Das Geburtsortsprinzip in den Ländern der Europäischen Union
Anlässlich der aktuellen Diskussion zur Frage, ob Babys ausländischer Eltern, die in Österreich geboren werden, automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden sollte, hat die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) recherchiert, wie dieses Thema in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gehandhabt wird. Die ÖGfE hat hierzu als Orientierungshilfe einen Kurzüberblick erstellt, in welchen Ländern Elemente eines „Geburtsortsprinzips“ (ius soli) vorhanden sind.
Ius soli bei der Geburt (an Bedingungen geknüpft):
Belgien
Deutschland
Griechenland
Irland
Portugal
Vereinigtes Königreich
Doppeltes ius soli bei der Geburt:
Belgien
Frankreich
Griechenland
Luxemburg
Niederlande
Portugal
Spanien
Kein ius soli bei der Geburt:
Österreich
Bulgarien
Tschechien
Ungarn
Italien
Rumänien
Slowenien
Dänemark
Zypern
Malta
Polen
Slowakei
Schweden
Finnland
Estland
Lettland
Litauen
Quellenangabe:
Die vorliegende Recherche basiert auf folgenden Quellen:Honohan, Iseult. 2010. “The Theory and Politics of Ius Soli.” In EUDO CITIZENSHIP Comparative Report Nr. 2, Robert Schuman Centre, European University Institute, Florence, at:
eudo-citizenship.eu/docs/IusSoli.pdf
eudo-citizenship.eu/docs/ius-soli-policy-brief.pdf
Ausführliche Informationen zum Thema sind auf eudo-citizenship.eu abzurufen!
Übersichtstabelle:
Anrecht auf Verleihung der Staatsbürgerschaft bei Geburt
Definition:
Ius soli (Geburtsortsprinzip):
Ius soli bezeichnet das Prinzip, nach dem ein Staat seine Staatsbürgerschaft an alle Kinder verleiht, die auf seinem Staatsgebiet geboren werden. Es wird auch „Geburtsorts- oder Territorialprinzip“ genannt. Es ist zu unterscheiden vom Abstammungsprinzip (Ius sanguinis), das ein anderes, meist parallel geltendes Prinzip des Staatsbürgerschaftserwerbs ist und an die Staatsbürgerschaft der Eltern gebunden ist. In jenen EU-Ländern, die Elemente des Ius soli handhaben, ist dieses stets an bestimmte zusätzliche Bedingungen geknüpft.
Doppeltes ius soli:
In einigen Ländern gilt auch das Doppelte ius soli. Dieses bezeichnet das Prinzip, dass ein Staat seine Staatsbürgerschaft an jene Kinder verleiht, wenn zumindest ein Elternteil bereits im Land geboren ist.
Länder-Übersicht:
Belgien:
Wenn kein Elternteil in Belgien geboren ist, kann die Staatsbürgerschaft durch eine Erklärung erworben werden, falls ein Elternteil mindestens 10 Jahre in Belgien gelebt hat.
Ein in Belgien geborenes Kind erwirbt von Rechts wegen die Staatsbürgerschaft, wenn ein in Belgien geborener Elternteil in den 10 Jahren vor der Geburt des Kindes mindestens 5 Jahre in Belgien lebte. Eine mehrfache Staatsbürgerschaft wird akzeptiert.
Deutschland:
In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern erwerben u.U. die deutsche Staatsbürgerschaft iure soli unter folgenden Voraussetzungen: Ein Elternteil hat seit 8 Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, besitzt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis.
Wenn ein Kind iure soli die deutsche Staatsbürgerschaft und auch iure sanguinis eine fremde Staatsbürgerschaft erworben hat, herrscht ein Optionszwang zwischen dem 18. und 23. Geburtstag. D. h. es muss eine schriftliche Erklärung abgeben, ob es die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit behalten will.
Frankreich:
Ein Kind ausländischer Eltern erwirbt von Rechts wegen die Staatsbürgerschaft, wenn mindestens ein Elternteil auch im Lande geboren wurde.
Ein in Frankreich geborenes Kind erwirbt von Rechts wegen die Staatsbürgerschaft am 18. Geburtstag, wenn es nach dem 11. Geburtstag mindestens 5 Jahre in Frankreich gelebt hat.
Durch eine Erklärung ist auch ein früherer Erwerb (zwischen 16 und 18 Jahre) möglich, wenn es nach dem 11. Geburtstag 5 Jahre in Frankreich gelebt hat. Eine solche Erklärung ist auch im Alter zwischen 13 und 16 Jahre möglich, wenn es 5 Jahre nach dem 8. Geburtstag in Frankreich gelebt hat.
Eine mehrfache Staatsbürgerschaft wird akzeptiert.
Griechenland:
Ein in Griechenland geborenes Kind ausländischer Eltern erwirbt die Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil in Griechenland geboren ist und ständig im Land lebt. Eine mehrfache Staatsbürgerschaft wird akzeptiert.
Irland:
Ein in Irland geborenes Kind ausländischer Eltern erwirbt durch Erklärung die Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil seinen Wohnsitz in Irland während 3 der letzten 4 Jahre vor der Geburt des Kindes hat. Eine mehrfache Staatsbürgerschaft wird akzeptiert.
Luxemburg:
Ein in Luxemburg geborenes Kind ausländischer Eltern erwirbt die Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil bereits in Luxemburg geboren ist. Eine mehrfache Staatsbürgerschaft wird akzeptiert.
Niederlande:
Ein in den Niederlanden geborenes Kind ausländischer Eltern erwirbt die Staatsbürgerschaft, wenn die Eltern (entweder Vater oder Mutter) zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes den Hauptwohnsitz in den Niederlanden (oder in den Niederländischen Antillen und Aruba) hatten und deren Eltern (Großvater oder Großmutter) ebenfalls in den genannten Ländern ihren Hauptwohnsitz hatten. Eine mehrfache Staatsangehörigkeit wird akzeptiert.
Portugal:
Ein in Portugal geborenes Kind ausländischer Eltern erwirbt die Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil auf portugiesischem Territorium geboren ist und während der Geburt des Kindes seinen Aufenthalt in Portugal hatte, unabhängig davon, ob dies eine legale Aufenthaltsbewilligung war.
Ein in Portugal geborenes Kind ausländischer Eltern erwirbt die Staatsbürgerschaft durch eine Erklärung, wenn ein Elternteil seinen Wohnsitz während 5 Jahren vor der Geburt des Kindes dort hatte. Eine mehrfache Staatsangehörigkeit wird akzeptiert.
Spanien:
Ein in Spanien geborenes Kind ausländischer Eltern erwirbt die Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil bereits in Spanien geboren ist.
Vereinigtes Königreich:
Ein im Vereinigten Königreich geborenes Kind ausländischer Eltern erwirbt die Staatsbürgerschaft, wenn ein Elternteil „settled“ ist, d. h. ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat. Eine mehrfache Staatsbürgerschaft wird akzeptiert.