es lediglich ein knappes Zehntel in der Bevölkerung, das sich für einen EU-Austritt aussprach – ein historisch tiefer Wert. Die Zustimmung zur EU-Mitgliedschaft unterliegt Schwankungen und angesichts der vielen Krisen, die auch jede und jeden einzelnen direkt betreffen, überrascht es wenig, dass das Stimmungsbarometer aktuell nach unten ausschlägt. Krieg in der Nachbarschaft, Teuerung und die Frage, wie es mit der Energieversorgung weitergehen wird, belasten. Und da es darauf keine schnellen Antworten gibt, sackt das Vertrauen in das Handeln politischer Akteure in den Keller. Korruptionsvorwürfe am innenpolitischen Parkett verschärfen die Situation weiter. Zukunftspessimismus, gemischt mit Wohlstandsverlust und Politikverdrossenheit bilden eine Gemengelage, vor der man nicht die Augen verschließen sollte. Wenn jene Stimmen an Gewicht gewinnen, die das europäische Krisenmanagement per se kritisieren, ohne aber selbst realistische Alternativen anzubieten, wird auch die europäische Einigkeit gehörig auf die Probe gestellt.
Eine Führungsrolle dabei nimmt – schon traditionell – Viktor Orbán ein, der zu Hause gegen die von ihm mitbeschlossenen Sanktionen wettert, pro forma die Bevölkerung mit Suggestivfragen über diese zu manipulieren versucht und sich einer Täter-Opfer-Umkehr bedient. Solche Entwicklungen einfach nur aussitzen zu wollen, wäre keine gute Idee. Die Politik muss sich vielmehr immer wieder erklären, warum es für die europäische Sicherheit und unser Werte- und Demokratiemodell existenziell ist, sich der russischen Aggression entgegenzustellen. Warum es entscheidend ist, dass die EU eine einheitliche Linie in der Unterstützung der Ukraine verfolgt. Wie die europäischen Sanktionen wirken und warum sie eben nicht der Grund für gestiegene Preise sind. Warum es genau der falsche Weg ist, nationale und europäische Interessen gegeneinander auszuspielen. Und letztlich: Dass es eben nicht die EU ist, die über unsere Köpfe hinweg entscheidet, sondern dass Österreich immer mit am Tisch sitzt und alle Entscheidungen mit beschließt. Neutralität und Solidarität bilden keinen Widerspruch, weder rechtlich noch moralisch, auch das sollte öfter kommuniziert werden. Klarheit und ein breiter Dialog über die Rolle Österreichs wären gerade jetzt wichtiger denn je.