Gestern war es ein Jahr her, dass die letzten Wahlen zum EU-Parlament stattgefunden haben. Die EU-Abgeordneten haben seither viel gearbeitet, aber die Öffentlichkeit hat davon wenig Notiz genommen.
Dabei ist seit dem 25. Mai 2014 eigentlich eine ganze Menge geschehen: Zu den legislativen Entschließungen im EU-Parlament zählten etwa die Zustimmung zum Assoziierungsabkommen mit der Ukraine, die Abstimmung über den EU-Haushaltsentwurf für 2015, die Deckelung von Kreditkartengebühren, die Beschränkung des grenzüberschreitenden Verkehrs von überlangen Lkw, die Schaffung eines langfristigen Investitionsfonds zur Ankurbelung der europäischen Wirtschaft sowie die Befürwortung einer Regelung, die das Verbot des Anbaus gentechnisch veränderter Organismen ermöglicht.
In parlamentarischen Resolutionen sprachen sich die Abgeordneten mehrheitlich für die Anerkennung der Eigenstaatlichkeit Palästinas aus, verurteilten den IS-Terror, forderten die Umsetzung des Friedensplans in der Ukraine sowie den sofortigen Stopp von EU-Waffenlieferungen nach Russland, plädierten für mehr Geld zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa und forderten verstärkte Bemühungen zur Gleichstellung von Männern und Frauen.
Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon hat sich das EU-Parlament sukzessive mehr Einfluss gesichert. Das neue Selbstbewusstsein zeigte sich zuletzt bei der Wahl von Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten. Und ohne die Zustimmung des EU-Parlaments wird es letztlich auch kein EU-Freihandelsabkommen mit den USA geben.
Trotz neuer Kompetenzen und dem Willen, diese auch bestmöglich wahrzunehmen, wird das Engagement der EU-Abgeordneten von aktuellen Krisen überschattet und ist einer breiten Öffentlichkeit noch wenig bekannt. Die Krisenbekämpfung selbst läuft auf Ebene der Mitgliedstaaten, der Europäischen Zentralbank und der Troika. Die EU-Abgeordneten kritisieren zwar Struktur und Arbeitsmethoden der Troika sowie den Mangel an Transparenz. Aber gerade in der europäischen Krisenpolitik hat es das EU-Parlament noch nicht geschafft, seine demokratischen Kontrollrechte auszubauen.
Fruchtbarer Diskurs
Hierzulande ist mit dem Rederecht für EU-Abgeordnete im Nationalrat ein erster, wichtiger Schritt gelungen. Die Mandatare sind nun gefordert, ihre Arbeit noch öffentlichkeitswirksamer nach Österreich zu tragen. Wünschenswert wäre aber auch eine stärkere Affinität einiger österreichischer Medien zu Europa. Kaum ein Thema, das nicht eine europäische Tangente aufweisen würde. Streng nationale Sichtweisen verstellen den Blick auf die Realität und damit auf größere Gestaltungsspielräume. Zwanzig Jahre nach dem EU-Beitritt hätten wir uns in Österreich einen hörbareren und befruchtenderen Diskurs zur Mitgestaltung Europas durchaus verdient.