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Das EU-Parlament leistet mehr, als den meisten bewusst ist (Gastkommentar Paul Schmidt, Wiener Zeitung)

Sechs Monate vor den EU-Wahlen – die Bilanz des Europäischen Parlaments kann sich sehen lassen.

In einem halben Jahr, am 25. Mai 2014, sind 380 Millionen Bürger in 28 EU-Ländern aufgerufen, ihre EU-Abgeordneten zu wählen. Von insgesamt 751 Abgeordneten wird Österreich 18 stellen. Obwohl mehr als die Hälfte der Österreicher der Meinung sind, das Europäische Parlament habe großen Einfluss auf EU-Entscheidungen, wissen hierzulande die wenigsten, was es eigentlich genau macht. Dabei kann sich die Institution so manche Erfolge auf ihre Fahnen heften.

Das Europäische Parlament ist – neben seiner demokratiepolitischen Kontrollfunktion – mittlerweile in fast allen Bereichen Co-Gesetzgeber und agiert auf Augenhöhe mit dem Rat der EU. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: Etwa beim Mehrjährigen Finanzrahmen, bei der Europäischen Bürgerinitiative, bei den Roaming-Gebühren, bei Finanzmarktregulierungsmaßnahmen, bei der Ablehnung des umstrittenen internationalen Anti-Piraterie-Handelsabkommens Acta oder beim Verbot von illegal gefälltem Holz war und ist das Europäische Parlament ein zentraler Player.

Trotz Einsparungen haben die EU-Abgeordneten für das EU-Budget der kommenden sieben Jahre zusätzliche Mittel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und zur Förderung des Wirtschaftswachstums durchgesetzt.

Die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative, um deren Ausgestaltung im Europäischen Parlament gerungen wurde, war ein weiterer Schritt zur Stärkung der Demokratie. Die Bürgerinitiative “Wasser ist ein Menschenrecht” konnte beispielsweise insgesamt 1,86 Millionen Unterschriften sammeln; ihre Forderung nach Wasser und sanitärer Grundversorgung für alle Menschen in Europa wird von der Europäischen Kommission aufgenommen.

Auf Druck der EU-Abgeordneten wurden auch die Roaming-Kosten für Mobiltelefone, Smartphones und Tablet-PCs im europäischen Ausland deutlich gesenkt. Aktuell setzen sie sich gemeinsam mit der Europäischen Kommission für die gänzliche Abschaffung der Gebühren ein.

Im Bereich Finanzmarktregulierung hat das Europäische Parlament vom Rat und von der Europäischen Kommission mehr Tempo gefordert. Die Themenpalette reicht hier von den Regeln für Banker-Boni über Verbraucherschutznormen und strengere Eigenkapitalvorschriften bis hin zum Aufbau einer einheitlichen europäischen Bankenaufsicht und zur Ausformulierung einer EU-Finanztransaktionssteuer.

Das umstrittene Acta-Abkommen, ein multilateraler Vertrag zwischen 35 Staaten, der geistiges Eigentum besser schützen sollte, wurde vom Europäischen Parlament abgelehnt. Zahlreiche Proteste haben die Konsequenzen für zivile und digitale Grundrechte problematisiert. Dem Bürgerprotest wurde Gehör geschenkt.

Schon diese wenigen Beispiele verdeutlichen die vielfältigen Lebensbereiche, die von der Arbeit des Europäischen Parlaments beeinflusst werden. Wüssten das jetzt auch alle Wahlberechtigten, dann wäre eine höhere Wahlbeteiligung am 25. Mai wahrscheinlicher. Sie würde der Leistung der EU-Abgeordneten jedenfalls nur gerecht werden.